Märtyrer und Heilige, die den Ueberschuß ihrer gu¬ ten Werke uns als Erbe ließen. Diese Sklaven singen und lachen, während wir, die Erwählten, die tausend Nadel- und Dolchstiche empfinden, die Welt und Verhältnisse täglich in unser Herz drücken, und wir müssen dazu ein lächelnd Gesicht machen, auch wenn wir in krampfhafter Pein vergehen möchten. Was ist das bischen Noth dagegen, das unsre Laune ihnen bereitet; die schöpferische Laune, die heute quält und morgen dafür entzückt."
"Warum stehen Sie in Gedanken verloren? hub sie nach einer Pause wieder an; ihre Verzückung, wie es schien, hatte sich gelöst. Sie ließ die Arme sinken, und sah ihn fast mitleidig an. "Sie armer Mann, was ich Sie bedaure in dem hochmüthigen Mitleid, was Sie in dem Augenblick über die Schwärmerin empfinden mögen."
"Ich bedauerte nur erwiederte er, daß die Gott¬ heit, die wir uns als männliches Wesen denken, kein Weib ist. Wie viel schöner würde ihre Welt sein."
"Ihr Spott kann mich nicht mehr beleidigen. Sie thun mir so unendlich weh, weil jede Entzückung Ihnen versagt ist. Aber ich appellire an Ihren Ver¬ stand. Womit wollen Sie die Welt zusammenhal¬ ten? Diese Masse, diesen Pöbel, das Chaos von kriechendem Gewürm, das fliegen möchte und nicht aufrecht gehn kann! Wer soll sie bändigen, fesseln, wenn keine eherne Faust, umspielt von süßen Him¬ melslichtern, da ist, keine beseligende Illusion; diese
Märtyrer und Heilige, die den Ueberſchuß ihrer gu¬ ten Werke uns als Erbe ließen. Dieſe Sklaven ſingen und lachen, während wir, die Erwählten, die tauſend Nadel- und Dolchſtiche empfinden, die Welt und Verhältniſſe täglich in unſer Herz drücken, und wir müſſen dazu ein lächelnd Geſicht machen, auch wenn wir in krampfhafter Pein vergehen möchten. Was iſt das bischen Noth dagegen, das unſre Laune ihnen bereitet; die ſchöpferiſche Laune, die heute quält und morgen dafür entzückt.“
„Warum ſtehen Sie in Gedanken verloren? hub ſie nach einer Pauſe wieder an; ihre Verzückung, wie es ſchien, hatte ſich gelöſt. Sie ließ die Arme ſinken, und ſah ihn faſt mitleidig an. „Sie armer Mann, was ich Sie bedaure in dem hochmüthigen Mitleid, was Sie in dem Augenblick über die Schwärmerin empfinden mögen.“
„Ich bedauerte nur erwiederte er, daß die Gott¬ heit, die wir uns als männliches Weſen denken, kein Weib iſt. Wie viel ſchöner würde ihre Welt ſein.“
„Ihr Spott kann mich nicht mehr beleidigen. Sie thun mir ſo unendlich weh, weil jede Entzückung Ihnen verſagt iſt. Aber ich appellire an Ihren Ver¬ ſtand. Womit wollen Sie die Welt zuſammenhal¬ ten? Dieſe Maſſe, dieſen Pöbel, das Chaos von kriechendem Gewürm, das fliegen möchte und nicht aufrecht gehn kann! Wer ſoll ſie bändigen, feſſeln, wenn keine eherne Fauſt, umſpielt von ſüßen Him¬ melslichtern, da iſt, keine beſeligende Illuſion; dieſe
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Märtyrer und Heilige, die den Ueberſchuß ihrer gu¬
ten Werke uns als Erbe ließen. Dieſe Sklaven
ſingen und lachen, während wir, die Erwählten, die
tauſend Nadel- und Dolchſtiche empfinden, die Welt
und Verhältniſſe täglich in unſer Herz drücken, und
wir müſſen dazu ein lächelnd Geſicht machen, auch
wenn wir in krampfhafter Pein vergehen möchten.
Was iſt das bischen Noth dagegen, das unſre Laune
ihnen bereitet; die ſchöpferiſche Laune, die heute quält
und morgen dafür entzückt.“
„Warum ſtehen Sie in Gedanken verloren? hub
ſie nach einer Pauſe wieder an; ihre Verzückung, wie
es ſchien, hatte ſich gelöſt. Sie ließ die Arme ſinken,
und ſah ihn faſt mitleidig an. „Sie armer Mann,
was ich Sie bedaure in dem hochmüthigen Mitleid,
was Sie in dem Augenblick über die Schwärmerin
empfinden mögen.“
„Ich bedauerte nur erwiederte er, daß die Gott¬
heit, die wir uns als männliches Weſen denken, kein
Weib iſt. Wie viel ſchöner würde ihre Welt ſein.“
„Ihr Spott kann mich nicht mehr beleidigen. Sie
thun mir ſo unendlich weh, weil jede Entzückung
Ihnen verſagt iſt. Aber ich appellire an Ihren Ver¬
ſtand. Womit wollen Sie die Welt zuſammenhal¬
ten? Dieſe Maſſe, dieſen Pöbel, das Chaos von
kriechendem Gewürm, das fliegen möchte und nicht
aufrecht gehn kann! Wer ſoll ſie bändigen, feſſeln,
wenn keine eherne Fauſt, umſpielt von ſüßen Him¬
melslichtern, da iſt, keine beſeligende Illuſion; dieſe
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/106>, abgerufen am 24.11.2024.
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