stellt man einen jungen Grenadier, sechs Fuß hoch wie ein Apollo, vor das Kammerfenster einer schönen Hofdame? Warum schien der Mond so sehnsüchtig und beleuchtete den jungen Mars. Da ist gar nichts bei zu verwundern, und eigentlich trägt Niemand die Schuld, denn Gott bewahre, daß er ins Fenster ge¬ klettert wäre, so ein sechsfüßiger Kerl braucht nur den Fuß aufzuheben, so ist er drin."
"Und?"
"Das einzige Unglück war, daß die Uhren in Potsdam nicht stimmten, denn als die Ablösung kam, hatte es drinnen noch nicht voll geschlagen."
"Dem Glücklichen schlägt keine Stunde."
"Superbe Bemerkung des Herrn Domherrn. Die Esel -- verzeihen Herr Graf, es war wohl nur der betrunkene Unterofficier, machten Lärm, und -- wie gesagt, wenn nicht glücklicherweise der junge Prinz Hohenlohe bei der Patrouille gewesen wäre -- Man deckte den Mantel der Liebe über die Affaire, schmiß den Unterofficier, weil er in der Betrunkenheit einen falschen Rapport gemacht, auf achtundvierzig Stunden ins Cachot, seine Kerls waren Stockpolen, die nicht deutsch sehen und hören können, man zeigte ihnen den Bambus, wenn sie sich einfallen ließen etwas auszuschwatzen, was sie nicht verstehen, übrigens ein Paar Louisd'or Schmerzensgeld -- Ah, Prinz Hohen¬ lohe hat wie ein Cavalier gehandelt."
"Und doch wußte mans, ehe der Morgen in Potsdam graute, schon in allen Wachtstuben."
ſtellt man einen jungen Grenadier, ſechs Fuß hoch wie ein Apollo, vor das Kammerfenſter einer ſchönen Hofdame? Warum ſchien der Mond ſo ſehnſüchtig und beleuchtete den jungen Mars. Da iſt gar nichts bei zu verwundern, und eigentlich trägt Niemand die Schuld, denn Gott bewahre, daß er ins Fenſter ge¬ klettert wäre, ſo ein ſechsfüßiger Kerl braucht nur den Fuß aufzuheben, ſo iſt er drin.“
„Und?“
„Das einzige Unglück war, daß die Uhren in Potsdam nicht ſtimmten, denn als die Ablöſung kam, hatte es drinnen noch nicht voll geſchlagen.“
„Dem Glücklichen ſchlägt keine Stunde.“
„Superbe Bemerkung des Herrn Domherrn. Die Eſel — verzeihen Herr Graf, es war wohl nur der betrunkene Unterofficier, machten Lärm, und — wie geſagt, wenn nicht glücklicherweiſe der junge Prinz Hohenlohe bei der Patrouille geweſen wäre — Man deckte den Mantel der Liebe über die Affaire, ſchmiß den Unterofficier, weil er in der Betrunkenheit einen falſchen Rapport gemacht, auf achtundvierzig Stunden ins Cachot, ſeine Kerls waren Stockpolen, die nicht deutſch ſehen und hören können, man zeigte ihnen den Bambus, wenn ſie ſich einfallen ließen etwas auszuſchwatzen, was ſie nicht verſtehen, übrigens ein Paar Louisd'or Schmerzensgeld — Ah, Prinz Hohen¬ lohe hat wie ein Cavalier gehandelt.“
„Und doch wußte mans, ehe der Morgen in Potsdam graute, ſchon in allen Wachtſtuben.“
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ſtellt man einen jungen Grenadier, ſechs Fuß hoch
wie ein Apollo, vor das Kammerfenſter einer ſchönen
Hofdame? Warum ſchien der Mond ſo ſehnſüchtig
und beleuchtete den jungen Mars. Da iſt gar nichts
bei zu verwundern, und eigentlich trägt Niemand die
Schuld, denn Gott bewahre, daß er ins Fenſter ge¬
klettert wäre, ſo ein ſechsfüßiger Kerl braucht nur den
Fuß aufzuheben, ſo iſt er drin.“
„Und?“
„Das einzige Unglück war, daß die Uhren in
Potsdam nicht ſtimmten, denn als die Ablöſung kam,
hatte es drinnen noch nicht voll geſchlagen.“
„Dem Glücklichen ſchlägt keine Stunde.“
„Superbe Bemerkung des Herrn Domherrn.
Die Eſel — verzeihen Herr Graf, es war wohl nur
der betrunkene Unterofficier, machten Lärm, und —
wie geſagt, wenn nicht glücklicherweiſe der junge Prinz
Hohenlohe bei der Patrouille geweſen wäre — Man
deckte den Mantel der Liebe über die Affaire, ſchmiß
den Unterofficier, weil er in der Betrunkenheit einen
falſchen Rapport gemacht, auf achtundvierzig Stunden
ins Cachot, ſeine Kerls waren Stockpolen, die nicht
deutſch ſehen und hören können, man zeigte ihnen
den Bambus, wenn ſie ſich einfallen ließen etwas
auszuſchwatzen, was ſie nicht verſtehen, übrigens ein
Paar Louisd'or Schmerzensgeld — Ah, Prinz Hohen¬
lohe hat wie ein Cavalier gehandelt.“
„Und doch wußte mans, ehe der Morgen in
Potsdam graute, ſchon in allen Wachtſtuben.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/121>, abgerufen am 21.11.2024.
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