chen fortsetzen, so sprach eine innere Stimme: das erste hast du ja selbst immer geglaubt. Aber dann, wenn jene ihn auf die vielen Beweise von Aufmerk¬ samkeit und Zärtlichkeit hinwiesen! Stand die Moos¬ rose nicht noch immer zwischen den Balsaminen, trug sie nicht noch immer das Halstuch von der Farbe, die sie angelegt, als sie sein Lob derselben vernom¬ men? Ja brauchte es einer Mittelsperson, gefüllter Gläser, um ihm zu sagen, daß sie jetzt anders war, als sie sonst war? Sah er nicht den getrübten Blick ihres Auges? Sie wandte freilich das Gesicht ab, wenn sie sich zufällig begegneten, aber das war ein ganz andres Abwenden als sonst. Und dann, ein Mann, der ein Staatsdiener ist, der es bis zum Rittmeister gebracht hat, dem der Krieg die Thore zum Oberstwachtmeister eröffnet, gesteht ein solcher es sich leicht ein, daß er so lange gefoppt worden, daß er nur die dupe einer andern, oder gar ihres Kam¬ mermädchens gewesen? Sucht er nicht nach Beweisen, daß dem nicht so sein könne, wird er nicht vielmehr scharfsinnig auch da noch sie zu entdecken versuchen, wo sie nicht sind? Die Hälfte des Scharfsinns, den er anwendet, um aus dem Netz sich loszuwickeln, und er wäre nie in dem Netz gefangen worden.
Möglich war es ja, daß sie anfänglich nur ihn necken, ihre Empfindlichkeit für das an ihm kühlen wollen, was er sich selbst jetzt vorwarf; möglich, daß auch andere da mitgearbeitet hatten. Aber -- das konnte sich geändert, sie so gut gesehen haben, als er
chen fortſetzen, ſo ſprach eine innere Stimme: das erſte haſt du ja ſelbſt immer geglaubt. Aber dann, wenn jene ihn auf die vielen Beweiſe von Aufmerk¬ ſamkeit und Zärtlichkeit hinwieſen! Stand die Moos¬ roſe nicht noch immer zwiſchen den Balſaminen, trug ſie nicht noch immer das Halstuch von der Farbe, die ſie angelegt, als ſie ſein Lob derſelben vernom¬ men? Ja brauchte es einer Mittelsperſon, gefüllter Gläſer, um ihm zu ſagen, daß ſie jetzt anders war, als ſie ſonſt war? Sah er nicht den getrübten Blick ihres Auges? Sie wandte freilich das Geſicht ab, wenn ſie ſich zufällig begegneten, aber das war ein ganz andres Abwenden als ſonſt. Und dann, ein Mann, der ein Staatsdiener iſt, der es bis zum Rittmeiſter gebracht hat, dem der Krieg die Thore zum Oberſtwachtmeiſter eröffnet, geſteht ein ſolcher es ſich leicht ein, daß er ſo lange gefoppt worden, daß er nur die dupe einer andern, oder gar ihres Kam¬ mermädchens geweſen? Sucht er nicht nach Beweiſen, daß dem nicht ſo ſein könne, wird er nicht vielmehr ſcharfſinnig auch da noch ſie zu entdecken verſuchen, wo ſie nicht ſind? Die Hälfte des Scharfſinns, den er anwendet, um aus dem Netz ſich loszuwickeln, und er wäre nie in dem Netz gefangen worden.
Möglich war es ja, daß ſie anfänglich nur ihn necken, ihre Empfindlichkeit für das an ihm kühlen wollen, was er ſich ſelbſt jetzt vorwarf; möglich, daß auch andere da mitgearbeitet hatten. Aber — das konnte ſich geändert, ſie ſo gut geſehen haben, als er
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0083"n="73"/>
chen fortſetzen, ſo ſprach eine innere Stimme: das<lb/>
erſte haſt du ja ſelbſt immer geglaubt. Aber dann,<lb/>
wenn jene ihn auf die vielen Beweiſe von Aufmerk¬<lb/>ſamkeit und Zärtlichkeit hinwieſen! Stand die Moos¬<lb/>
roſe nicht noch immer zwiſchen den Balſaminen, trug<lb/>ſie nicht noch immer das Halstuch von der Farbe,<lb/>
die ſie angelegt, als ſie ſein Lob derſelben vernom¬<lb/>
men? Ja brauchte es einer Mittelsperſon, gefüllter<lb/>
Gläſer, um ihm zu ſagen, daß ſie jetzt anders war,<lb/>
als ſie ſonſt war? Sah er nicht den getrübten Blick<lb/>
ihres Auges? Sie wandte freilich das Geſicht ab,<lb/>
wenn ſie ſich zufällig begegneten, aber das war ein<lb/>
ganz andres Abwenden als ſonſt. Und dann, ein<lb/>
Mann, der ein Staatsdiener iſt, der es bis zum<lb/>
Rittmeiſter gebracht hat, dem der Krieg die Thore<lb/>
zum Oberſtwachtmeiſter eröffnet, geſteht ein ſolcher es<lb/>ſich leicht ein, daß er ſo lange gefoppt worden, daß<lb/>
er nur die <hirendition="#aq">dupe</hi> einer andern, oder gar ihres Kam¬<lb/>
mermädchens geweſen? Sucht er nicht nach Beweiſen,<lb/>
daß dem nicht ſo ſein könne, wird er nicht vielmehr<lb/>ſcharfſinnig auch da noch ſie zu entdecken verſuchen,<lb/>
wo ſie nicht ſind? Die Hälfte des Scharfſinns, den<lb/>
er anwendet, um aus dem Netz ſich loszuwickeln, und<lb/>
er wäre nie in dem Netz gefangen worden.</p><lb/><p>Möglich war es ja, daß ſie anfänglich nur ihn<lb/>
necken, ihre Empfindlichkeit für das an ihm kühlen<lb/>
wollen, was er ſich ſelbſt jetzt vorwarf; möglich, daß<lb/>
auch andere da mitgearbeitet hatten. Aber — das<lb/>
konnte ſich geändert, ſie ſo gut geſehen haben, als er<lb/></p></div></body></text></TEI>
[73/0083]
chen fortſetzen, ſo ſprach eine innere Stimme: das
erſte haſt du ja ſelbſt immer geglaubt. Aber dann,
wenn jene ihn auf die vielen Beweiſe von Aufmerk¬
ſamkeit und Zärtlichkeit hinwieſen! Stand die Moos¬
roſe nicht noch immer zwiſchen den Balſaminen, trug
ſie nicht noch immer das Halstuch von der Farbe,
die ſie angelegt, als ſie ſein Lob derſelben vernom¬
men? Ja brauchte es einer Mittelsperſon, gefüllter
Gläſer, um ihm zu ſagen, daß ſie jetzt anders war,
als ſie ſonſt war? Sah er nicht den getrübten Blick
ihres Auges? Sie wandte freilich das Geſicht ab,
wenn ſie ſich zufällig begegneten, aber das war ein
ganz andres Abwenden als ſonſt. Und dann, ein
Mann, der ein Staatsdiener iſt, der es bis zum
Rittmeiſter gebracht hat, dem der Krieg die Thore
zum Oberſtwachtmeiſter eröffnet, geſteht ein ſolcher es
ſich leicht ein, daß er ſo lange gefoppt worden, daß
er nur die dupe einer andern, oder gar ihres Kam¬
mermädchens geweſen? Sucht er nicht nach Beweiſen,
daß dem nicht ſo ſein könne, wird er nicht vielmehr
ſcharfſinnig auch da noch ſie zu entdecken verſuchen,
wo ſie nicht ſind? Die Hälfte des Scharfſinns, den
er anwendet, um aus dem Netz ſich loszuwickeln, und
er wäre nie in dem Netz gefangen worden.
Möglich war es ja, daß ſie anfänglich nur ihn
necken, ihre Empfindlichkeit für das an ihm kühlen
wollen, was er ſich ſelbſt jetzt vorwarf; möglich, daß
auch andere da mitgearbeitet hatten. Aber — das
konnte ſich geändert, ſie ſo gut geſehen haben, als er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/83>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.