Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

entgegnete die Eitelbach? Als wie eine Komödie, wo
jeder anders aussieht und anders spricht als ihm zu
Muth ist. Uns werfen sie vor, daß wir uns putzen
und schnüren und auflegen und ausstopfen -- Ihr
Herren mögt immer laut lachen, ich seh's doch, wie
Ihr's innerlich thut. Das genirt mich gar nicht,
denn die Männer spielen mehr Komödie als wir.
Ach Gott, wenn sie sich präpariren, liebenswürdig zu
scheinen, um Einer die Cour zu machen, wo sie's
gar nicht so meinen. Und wenn Einer vornehm thut,
als hätte er eine Elle verschluckt, oder gelehrt redet,
als wär's ein Buch, da möchte ich ihn immer fragen:
warum quälst du dich denn? Wenn du 'raus bist,
stöhnst du doch auf und schlenkerst mit den Armen,
als wenn du den engen Rock aufreißen wolltest, und
denkst: Gott sei Dank, daß es aus ist. Warum hast
du denn angefangen, warum bist du nicht gekommen,
wie du bist, und hast gesprochen, wie dir der Schnabel
gewachsen ist."

Der Baron Eitelbach rieb sich vergnügt die
Hände: "Was sagen Sie zu meiner Frau, Frau
Staatsräthin?"

"Sie wird doch Ausnahmen machen. Sie ist
nicht so grausam, uns alle zu verdammen."

"Da ist Einer wie der Andre. Jetzt merk ich's
nur erst, aber ich habe es längst gewußt."

"Ihren Herrn Gemahl werden Sie wenigstens
ausnehmen?"

Die Baronin schien sich zu besinnen, indem sie

8 *

entgegnete die Eitelbach? Als wie eine Komödie, wo
jeder anders ausſieht und anders ſpricht als ihm zu
Muth iſt. Uns werfen ſie vor, daß wir uns putzen
und ſchnüren und auflegen und ausſtopfen — Ihr
Herren mögt immer laut lachen, ich ſeh's doch, wie
Ihr's innerlich thut. Das genirt mich gar nicht,
denn die Männer ſpielen mehr Komödie als wir.
Ach Gott, wenn ſie ſich präpariren, liebenswürdig zu
ſcheinen, um Einer die Cour zu machen, wo ſie's
gar nicht ſo meinen. Und wenn Einer vornehm thut,
als hätte er eine Elle verſchluckt, oder gelehrt redet,
als wär's ein Buch, da möchte ich ihn immer fragen:
warum quälſt du dich denn? Wenn du 'raus biſt,
ſtöhnſt du doch auf und ſchlenkerſt mit den Armen,
als wenn du den engen Rock aufreißen wollteſt, und
denkſt: Gott ſei Dank, daß es aus iſt. Warum haſt
du denn angefangen, warum biſt du nicht gekommen,
wie du biſt, und haſt geſprochen, wie dir der Schnabel
gewachſen iſt.“

Der Baron Eitelbach rieb ſich vergnügt die
Hände: „Was ſagen Sie zu meiner Frau, Frau
Staatsräthin?“

„Sie wird doch Ausnahmen machen. Sie iſt
nicht ſo grauſam, uns alle zu verdammen.“

„Da iſt Einer wie der Andre. Jetzt merk ich's
nur erſt, aber ich habe es längſt gewußt.“

„Ihren Herrn Gemahl werden Sie wenigſtens
ausnehmen?“

Die Baronin ſchien ſich zu beſinnen, indem ſie

8 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0125" n="115"/>
entgegnete die Eitelbach? Als wie eine Komödie, wo<lb/>
jeder anders aus&#x017F;ieht und anders &#x017F;pricht als ihm zu<lb/>
Muth i&#x017F;t. <hi rendition="#g">Uns</hi> werfen &#x017F;ie vor, daß wir uns putzen<lb/>
und &#x017F;chnüren und auflegen und aus&#x017F;topfen &#x2014; Ihr<lb/>
Herren mögt immer laut lachen, ich &#x017F;eh's doch, wie<lb/>
Ihr's innerlich thut. Das genirt mich gar nicht,<lb/>
denn die Männer &#x017F;pielen mehr Komödie als wir.<lb/>
Ach Gott, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich präpariren, liebenswürdig zu<lb/>
&#x017F;cheinen, um Einer die Cour zu machen, wo &#x017F;ie's<lb/>
gar nicht &#x017F;o meinen. Und wenn Einer vornehm thut,<lb/>
als hätte er eine Elle ver&#x017F;chluckt, oder gelehrt redet,<lb/>
als wär's ein Buch, da möchte ich ihn immer fragen:<lb/>
warum quäl&#x017F;t du dich denn? Wenn du 'raus bi&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;töhn&#x017F;t du doch auf und &#x017F;chlenker&#x017F;t mit den Armen,<lb/>
als wenn du den engen Rock aufreißen wollte&#x017F;t, und<lb/>
denk&#x017F;t: Gott &#x017F;ei Dank, daß es aus i&#x017F;t. Warum ha&#x017F;t<lb/>
du denn angefangen, warum bi&#x017F;t du nicht gekommen,<lb/>
wie du bi&#x017F;t, und ha&#x017F;t ge&#x017F;prochen, wie dir der Schnabel<lb/>
gewach&#x017F;en i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Baron Eitelbach rieb &#x017F;ich vergnügt die<lb/>
Hände: &#x201E;Was &#x017F;agen Sie zu meiner Frau, Frau<lb/>
Staatsräthin?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie wird doch Ausnahmen machen. Sie i&#x017F;t<lb/>
nicht &#x017F;o grau&#x017F;am, uns alle zu verdammen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Da i&#x017F;t Einer wie der Andre. Jetzt merk ich's<lb/>
nur er&#x017F;t, aber ich habe es läng&#x017F;t gewußt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihren Herrn Gemahl werden Sie wenig&#x017F;tens<lb/>
ausnehmen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Baronin &#x017F;chien &#x017F;ich zu be&#x017F;innen, indem &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">8 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0125] entgegnete die Eitelbach? Als wie eine Komödie, wo jeder anders ausſieht und anders ſpricht als ihm zu Muth iſt. Uns werfen ſie vor, daß wir uns putzen und ſchnüren und auflegen und ausſtopfen — Ihr Herren mögt immer laut lachen, ich ſeh's doch, wie Ihr's innerlich thut. Das genirt mich gar nicht, denn die Männer ſpielen mehr Komödie als wir. Ach Gott, wenn ſie ſich präpariren, liebenswürdig zu ſcheinen, um Einer die Cour zu machen, wo ſie's gar nicht ſo meinen. Und wenn Einer vornehm thut, als hätte er eine Elle verſchluckt, oder gelehrt redet, als wär's ein Buch, da möchte ich ihn immer fragen: warum quälſt du dich denn? Wenn du 'raus biſt, ſtöhnſt du doch auf und ſchlenkerſt mit den Armen, als wenn du den engen Rock aufreißen wollteſt, und denkſt: Gott ſei Dank, daß es aus iſt. Warum haſt du denn angefangen, warum biſt du nicht gekommen, wie du biſt, und haſt geſprochen, wie dir der Schnabel gewachſen iſt.“ Der Baron Eitelbach rieb ſich vergnügt die Hände: „Was ſagen Sie zu meiner Frau, Frau Staatsräthin?“ „Sie wird doch Ausnahmen machen. Sie iſt nicht ſo grauſam, uns alle zu verdammen.“ „Da iſt Einer wie der Andre. Jetzt merk ich's nur erſt, aber ich habe es längſt gewußt.“ „Ihren Herrn Gemahl werden Sie wenigſtens ausnehmen?“ Die Baronin ſchien ſich zu beſinnen, indem ſie 8 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/125
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/125>, abgerufen am 21.11.2024.