"Eine Liebschaft ohne Aussicht und Ende. Ver¬ borgene Thränen und stille Seufzer. Er fragt: Warum hast Du geweint, und sie agt mit den seelenvollsten rothen Augen: O ich habe nicht geweint. Er glaubt es oder glaubt es nicht. Händedrücken und Betheue¬ rungen in Klopstockischem Odenschwung. Bin ich dazu berufen? Habe ich sie dazu in meinem Hause? Ihre Eltern sind unzufrieden. Der alte van Asten möchte mich zur Kupplerin erklären! Der junge sieht mich fragend an, wenn sie Migräne hat, und Adel¬ heid zittert, wenn ich ihn auffordere länger zu bleiben als sie wünscht, und gebe ich ihm ein Zeichen, daß er gehn soll, so ist sie wieder verstimmt. Sie denkt, er könnte denken, was er nicht denken soll. Und wenn der junge Bovillard wieder käme! Möglich ja, wenn der Vater ihm verzeiht, daß er präsentabel würde, daß -- daß er sich in diesem Hause zeigte. Kann ich ihn abweisen? -- Welche Scenen, Verwickelungen! Wer hat mich dazu ausersehen, mein Gott! als ob ich nicht anderes zu denken und vor mir habe!"
Die Geheimräthin hatte sich in einen Eifer ge¬ redet, der ihr wohl that, und dem Legationsrath that er auch wohl. Mit andern Gedanken beschäftigt als diesem, ihm ganz gleichgültigen Liebesverhältniß, hatte er ihnen nachhängen können ohne sich beobachtet zu sehn.
"Das haben Sie! rief er. Sie müssen gerettet werden."
„Und ich habe die Beſcheerung im Hauſe!“
„Arme Freundin!“
„Eine Liebſchaft ohne Ausſicht und Ende. Ver¬ borgene Thränen und ſtille Seufzer. Er fragt: Warum haſt Du geweint, und ſie agt mit den ſeelenvollſten rothen Augen: O ich habe nicht geweint. Er glaubt es oder glaubt es nicht. Händedrücken und Betheue¬ rungen in Klopſtockiſchem Odenſchwung. Bin ich dazu berufen? Habe ich ſie dazu in meinem Hauſe? Ihre Eltern ſind unzufrieden. Der alte van Aſten möchte mich zur Kupplerin erklären! Der junge ſieht mich fragend an, wenn ſie Migräne hat, und Adel¬ heid zittert, wenn ich ihn auffordere länger zu bleiben als ſie wünſcht, und gebe ich ihm ein Zeichen, daß er gehn ſoll, ſo iſt ſie wieder verſtimmt. Sie denkt, er könnte denken, was er nicht denken ſoll. Und wenn der junge Bovillard wieder käme! Möglich ja, wenn der Vater ihm verzeiht, daß er präſentabel würde, daß — daß er ſich in dieſem Hauſe zeigte. Kann ich ihn abweiſen? — Welche Scenen, Verwickelungen! Wer hat mich dazu auserſehen, mein Gott! als ob ich nicht anderes zu denken und vor mir habe!“
Die Geheimräthin hatte ſich in einen Eifer ge¬ redet, der ihr wohl that, und dem Legationsrath that er auch wohl. Mit andern Gedanken beſchäftigt als dieſem, ihm ganz gleichgültigen Liebesverhältniß, hatte er ihnen nachhängen können ohne ſich beobachtet zu ſehn.
„Das haben Sie! rief er. Sie müſſen gerettet werden.“
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„Und ich habe die Beſcheerung im Hauſe!“
„Arme Freundin!“
„Eine Liebſchaft ohne Ausſicht und Ende. Ver¬
borgene Thränen und ſtille Seufzer. Er fragt: Warum
haſt Du geweint, und ſie agt mit den ſeelenvollſten
rothen Augen: O ich habe nicht geweint. Er glaubt
es oder glaubt es nicht. Händedrücken und Betheue¬
rungen in Klopſtockiſchem Odenſchwung. Bin ich
dazu berufen? Habe ich ſie dazu in meinem Hauſe?
Ihre Eltern ſind unzufrieden. Der alte van Aſten
möchte mich zur Kupplerin erklären! Der junge ſieht
mich fragend an, wenn ſie Migräne hat, und Adel¬
heid zittert, wenn ich ihn auffordere länger zu bleiben
als ſie wünſcht, und gebe ich ihm ein Zeichen, daß
er gehn ſoll, ſo iſt ſie wieder verſtimmt. Sie denkt,
er könnte denken, was er nicht denken ſoll. Und wenn
der junge Bovillard wieder käme! Möglich ja, wenn
der Vater ihm verzeiht, daß er präſentabel würde,
daß — daß er ſich in dieſem Hauſe zeigte. Kann
ich ihn abweiſen? — Welche Scenen, Verwickelungen!
Wer hat mich dazu auserſehen, mein Gott! als ob
ich nicht anderes zu denken und vor mir habe!“
Die Geheimräthin hatte ſich in einen Eifer ge¬
redet, der ihr wohl that, und dem Legationsrath that
er auch wohl. Mit andern Gedanken beſchäftigt als
dieſem, ihm ganz gleichgültigen Liebesverhältniß, hatte
er ihnen nachhängen können ohne ſich beobachtet zu ſehn.
„Das haben Sie! rief er. Sie müſſen gerettet
werden.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/56>, abgerufen am 16.02.2025.
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