Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

mich die Art, wie das theure Kind mir entführt
ward; jetzt preise ich den Himmel, daß er es so gefügt
hat, und -- daß er Ihnen den raschen Entschluß
eingab."

Die schönen Seelen verstanden sich; das vorhin
versuchte Embrassement erfolgte wie von selbst.

"Einen Fingerzeig des Himmels wollen Sie
darin erkennen, sagte die Fürstin. Ich kann noch
immer nicht umhin, mir einen Raub vorzuwerfen."

"Lassen wir den Streit darüber, gnädigste Frau.
Adelheid gehört in Ihr Haus, es ist meine aufrich¬
tige Meinung. Der Legationsrath kann bezeugen,
wie oft ich es aussprach. Bei mir wäre sie ver¬
kommen."

"Sie spricht nur mit der größten Liebe von dem
Guten, was sie durch meine Freundin erfahren."

"Es thäte mir leid um das Kind, wenn sie un¬
wahr würde."

"Warum so selbstquälerisch. Sie wissen selbst,
bis zu welcher Verirrung das Dankbarkeitsgefühl
sie trieb."

"Und doch hat sie mich nicht ein einziges Mal
besucht."

Das hatte die Geheimräthin nicht sagen wol¬
len; es war heraus, ehe sie es verschlucken konnte,
und, was schlimmer, die Fürstin hatte es aufge¬
fangen.

"Sie sind leidend, sprach sie mit bewegter
Stimme. Und Sie überwanden sich, verließen Ihr

mich die Art, wie das theure Kind mir entführt
ward; jetzt preiſe ich den Himmel, daß er es ſo gefügt
hat, und — daß er Ihnen den raſchen Entſchluß
eingab.“

Die ſchönen Seelen verſtanden ſich; das vorhin
verſuchte Embraſſement erfolgte wie von ſelbſt.

„Einen Fingerzeig des Himmels wollen Sie
darin erkennen, ſagte die Fürſtin. Ich kann noch
immer nicht umhin, mir einen Raub vorzuwerfen.“

„Laſſen wir den Streit darüber, gnädigſte Frau.
Adelheid gehört in Ihr Haus, es iſt meine aufrich¬
tige Meinung. Der Legationsrath kann bezeugen,
wie oft ich es ausſprach. Bei mir wäre ſie ver¬
kommen.“

„Sie ſpricht nur mit der größten Liebe von dem
Guten, was ſie durch meine Freundin erfahren.“

„Es thäte mir leid um das Kind, wenn ſie un¬
wahr würde.“

„Warum ſo ſelbſtquäleriſch. Sie wiſſen ſelbſt,
bis zu welcher Verirrung das Dankbarkeitsgefühl
ſie trieb.“

„Und doch hat ſie mich nicht ein einziges Mal
beſucht.“

Das hatte die Geheimräthin nicht ſagen wol¬
len; es war heraus, ehe ſie es verſchlucken konnte,
und, was ſchlimmer, die Fürſtin hatte es aufge¬
fangen.

„Sie ſind leidend, ſprach ſie mit bewegter
Stimme. Und Sie überwanden ſich, verließen Ihr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0149" n="139"/>
mich die Art, wie das theure Kind mir entführt<lb/>
ward; jetzt prei&#x017F;e ich den Himmel, daß er es &#x017F;o gefügt<lb/>
hat, und &#x2014; daß er Ihnen den ra&#x017F;chen Ent&#x017F;chluß<lb/>
eingab.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die &#x017F;chönen Seelen ver&#x017F;tanden &#x017F;ich; das vorhin<lb/>
ver&#x017F;uchte Embra&#x017F;&#x017F;ement erfolgte wie von &#x017F;elb&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Einen Fingerzeig des Himmels wollen Sie<lb/>
darin erkennen, &#x017F;agte die Für&#x017F;tin. Ich kann noch<lb/>
immer nicht umhin, mir einen Raub vorzuwerfen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;La&#x017F;&#x017F;en wir den Streit darüber, gnädig&#x017F;te Frau.<lb/>
Adelheid gehört in Ihr Haus, es i&#x017F;t meine aufrich¬<lb/>
tige Meinung. Der Legationsrath kann bezeugen,<lb/>
wie oft ich es aus&#x017F;prach. Bei mir wäre &#x017F;ie ver¬<lb/>
kommen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie &#x017F;pricht nur mit der größten Liebe von dem<lb/>
Guten, was &#x017F;ie durch meine Freundin erfahren.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es thäte mir leid um das Kind, wenn &#x017F;ie un¬<lb/>
wahr würde.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Warum &#x017F;o &#x017F;elb&#x017F;tquäleri&#x017F;ch. Sie wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
bis zu welcher Verirrung das Dankbarkeitsgefühl<lb/>
&#x017F;ie trieb.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und doch hat &#x017F;ie mich nicht ein einziges Mal<lb/>
be&#x017F;ucht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Das hatte die Geheimräthin nicht &#x017F;agen wol¬<lb/>
len; es war heraus, ehe &#x017F;ie es ver&#x017F;chlucken konnte,<lb/>
und, was &#x017F;chlimmer, die Für&#x017F;tin hatte es aufge¬<lb/>
fangen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie &#x017F;ind leidend, &#x017F;prach &#x017F;ie mit bewegter<lb/>
Stimme. Und Sie überwanden &#x017F;ich, verließen Ihr<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0149] mich die Art, wie das theure Kind mir entführt ward; jetzt preiſe ich den Himmel, daß er es ſo gefügt hat, und — daß er Ihnen den raſchen Entſchluß eingab.“ Die ſchönen Seelen verſtanden ſich; das vorhin verſuchte Embraſſement erfolgte wie von ſelbſt. „Einen Fingerzeig des Himmels wollen Sie darin erkennen, ſagte die Fürſtin. Ich kann noch immer nicht umhin, mir einen Raub vorzuwerfen.“ „Laſſen wir den Streit darüber, gnädigſte Frau. Adelheid gehört in Ihr Haus, es iſt meine aufrich¬ tige Meinung. Der Legationsrath kann bezeugen, wie oft ich es ausſprach. Bei mir wäre ſie ver¬ kommen.“ „Sie ſpricht nur mit der größten Liebe von dem Guten, was ſie durch meine Freundin erfahren.“ „Es thäte mir leid um das Kind, wenn ſie un¬ wahr würde.“ „Warum ſo ſelbſtquäleriſch. Sie wiſſen ſelbſt, bis zu welcher Verirrung das Dankbarkeitsgefühl ſie trieb.“ „Und doch hat ſie mich nicht ein einziges Mal beſucht.“ Das hatte die Geheimräthin nicht ſagen wol¬ len; es war heraus, ehe ſie es verſchlucken konnte, und, was ſchlimmer, die Fürſtin hatte es aufge¬ fangen. „Sie ſind leidend, ſprach ſie mit bewegter Stimme. Und Sie überwanden ſich, verließen Ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/149
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/149>, abgerufen am 21.11.2024.