Die Baronin hatte ihre Börse ausgeschüttet: "Mehr habe ich nicht; mein Mann muß zahlen." -- "Das geht immer so, wer Glück in der Liebe hat," sagte der Baron, verdrießlich die lange Börse ziehend. "Ich verbitte mir alle Gemeinplätze," hatte sie er¬ wiedert. Er wollte nicht glauben, daß sie so viel verloren haben könnte, als sie angab, sie warf ihm den Betezettel hin, er rechnete, wollte zanken, es war aber Niemand mehr da, mit dem er zanken konnte. Indem er die Geldstücke hinwarf, zischelte er der Baronin etwas in's Ohr. Sein Auge begleitete dabei den Rittmeister. Sie ward hochroth, stand rasch auf und warf ihm mit einer Replik einen verächtlichen Blick zu, um ihm daraus den Rücken zu kehren.
Auch an andern Tischen war Uneinigkeit wegen der Berechnung. Ueberhaupt schien die von poetischem Duft umwobene Harmonie, welche vorhin geherrscht, etwas zerrissen. Ein erwarteter Gast war noch nicht da. Der Duft der Speisen drang schon verlockend aus den Souterrains, aber es -- sollte noch ge¬ wartet werden; der Prinz Louis hatte diesmal be¬ stimmt seine Gegenwart versprochen. Einigen Herren schien dies sehr unangenehm. Man fragte, ob er denn überhaupt kommen werde? Jemand meinte, die Anwesenheit des Geheimrath Lupinus dürfe Seine Hoheit schwerlich locken.
Ein besternter Herr entgegnete lächelnd: "Das würde wohl nicht der einzige Gegenstand sein, der einem Königlichen Prinzen hier nicht lockend vorkäme.
Die Baronin hatte ihre Börſe ausgeſchüttet: „Mehr habe ich nicht; mein Mann muß zahlen.“ — „Das geht immer ſo, wer Glück in der Liebe hat,“ ſagte der Baron, verdrießlich die lange Börſe ziehend. „Ich verbitte mir alle Gemeinplätze,“ hatte ſie er¬ wiedert. Er wollte nicht glauben, daß ſie ſo viel verloren haben könnte, als ſie angab, ſie warf ihm den Bêtezettel hin, er rechnete, wollte zanken, es war aber Niemand mehr da, mit dem er zanken konnte. Indem er die Geldſtücke hinwarf, ziſchelte er der Baronin etwas in's Ohr. Sein Auge begleitete dabei den Rittmeiſter. Sie ward hochroth, ſtand raſch auf und warf ihm mit einer Replik einen verächtlichen Blick zu, um ihm daraus den Rücken zu kehren.
Auch an andern Tiſchen war Uneinigkeit wegen der Berechnung. Ueberhaupt ſchien die von poetiſchem Duft umwobene Harmonie, welche vorhin geherrſcht, etwas zerriſſen. Ein erwarteter Gaſt war noch nicht da. Der Duft der Speiſen drang ſchon verlockend aus den Souterrains, aber es — ſollte noch ge¬ wartet werden; der Prinz Louis hatte diesmal be¬ ſtimmt ſeine Gegenwart verſprochen. Einigen Herren ſchien dies ſehr unangenehm. Man fragte, ob er denn überhaupt kommen werde? Jemand meinte, die Anweſenheit des Geheimrath Lupinus dürfe Seine Hoheit ſchwerlich locken.
Ein beſternter Herr entgegnete lächelnd: „Das würde wohl nicht der einzige Gegenſtand ſein, der einem Königlichen Prinzen hier nicht lockend vorkäme.
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Die Baronin hatte ihre Börſe ausgeſchüttet:
„Mehr habe ich nicht; mein Mann muß zahlen.“ —
„Das geht immer ſo, wer Glück in der Liebe hat,“
ſagte der Baron, verdrießlich die lange Börſe ziehend.
„Ich verbitte mir alle Gemeinplätze,“ hatte ſie er¬
wiedert. Er wollte nicht glauben, daß ſie ſo viel
verloren haben könnte, als ſie angab, ſie warf ihm
den Bêtezettel hin, er rechnete, wollte zanken, es war
aber Niemand mehr da, mit dem er zanken konnte.
Indem er die Geldſtücke hinwarf, ziſchelte er der
Baronin etwas in's Ohr. Sein Auge begleitete dabei
den Rittmeiſter. Sie ward hochroth, ſtand raſch auf
und warf ihm mit einer Replik einen verächtlichen Blick
zu, um ihm daraus den Rücken zu kehren.
Auch an andern Tiſchen war Uneinigkeit wegen
der Berechnung. Ueberhaupt ſchien die von poetiſchem
Duft umwobene Harmonie, welche vorhin geherrſcht,
etwas zerriſſen. Ein erwarteter Gaſt war noch nicht
da. Der Duft der Speiſen drang ſchon verlockend
aus den Souterrains, aber es — ſollte noch ge¬
wartet werden; der Prinz Louis hatte diesmal be¬
ſtimmt ſeine Gegenwart verſprochen. Einigen Herren
ſchien dies ſehr unangenehm. Man fragte, ob er
denn überhaupt kommen werde? Jemand meinte, die
Anweſenheit des Geheimrath Lupinus dürfe Seine
Hoheit ſchwerlich locken.
Ein beſternter Herr entgegnete lächelnd: „Das
würde wohl nicht der einzige Gegenſtand ſein, der
einem Königlichen Prinzen hier nicht lockend vorkäme.
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/161>, abgerufen am 23.11.2024.
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