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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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Zeitungsschreiber augenblicklich von den Evenements
Witterung habe, daß er auf der Stelle im Stande
sei, sie drucken zu lassen, und gar in Versen! "Und,
sagte ein anderer, daß man's drei Mal in der Woche
erfährt, was vorher passirt ist! Erst muß es doch geschrie¬
ben werden, was schon eine verfluchte Arbeit ist, und
dann gedruckt und verkauft." -- "'s ist auch 'ne
schwarze Kunst" lachte ein anderer. Herr Josty, mit
der Flasche Curacao in der Hand, flüsterte den Herren
zu: "Und was werden Sie erst sagen, wenn wir alle
Tage ein Blatt bekommen, was uns jeden Tag von
den Kriegsevenements avertirt. Sehn Sie mal ge¬
fälligst in der Ecke hinterm Ofen den Herrn im grünen
Rock und Nankinghosen, das ist Herr Professor Lange.
Der giebt ein solches Blatt heraus, es soll Telegraph
heißen. Morgen schon kommt die erste Nummer. Die
Leute werden sich den Kopf überschlagen." -- Die
Officiere vigilirten den "verfluchten Kerl", der mit
dem Bleistift Notizen machte, und stritten ob seine
Ohren oder seine Nase spitzer wären.

Auch der Herr Kriegsrath Alltag hatte diesen
Tag nicht alltäglich begangen. Auch er hatte in der
Conditorei des Herrn Josty eine Tasse Chocolate
genippt, was zu jener Zeit, als wir ihn kennen lern¬
ten, ein außerordentliches Evenement gewesen wäre.
Aber schien er doch selbst ein anderer geworden. Der
gestickte blaue Rock war zwar schon etwas über die
Mode hinaus, jedoch vom feinsten Tuch, das sauberste
weiße Halstuch war über das Jabot geknüpft und

Zeitungsſchreiber augenblicklich von den Evenements
Witterung habe, daß er auf der Stelle im Stande
ſei, ſie drucken zu laſſen, und gar in Verſen! „Und,
ſagte ein anderer, daß man's drei Mal in der Woche
erfährt, was vorher paſſirt iſt! Erſt muß es doch geſchrie¬
ben werden, was ſchon eine verfluchte Arbeit iſt, und
dann gedruckt und verkauft.“ — „'s iſt auch 'ne
ſchwarze Kunſt“ lachte ein anderer. Herr Joſty, mit
der Flaſche Curaçao in der Hand, flüſterte den Herren
zu: „Und was werden Sie erſt ſagen, wenn wir alle
Tage ein Blatt bekommen, was uns jeden Tag von
den Kriegsevenements avertirt. Sehn Sie mal ge¬
fälligſt in der Ecke hinterm Ofen den Herrn im grünen
Rock und Nankinghoſen, das iſt Herr Profeſſor Lange.
Der giebt ein ſolches Blatt heraus, es ſoll Telegraph
heißen. Morgen ſchon kommt die erſte Nummer. Die
Leute werden ſich den Kopf überſchlagen.“ — Die
Officiere vigilirten den „verfluchten Kerl“, der mit
dem Bleiſtift Notizen machte, und ſtritten ob ſeine
Ohren oder ſeine Naſe ſpitzer wären.

Auch der Herr Kriegsrath Alltag hatte dieſen
Tag nicht alltäglich begangen. Auch er hatte in der
Conditorei des Herrn Joſty eine Taſſe Chocolate
genippt, was zu jener Zeit, als wir ihn kennen lern¬
ten, ein außerordentliches Evenement geweſen wäre.
Aber ſchien er doch ſelbſt ein anderer geworden. Der
geſtickte blaue Rock war zwar ſchon etwas über die
Mode hinaus, jedoch vom feinſten Tuch, das ſauberſte
weiße Halstuch war über das Jabot geknüpft und

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[56/0066] Zeitungsſchreiber augenblicklich von den Evenements Witterung habe, daß er auf der Stelle im Stande ſei, ſie drucken zu laſſen, und gar in Verſen! „Und, ſagte ein anderer, daß man's drei Mal in der Woche erfährt, was vorher paſſirt iſt! Erſt muß es doch geſchrie¬ ben werden, was ſchon eine verfluchte Arbeit iſt, und dann gedruckt und verkauft.“ — „'s iſt auch 'ne ſchwarze Kunſt“ lachte ein anderer. Herr Joſty, mit der Flaſche Curaçao in der Hand, flüſterte den Herren zu: „Und was werden Sie erſt ſagen, wenn wir alle Tage ein Blatt bekommen, was uns jeden Tag von den Kriegsevenements avertirt. Sehn Sie mal ge¬ fälligſt in der Ecke hinterm Ofen den Herrn im grünen Rock und Nankinghoſen, das iſt Herr Profeſſor Lange. Der giebt ein ſolches Blatt heraus, es ſoll Telegraph heißen. Morgen ſchon kommt die erſte Nummer. Die Leute werden ſich den Kopf überſchlagen.“ — Die Officiere vigilirten den „verfluchten Kerl“, der mit dem Bleiſtift Notizen machte, und ſtritten ob ſeine Ohren oder ſeine Naſe ſpitzer wären. Auch der Herr Kriegsrath Alltag hatte dieſen Tag nicht alltäglich begangen. Auch er hatte in der Conditorei des Herrn Joſty eine Taſſe Chocolate genippt, was zu jener Zeit, als wir ihn kennen lern¬ ten, ein außerordentliches Evenement geweſen wäre. Aber ſchien er doch ſelbſt ein anderer geworden. Der geſtickte blaue Rock war zwar ſchon etwas über die Mode hinaus, jedoch vom feinſten Tuch, das ſauberſte weiße Halstuch war über das Jabot geknüpft und

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/66>, abgerufen am 24.11.2024.