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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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vielen Endlich -- Aber -- Rückfällen -- Wiederho¬
lungen -- gerieth er in eine Art dithyrambischen
Schwunges, und aus der Kehle oder der Brust kam
ein Lobgesang auf das Königliche Blut, das so rein
und heilig, wie es im Herzen pulst, durch alle Glie¬
der fließe, daß jeder Tropfen davon reiner sei, wie
der Purpur des Morgenrothes. -- Alle sahen auf den
Prinzen, der bis da mit unveränderter Miene den
Mann angeschaut, -- er mochte eine Viertelstunde
gesaalbadert haben, -- als er rasch aufstand, das
gefüllte Glas in die Hand nahm und die Lippen
öffnete. Ringsum gespannte, bange Erwartung.
"Mais -- riefen Seine Königliche Hoheit, eine kleine
Pause -- c'est assez!" -- Kein Wort weiter. Sie
stürzten das Glas runter, stampften es auf den Tisch
und conversirten mit ihrem Nachbar weiter über die
Trüffelpastete."

Der Besternte, einem fremden Hofe angehörig,
schwellte sichtlich von einem innern Behagen, das er
zu verbergen sich Mühe gab, während die Hofdame
erblaßt war:

"Entsetzlich! Und --?"

"In der Gesellschaft war eine Todtenstille, Je¬
der sah auf seinen Teller."

"Und der unglückselige Prinz?"

"Aß mit großem Appetit. Vielleicht dachte er
nach, ob die Gesellschaft eines so genialen Einfalls
werth war. Lupinus saß, was man in Berlin sagt
"wie übergossen." Er ließ alle Schüsseln vorübergehn."

vielen Endlich — Aber — Rückfällen — Wiederho¬
lungen — gerieth er in eine Art dithyrambiſchen
Schwunges, und aus der Kehle oder der Bruſt kam
ein Lobgeſang auf das Königliche Blut, das ſo rein
und heilig, wie es im Herzen pulſt, durch alle Glie¬
der fließe, daß jeder Tropfen davon reiner ſei, wie
der Purpur des Morgenrothes. — Alle ſahen auf den
Prinzen, der bis da mit unveränderter Miene den
Mann angeſchaut, — er mochte eine Viertelſtunde
geſaalbadert haben, — als er raſch aufſtand, das
gefüllte Glas in die Hand nahm und die Lippen
öffnete. Ringsum geſpannte, bange Erwartung.
„Mais — riefen Seine Königliche Hoheit, eine kleine
Pauſe — c'est assez!“ — Kein Wort weiter. Sie
ſtürzten das Glas runter, ſtampften es auf den Tiſch
und converſirten mit ihrem Nachbar weiter über die
Trüffelpaſtete.“

Der Beſternte, einem fremden Hofe angehörig,
ſchwellte ſichtlich von einem innern Behagen, das er
zu verbergen ſich Mühe gab, während die Hofdame
erblaßt war:

„Entſetzlich! Und —?“

„In der Geſellſchaft war eine Todtenſtille, Je¬
der ſah auf ſeinen Teller.“

„Und der unglückſelige Prinz?“

„Aß mit großem Appetit. Vielleicht dachte er
nach, ob die Geſellſchaft eines ſo genialen Einfalls
werth war. Lupinus ſaß, was man in Berlin ſagt
„wie übergoſſen.“ Er ließ alle Schüſſeln vorübergehn.“

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[154/0164] vielen Endlich — Aber — Rückfällen — Wiederho¬ lungen — gerieth er in eine Art dithyrambiſchen Schwunges, und aus der Kehle oder der Bruſt kam ein Lobgeſang auf das Königliche Blut, das ſo rein und heilig, wie es im Herzen pulſt, durch alle Glie¬ der fließe, daß jeder Tropfen davon reiner ſei, wie der Purpur des Morgenrothes. — Alle ſahen auf den Prinzen, der bis da mit unveränderter Miene den Mann angeſchaut, — er mochte eine Viertelſtunde geſaalbadert haben, — als er raſch aufſtand, das gefüllte Glas in die Hand nahm und die Lippen öffnete. Ringsum geſpannte, bange Erwartung. „Mais — riefen Seine Königliche Hoheit, eine kleine Pauſe — c'est assez!“ — Kein Wort weiter. Sie ſtürzten das Glas runter, ſtampften es auf den Tiſch und converſirten mit ihrem Nachbar weiter über die Trüffelpaſtete.“ Der Beſternte, einem fremden Hofe angehörig, ſchwellte ſichtlich von einem innern Behagen, das er zu verbergen ſich Mühe gab, während die Hofdame erblaßt war: „Entſetzlich! Und —?“ „In der Geſellſchaft war eine Todtenſtille, Je¬ der ſah auf ſeinen Teller.“ „Und der unglückſelige Prinz?“ „Aß mit großem Appetit. Vielleicht dachte er nach, ob die Geſellſchaft eines ſo genialen Einfalls werth war. Lupinus ſaß, was man in Berlin ſagt „wie übergoſſen.“ Er ließ alle Schüſſeln vorübergehn.“

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/164>, abgerufen am 18.12.2024.