Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Meine Herren, sagte der Gardeofficier in ver¬
traulich officiösem Ton, Discretion! Man wußte es
auch schon am andern Morgen in Berlin, aber auf
der Wachtparade gab man sich das Wort -- Ich rathe
auch Ihnen --"

"Discretion pour jamais! rief der Geheimrath,
den Finger an den Lippen. Ihro Majestät die Kö¬
nigin darf nichts davon erfahren, wandte er sich zu
den Andern. Die liebe Comteß, es ist doch ein gar
zu charmantes Kind, und bei Licht besehen, was ist
es denn? Eine Vision, die Phantasie einer lauen
Juninacht -- "

"Aber nicht die erste, schmunzelte der Baron, in
der Dragonercaserne wissen sie auch davon zu er¬
zählen."

"Mon cher baron, l'amour regne partout, aber

Was bei Mondenlicht gesponnen,
Verrinnt beim Licht der Sonnen."

"Der Kerl aber, der Grenadier, ist nach War¬
schau in ein Regiment gesteckt, sagte der Officier.
Und er war nicht von Mondenschein gewebt, das
versichere ich Sie."

"Monsieur le comte, die Erscheinung im Zim¬
mer ist auch schwarz von Kopf bis Fuß, ordentlich
spectre-artig, nahm der Geheimrath wieder das Wort.
Das blasse Gesicht in der weißen Hand, ruht er auf
dem Sopha, den Clacq auf dem Schooß, die Beine
unnachahmlich hingestreckt, die andre Hand im Knopf¬
loch am Herzen, als wenn er eine tiefe Wunde ver¬

„Meine Herren, ſagte der Gardeofficier in ver¬
traulich officiöſem Ton, Discretion! Man wußte es
auch ſchon am andern Morgen in Berlin, aber auf
der Wachtparade gab man ſich das Wort — Ich rathe
auch Ihnen —“

„Discrétion pour jamais! rief der Geheimrath,
den Finger an den Lippen. Ihro Majeſtät die Kö¬
nigin darf nichts davon erfahren, wandte er ſich zu
den Andern. Die liebe Comteß, es iſt doch ein gar
zu charmantes Kind, und bei Licht beſehen, was iſt
es denn? Eine Viſion, die Phantaſie einer lauen
Juninacht — “

„Aber nicht die erſte, ſchmunzelte der Baron, in
der Dragonercaſerne wiſſen ſie auch davon zu er¬
zählen.“

„Mon cher baron, l'amour règne partout, aber

Was bei Mondenlicht geſponnen,
Verrinnt beim Licht der Sonnen.“

„Der Kerl aber, der Grenadier, iſt nach War¬
ſchau in ein Regiment geſteckt, ſagte der Officier.
Und er war nicht von Mondenſchein gewebt, das
verſichere ich Sie.“

„Monsieur le comte, die Erſcheinung im Zim¬
mer iſt auch ſchwarz von Kopf bis Fuß, ordentlich
ſpectre-artig, nahm der Geheimrath wieder das Wort.
Das blaſſe Geſicht in der weißen Hand, ruht er auf
dem Sopha, den Clacq auf dem Schooß, die Beine
unnachahmlich hingeſtreckt, die andre Hand im Knopf¬
loch am Herzen, als wenn er eine tiefe Wunde ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0122" n="112"/>
        <p>&#x201E;Meine Herren, &#x017F;agte der Gardeofficier in ver¬<lb/>
traulich officiö&#x017F;em Ton, Discretion! Man wußte es<lb/>
auch &#x017F;chon am andern Morgen in Berlin, aber auf<lb/>
der Wachtparade gab man &#x017F;ich das Wort &#x2014; Ich rathe<lb/>
auch Ihnen &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">&#x201E;Discrétion pour jamais!</hi> rief der Geheimrath,<lb/>
den Finger an den Lippen. Ihro Maje&#x017F;tät die Kö¬<lb/>
nigin darf nichts davon erfahren, wandte er &#x017F;ich zu<lb/>
den Andern. Die liebe Comteß, es i&#x017F;t doch ein gar<lb/>
zu charmantes Kind, und bei Licht be&#x017F;ehen, was i&#x017F;t<lb/>
es denn? Eine Vi&#x017F;ion, die Phanta&#x017F;ie einer lauen<lb/>
Juninacht &#x2014; &#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber nicht die er&#x017F;te, &#x017F;chmunzelte der Baron, in<lb/>
der Dragonerca&#x017F;erne wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie auch davon zu er¬<lb/>
zählen.&#x201C;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">&#x201E;Mon cher baron, l'amour règne partout</hi>, aber</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l rendition="#et">Was bei Mondenlicht ge&#x017F;ponnen,</l><lb/>
          <l rendition="#et">Verrinnt beim Licht der Sonnen.&#x201C;</l><lb/>
        </lg>
        <p>&#x201E;Der Kerl aber, der Grenadier, i&#x017F;t nach War¬<lb/>
&#x017F;chau in ein Regiment ge&#x017F;teckt, &#x017F;agte der Officier.<lb/>
Und er war nicht von Monden&#x017F;chein gewebt, das<lb/>
ver&#x017F;ichere ich Sie.&#x201C;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">&#x201E;Monsieur le comte</hi>, die Er&#x017F;cheinung im Zim¬<lb/>
mer i&#x017F;t auch &#x017F;chwarz von Kopf bis Fuß, ordentlich<lb/>
&#x017F;pectre-artig, nahm der Geheimrath wieder das Wort.<lb/>
Das bla&#x017F;&#x017F;e Ge&#x017F;icht in der weißen Hand, ruht er auf<lb/>
dem Sopha, den Clacq auf dem Schooß, die Beine<lb/>
unnachahmlich hinge&#x017F;treckt, die andre Hand im Knopf¬<lb/>
loch am Herzen, als wenn er eine tiefe Wunde ver¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0122] „Meine Herren, ſagte der Gardeofficier in ver¬ traulich officiöſem Ton, Discretion! Man wußte es auch ſchon am andern Morgen in Berlin, aber auf der Wachtparade gab man ſich das Wort — Ich rathe auch Ihnen —“ „Discrétion pour jamais! rief der Geheimrath, den Finger an den Lippen. Ihro Majeſtät die Kö¬ nigin darf nichts davon erfahren, wandte er ſich zu den Andern. Die liebe Comteß, es iſt doch ein gar zu charmantes Kind, und bei Licht beſehen, was iſt es denn? Eine Viſion, die Phantaſie einer lauen Juninacht — “ „Aber nicht die erſte, ſchmunzelte der Baron, in der Dragonercaſerne wiſſen ſie auch davon zu er¬ zählen.“ „Mon cher baron, l'amour règne partout, aber Was bei Mondenlicht geſponnen, Verrinnt beim Licht der Sonnen.“ „Der Kerl aber, der Grenadier, iſt nach War¬ ſchau in ein Regiment geſteckt, ſagte der Officier. Und er war nicht von Mondenſchein gewebt, das verſichere ich Sie.“ „Monsieur le comte, die Erſcheinung im Zim¬ mer iſt auch ſchwarz von Kopf bis Fuß, ordentlich ſpectre-artig, nahm der Geheimrath wieder das Wort. Das blaſſe Geſicht in der weißen Hand, ruht er auf dem Sopha, den Clacq auf dem Schooß, die Beine unnachahmlich hingeſtreckt, die andre Hand im Knopf¬ loch am Herzen, als wenn er eine tiefe Wunde ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/122
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/122>, abgerufen am 21.11.2024.