habe auch nichts dagegen; wer frei stehen kann, mag sich losreißen, aber ein Kind gebiert sich nicht selbst. Es ist dazu eine Mutter und ein Vater nöthig, und die mußten wieder Väter und Mütter haben. Meine ersten Väter waren die französischen Maitres, die der grand Frederic herberief. Was fängt die junge Welt jetzt an gegen sie zu schwätzen! Auch meine Jungens, der Rudolf und Wilhelm, thuns, seit sie den Mund aufthun können, als müßte es so sein. Habe auch nichts dagegen, denn Schwatzen gehört zum Leben, aber ich lache so im Stillen, was wäre ich denn, und was wäret Ihr und wir Alle ohne die Franzosen! Und die Fran¬ zosen ohne die Italiener, und die ohne die Römer und Griechen. Und die Griechen vielleicht ohne die Aegypter und so weiter."
"Sie mögen Recht haben."
"Da wollen sie jetzt auf Goldgrund malen, lange Engelsgesichter mit Wickelkinderleibern und in Schleppkleidern, und das nennen sie deutsch, weil sie vor vierhundert Jahren, als das Gold noch wohlfeiler war, die Leinwand so angestrichen haben. Als ob der Fiesole und die Florentiner so gemalt hätten, wenn sie damals schon Besseres gesehen."
"Sie springen ab. Ist die Nationalität Ihnen gar nichts?"
"Das Kleid, was der Mensch sich anlegt, weil wir nun einmal nicht nackt gehen sollen. Sie sagen, es schickt sich nicht, ich aber meine, weil wir zu eitel
habe auch nichts dagegen; wer frei ſtehen kann, mag ſich losreißen, aber ein Kind gebiert ſich nicht ſelbſt. Es iſt dazu eine Mutter und ein Vater nöthig, und die mußten wieder Väter und Mütter haben. Meine erſten Väter waren die franzöſiſchen Maitres, die der grand Frédéric herberief. Was fängt die junge Welt jetzt an gegen ſie zu ſchwätzen! Auch meine Jungens, der Rudolf und Wilhelm, thuns, ſeit ſie den Mund aufthun können, als müßte es ſo ſein. Habe auch nichts dagegen, denn Schwatzen gehört zum Leben, aber ich lache ſo im Stillen, was wäre ich denn, und was wäret Ihr und wir Alle ohne die Franzoſen! Und die Fran¬ zoſen ohne die Italiener, und die ohne die Römer und Griechen. Und die Griechen vielleicht ohne die Aegypter und ſo weiter.“
„Sie mögen Recht haben.“
„Da wollen ſie jetzt auf Goldgrund malen, lange Engelsgeſichter mit Wickelkinderleibern und in Schleppkleidern, und das nennen ſie deutſch, weil ſie vor vierhundert Jahren, als das Gold noch wohlfeiler war, die Leinwand ſo angeſtrichen haben. Als ob der Fieſole und die Florentiner ſo gemalt hätten, wenn ſie damals ſchon Beſſeres geſehen.“
„Sie ſpringen ab. Iſt die Nationalität Ihnen gar nichts?“
„Das Kleid, was der Menſch ſich anlegt, weil wir nun einmal nicht nackt gehen ſollen. Sie ſagen, es ſchickt ſich nicht, ich aber meine, weil wir zu eitel
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habe auch nichts dagegen; wer frei ſtehen kann, mag
ſich losreißen, aber ein Kind gebiert ſich nicht ſelbſt.
Es iſt dazu eine Mutter und ein Vater nöthig, und
die mußten wieder Väter und Mütter haben. Meine
erſten Väter waren die franzöſiſchen Maitres, die
der grand Frédéric herberief. Was fängt die
junge Welt jetzt an gegen ſie zu ſchwätzen! Auch
meine Jungens, der Rudolf und Wilhelm, thuns,
ſeit ſie den Mund aufthun können, als müßte
es ſo ſein. Habe auch nichts dagegen, denn
Schwatzen gehört zum Leben, aber ich lache ſo im
Stillen, was wäre ich denn, und was wäret Ihr
und wir Alle ohne die Franzoſen! Und die Fran¬
zoſen ohne die Italiener, und die ohne die Römer
und Griechen. Und die Griechen vielleicht ohne die
Aegypter und ſo weiter.“
„Sie mögen Recht haben.“
„Da wollen ſie jetzt auf Goldgrund malen,
lange Engelsgeſichter mit Wickelkinderleibern und in
Schleppkleidern, und das nennen ſie deutſch, weil ſie
vor vierhundert Jahren, als das Gold noch wohlfeiler
war, die Leinwand ſo angeſtrichen haben. Als ob
der Fieſole und die Florentiner ſo gemalt hätten,
wenn ſie damals ſchon Beſſeres geſehen.“
„Sie ſpringen ab. Iſt die Nationalität Ihnen
gar nichts?“
„Das Kleid, was der Menſch ſich anlegt, weil
wir nun einmal nicht nackt gehen ſollen. Sie ſagen,
es ſchickt ſich nicht, ich aber meine, weil wir zu eitel
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/135>, abgerufen am 21.11.2024.
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