Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Und Füßchen, 'ne Pariserin könnte sie benei¬
den," meinte der Dritte.

"Das tänzelt nur so auf dem Boden."

"Was für welche hat meine Frau dagegen!
Sehn Sie mal," rief der Baron und nahm eine Prise.

"Eine Heroine muß nicht auf Tänzerfüßen stehn."

"Heroine! charmanter Einfall. Meine Auguste
eine Heroine. Wie sie mit einander parliren! Ich
versichere Sie, auf Ehre, meine Frau spricht jetzt wie
ein Buch. Immer Schiller im Munde.

Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall,
Erzeugt in dem Hirne des Thoren!

Damit weckt sie mich alle Morgen. Bei Gott, 's ist
wahr. Macht Alles die unglückliche Liebe."

"Schade, Baron, daß Sie sich nicht auch un¬
glücklich verlieben können."

"Warum kann ichs nicht?"

"Weil Sie zu reich sind. Wer Geld klimpern
läßt, ist immer glücklich in der Liebe."

"Sie sind ein charmanter Mensch, aber was soll
mir die unglückliche Liebe?"

"Sie könnten dann auch einmal mit der Tugend
in Berührung kommen."

"Was hab ich von der Berührung?"

"Tugend vermehrt den Credit."

Der ganze Körper des Barons zückte in der
nicht wohl zu beschreibenden Bewegung eines Ge¬
sättigten, welcher gleichgültig eine Schüssel vorüber¬
gehen läßt, an der die Blicke der Hungrigen noch

„Und Füßchen, 'ne Pariſerin könnte ſie benei¬
den,“ meinte der Dritte.

„Das tänzelt nur ſo auf dem Boden.“

„Was für welche hat meine Frau dagegen!
Sehn Sie mal,“ rief der Baron und nahm eine Priſe.

„Eine Heroine muß nicht auf Tänzerfüßen ſtehn.“

„Heroine! charmanter Einfall. Meine Auguſte
eine Heroine. Wie ſie mit einander parliren! Ich
verſichere Sie, auf Ehre, meine Frau ſpricht jetzt wie
ein Buch. Immer Schiller im Munde.

Und die Tugend, ſie iſt kein leerer Schall,
Erzeugt in dem Hirne des Thoren!

Damit weckt ſie mich alle Morgen. Bei Gott, 's iſt
wahr. Macht Alles die unglückliche Liebe.“

„Schade, Baron, daß Sie ſich nicht auch un¬
glücklich verlieben können.“

„Warum kann ichs nicht?“

„Weil Sie zu reich ſind. Wer Geld klimpern
läßt, iſt immer glücklich in der Liebe.“

„Sie ſind ein charmanter Menſch, aber was ſoll
mir die unglückliche Liebe?“

„Sie könnten dann auch einmal mit der Tugend
in Berührung kommen.“

„Was hab ich von der Berührung?“

„Tugend vermehrt den Credit.“

Der ganze Körper des Barons zückte in der
nicht wohl zu beſchreibenden Bewegung eines Ge¬
ſättigten, welcher gleichgültig eine Schüſſel vorüber¬
gehen läßt, an der die Blicke der Hungrigen noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0117" n="107"/>
        <p>&#x201E;Und Füßchen, 'ne Pari&#x017F;erin könnte &#x017F;ie benei¬<lb/>
den,&#x201C; meinte der Dritte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das tänzelt nur &#x017F;o auf dem Boden.&#x201C;<lb/></p>
        <p>&#x201E;Was für welche hat meine Frau dagegen!<lb/>
Sehn Sie mal,&#x201C; rief der Baron und nahm eine Pri&#x017F;e.<lb/></p>
        <p>&#x201E;Eine Heroine muß nicht auf Tänzerfüßen &#x017F;tehn.&#x201C;<lb/></p>
        <p>&#x201E;Heroine! charmanter Einfall. Meine Augu&#x017F;te<lb/>
eine Heroine. Wie &#x017F;ie mit einander parliren! Ich<lb/>
ver&#x017F;ichere Sie, auf Ehre, meine Frau &#x017F;pricht jetzt wie<lb/>
ein Buch. Immer Schiller im Munde.</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l rendition="#et">Und die Tugend, &#x017F;ie i&#x017F;t kein leerer Schall,<lb/></l>
          <l rendition="#et">Erzeugt in dem Hirne des Thoren!</l>
        </lg><lb/>
        <p>Damit weckt &#x017F;ie mich alle Morgen. Bei Gott, 's i&#x017F;t<lb/>
wahr. Macht Alles die unglückliche Liebe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Schade, Baron, daß Sie &#x017F;ich nicht auch un¬<lb/>
glücklich verlieben können.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Warum kann ichs nicht?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weil Sie zu reich &#x017F;ind. Wer Geld klimpern<lb/>
läßt, i&#x017F;t immer glücklich in der Liebe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie &#x017F;ind ein charmanter Men&#x017F;ch, aber was &#x017F;oll<lb/>
mir die unglückliche Liebe?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie könnten dann auch einmal mit der Tugend<lb/>
in Berührung kommen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was hab ich von der Berührung?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Tugend vermehrt den Credit.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der ganze Körper des Barons zückte in der<lb/>
nicht wohl zu be&#x017F;chreibenden Bewegung eines Ge¬<lb/>
&#x017F;ättigten, welcher gleichgültig eine Schü&#x017F;&#x017F;el vorüber¬<lb/>
gehen läßt, an der die Blicke der Hungrigen noch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0117] „Und Füßchen, 'ne Pariſerin könnte ſie benei¬ den,“ meinte der Dritte. „Das tänzelt nur ſo auf dem Boden.“ „Was für welche hat meine Frau dagegen! Sehn Sie mal,“ rief der Baron und nahm eine Priſe. „Eine Heroine muß nicht auf Tänzerfüßen ſtehn.“ „Heroine! charmanter Einfall. Meine Auguſte eine Heroine. Wie ſie mit einander parliren! Ich verſichere Sie, auf Ehre, meine Frau ſpricht jetzt wie ein Buch. Immer Schiller im Munde. Und die Tugend, ſie iſt kein leerer Schall, Erzeugt in dem Hirne des Thoren! Damit weckt ſie mich alle Morgen. Bei Gott, 's iſt wahr. Macht Alles die unglückliche Liebe.“ „Schade, Baron, daß Sie ſich nicht auch un¬ glücklich verlieben können.“ „Warum kann ichs nicht?“ „Weil Sie zu reich ſind. Wer Geld klimpern läßt, iſt immer glücklich in der Liebe.“ „Sie ſind ein charmanter Menſch, aber was ſoll mir die unglückliche Liebe?“ „Sie könnten dann auch einmal mit der Tugend in Berührung kommen.“ „Was hab ich von der Berührung?“ „Tugend vermehrt den Credit.“ Der ganze Körper des Barons zückte in der nicht wohl zu beſchreibenden Bewegung eines Ge¬ ſättigten, welcher gleichgültig eine Schüſſel vorüber¬ gehen läßt, an der die Blicke der Hungrigen noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/117
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/117>, abgerufen am 23.11.2024.