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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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Pyrenäen, daß sie die Standarte der heilig ge¬
haltenen Volksrechte erheben würden, er blickte nach
Rußlands Steppen, wo eine Völkerwiege des Ur¬
eigenen braue, aber seine Stimme wurde bewegt, als
er von dem theuren, deutschen Vaterlande sprach,
einem Volk, das sich selbst zerrissen und sich nicht
wieder finden könne, das wie Kinder, die Muscheln
am Meer sammeln, alles Neue, Fremde, Glänzende
aufgreife, das wie ein Schwamm die Feuchtigkeit der
Luft einsauge und seine schönsten Eigenschaften zu selbst¬
mörderischer Thätigkeit auspräge. Mit seltner Empfäng¬
nißkraft begabt, drängt seine Natur es dazu, alles
Große zu bewundern, aber sein böser Geist wolle,
daß es nur das Fremde bewundert; wo die eigne
Größe Anerkennung fordert, erschrecke es scheu, kalt,
ängstlich und im Mißtrauen an sich selbst zergehe
die schönste Kraft.

Der Redner, ein junger Mann von hoher Ab¬
kunft, hatte einen doppelten Fehler begangen. Er
hatte begeistert gesprochen; die Begeisterung gehört
in keinen Salon. Er war selbst gerührt worden;
das war ein Fehler unter allen Umständen. Er
hatte aber auch sein Auditorium nicht berechnet,
und das war unverzeihlich. Er befand sich in Fried¬
richs Hauptstadt, in einem Kreise von Würdenträgern
und ausgezeichneten Männern, die sich für Träger
der Monarchie des großen Königs hielten, diese
selbst aber für so fest, gesichert und in gutem Stande,
daß es nur einiger Ausbesserungen bedürfe, aber

Pyrenäen, daß ſie die Standarte der heilig ge¬
haltenen Volksrechte erheben würden, er blickte nach
Rußlands Steppen, wo eine Völkerwiege des Ur¬
eigenen braue, aber ſeine Stimme wurde bewegt, als
er von dem theuren, deutſchen Vaterlande ſprach,
einem Volk, das ſich ſelbſt zerriſſen und ſich nicht
wieder finden könne, das wie Kinder, die Muſcheln
am Meer ſammeln, alles Neue, Fremde, Glänzende
aufgreife, das wie ein Schwamm die Feuchtigkeit der
Luft einſauge und ſeine ſchönſten Eigenſchaften zu ſelbſt¬
mörderiſcher Thätigkeit auspräge. Mit ſeltner Empfäng¬
nißkraft begabt, drängt ſeine Natur es dazu, alles
Große zu bewundern, aber ſein böſer Geiſt wolle,
daß es nur das Fremde bewundert; wo die eigne
Größe Anerkennung fordert, erſchrecke es ſcheu, kalt,
ängſtlich und im Mißtrauen an ſich ſelbſt zergehe
die ſchönſte Kraft.

Der Redner, ein junger Mann von hoher Ab¬
kunft, hatte einen doppelten Fehler begangen. Er
hatte begeiſtert geſprochen; die Begeiſterung gehört
in keinen Salon. Er war ſelbſt gerührt worden;
das war ein Fehler unter allen Umſtänden. Er
hatte aber auch ſein Auditorium nicht berechnet,
und das war unverzeihlich. Er befand ſich in Fried¬
richs Hauptſtadt, in einem Kreiſe von Würdenträgern
und ausgezeichneten Männern, die ſich für Träger
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[121/0131] Pyrenäen, daß ſie die Standarte der heilig ge¬ haltenen Volksrechte erheben würden, er blickte nach Rußlands Steppen, wo eine Völkerwiege des Ur¬ eigenen braue, aber ſeine Stimme wurde bewegt, als er von dem theuren, deutſchen Vaterlande ſprach, einem Volk, das ſich ſelbſt zerriſſen und ſich nicht wieder finden könne, das wie Kinder, die Muſcheln am Meer ſammeln, alles Neue, Fremde, Glänzende aufgreife, das wie ein Schwamm die Feuchtigkeit der Luft einſauge und ſeine ſchönſten Eigenſchaften zu ſelbſt¬ mörderiſcher Thätigkeit auspräge. Mit ſeltner Empfäng¬ nißkraft begabt, drängt ſeine Natur es dazu, alles Große zu bewundern, aber ſein böſer Geiſt wolle, daß es nur das Fremde bewundert; wo die eigne Größe Anerkennung fordert, erſchrecke es ſcheu, kalt, ängſtlich und im Mißtrauen an ſich ſelbſt zergehe die ſchönſte Kraft. Der Redner, ein junger Mann von hoher Ab¬ kunft, hatte einen doppelten Fehler begangen. Er hatte begeiſtert geſprochen; die Begeiſterung gehört in keinen Salon. Er war ſelbſt gerührt worden; das war ein Fehler unter allen Umſtänden. Er hatte aber auch ſein Auditorium nicht berechnet, und das war unverzeihlich. Er befand ſich in Fried¬ richs Hauptſtadt, in einem Kreiſe von Würdenträgern und ausgezeichneten Männern, die ſich für Träger der Monarchie des großen Königs hielten, dieſe ſelbſt aber für ſo feſt, geſichert und in gutem Stande, daß es nur einiger Ausbeſſerungen bedürfe, aber

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/131>, abgerufen am 21.11.2024.