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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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nennt. Es überkommt mich ein Frösteln in Gegen¬
wart solcher jungen Mädchen."

"Ich begreife es, weil ich es mitfühle. Aber --"

"Sie selbst kajoliren die Nymphe."

"Sie wissen, warum."

"Und eben deshalb wundre ich mich, daß Sie
dem jungen Bovillard den Zutritt in Ihr Haus er¬
leichtern."

Die Gargazin sah ihn schadenfroh an: "Für
die Naivheit möchte ich Sie küssen."

"Sie protegiren ihn nicht?"

"Wenn man Erz schmelzen will, braucht man
Feuer."

"Wenn man aber das Feuer über den Kessel
schlagen läßt, kann es leicht kommen, daß das Erz
überläuft und verdorben wird."

"Qu'importe! sagte die Fürstin und stäubte an
dem Fleck am Aermel. Was nennen Sie verdorben
werden?"

"Ich scheue nicht vor einem gewagten Spiel,
aber ich frage mich vorher, ob der Vortheil das Ri¬
siko lohnt?"

"Was geht Sie meine Rechnung an! Einen
Stein kann man nicht schmelzen, man sprengt ihn
oder wartet, bis der Blitz ihn spaltet; das Erz kann
man aber so lange glühen und wieder zerglühen
lassen, bis man es zu der Form geschmeidig findet,
die man ihm geben will. Wollen Sie sich in Adel¬
heid verlieben, Ihre Künste an ihr versuchen, ich habe

nennt. Es überkommt mich ein Fröſteln in Gegen¬
wart ſolcher jungen Mädchen.“

„Ich begreife es, weil ich es mitfühle. Aber —“

„Sie ſelbſt kajoliren die Nymphe.“

„Sie wiſſen, warum.“

„Und eben deshalb wundre ich mich, daß Sie
dem jungen Bovillard den Zutritt in Ihr Haus er¬
leichtern.“

Die Gargazin ſah ihn ſchadenfroh an: „Für
die Naivheit möchte ich Sie küſſen.“

„Sie protegiren ihn nicht?“

„Wenn man Erz ſchmelzen will, braucht man
Feuer.“

„Wenn man aber das Feuer über den Keſſel
ſchlagen läßt, kann es leicht kommen, daß das Erz
überläuft und verdorben wird.“

„Qu'importe! ſagte die Fürſtin und ſtäubte an
dem Fleck am Aermel. Was nennen Sie verdorben
werden?“

„Ich ſcheue nicht vor einem gewagten Spiel,
aber ich frage mich vorher, ob der Vortheil das Ri¬
ſiko lohnt?“

„Was geht Sie meine Rechnung an! Einen
Stein kann man nicht ſchmelzen, man ſprengt ihn
oder wartet, bis der Blitz ihn ſpaltet; das Erz kann
man aber ſo lange glühen und wieder zerglühen
laſſen, bis man es zu der Form geſchmeidig findet,
die man ihm geben will. Wollen Sie ſich in Adel¬
heid verlieben, Ihre Künſte an ihr verſuchen, ich habe

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[101/0111] nennt. Es überkommt mich ein Fröſteln in Gegen¬ wart ſolcher jungen Mädchen.“ „Ich begreife es, weil ich es mitfühle. Aber —“ „Sie ſelbſt kajoliren die Nymphe.“ „Sie wiſſen, warum.“ „Und eben deshalb wundre ich mich, daß Sie dem jungen Bovillard den Zutritt in Ihr Haus er¬ leichtern.“ Die Gargazin ſah ihn ſchadenfroh an: „Für die Naivheit möchte ich Sie küſſen.“ „Sie protegiren ihn nicht?“ „Wenn man Erz ſchmelzen will, braucht man Feuer.“ „Wenn man aber das Feuer über den Keſſel ſchlagen läßt, kann es leicht kommen, daß das Erz überläuft und verdorben wird.“ „Qu'importe! ſagte die Fürſtin und ſtäubte an dem Fleck am Aermel. Was nennen Sie verdorben werden?“ „Ich ſcheue nicht vor einem gewagten Spiel, aber ich frage mich vorher, ob der Vortheil das Ri¬ ſiko lohnt?“ „Was geht Sie meine Rechnung an! Einen Stein kann man nicht ſchmelzen, man ſprengt ihn oder wartet, bis der Blitz ihn ſpaltet; das Erz kann man aber ſo lange glühen und wieder zerglühen laſſen, bis man es zu der Form geſchmeidig findet, die man ihm geben will. Wollen Sie ſich in Adel¬ heid verlieben, Ihre Künſte an ihr verſuchen, ich habe

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/111>, abgerufen am 23.11.2024.