Beide mochten sich als Hausgenossen kennen, ohne in nähere Berührung getreten zu sein.
"Was ich sprach, war nicht an Major Rittgar¬ ten gerichtet."
"Noch hoffe ich, daß Sie den Einwand machen, daß er bei offener Thür Sie belauschte."
"Was ist Ihr Wunsch?"
"Der Staat, den Sie geschmäht, kann nicht von Ihnen Rechenschaft fordern. Ich fordere sie, ein alter Militair, der unter Friedrich focht und bald dahin geht, wo sein großer König sie von ihm fordern wird."
Mit dem Mitleid der Achtung blickte der jün¬ gere Militair den älteren an: "Ich ehre Ihren Schmerz und achte Ihren Muth; beide aber nicht als Legitimation, den Handschuh für ein Etwas mir zuzuwerfen, was Sie nicht persönlich betrifft."
"Sie haben das Preußische Militair beleidigt, die Ehrenkränkungen meiner Brüder nehme ich auf mich. Sie haben das Preußische Volk geschmäht, dies treue, gute, rechtliche Volk. Sein Blut rinnt, wenn auch langsam, doch zu heiß noch in meinen Adern, um mit diesem unge¬ rächten Fleck vor meinen König zu treten. Ihre Antwort?"
"Nur eine Frage: war, was ich sagte, unwahr?"
"Zu der Frage haben Sie kein Recht. Sie sind nicht Richter. Nicht unter diesem Dache, nicht auf die¬ sem Boden, der sie gastlich aufnahm, dürfen Sie das Volk schmähen und den Fürsten, dem das Volk ver¬ traut. Und wenn ich Ihnen antwortete, verstehen Sie meine Sprache nicht."
Beide mochten ſich als Hausgenoſſen kennen, ohne in nähere Berührung getreten zu ſein.
„Was ich ſprach, war nicht an Major Rittgar¬ ten gerichtet.“
„Noch hoffe ich, daß Sie den Einwand machen, daß er bei offener Thür Sie belauſchte.“
„Was iſt Ihr Wunſch?“
„Der Staat, den Sie geſchmäht, kann nicht von Ihnen Rechenſchaft fordern. Ich fordere ſie, ein alter Militair, der unter Friedrich focht und bald dahin geht, wo ſein großer König ſie von ihm fordern wird.“
Mit dem Mitleid der Achtung blickte der jün¬ gere Militair den älteren an: „Ich ehre Ihren Schmerz und achte Ihren Muth; beide aber nicht als Legitimation, den Handſchuh für ein Etwas mir zuzuwerfen, was Sie nicht perſönlich betrifft.“
„Sie haben das Preußiſche Militair beleidigt, die Ehrenkränkungen meiner Brüder nehme ich auf mich. Sie haben das Preußiſche Volk geſchmäht, dies treue, gute, rechtliche Volk. Sein Blut rinnt, wenn auch langſam, doch zu heiß noch in meinen Adern, um mit dieſem unge¬ rächten Fleck vor meinen König zu treten. Ihre Antwort?“
„Nur eine Frage: war, was ich ſagte, unwahr?“
„Zu der Frage haben Sie kein Recht. Sie ſind nicht Richter. Nicht unter dieſem Dache, nicht auf die¬ ſem Boden, der ſie gaſtlich aufnahm, dürfen Sie das Volk ſchmähen und den Fürſten, dem das Volk ver¬ traut. Und wenn ich Ihnen antwortete, verſtehen Sie meine Sprache nicht.“
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0312"n="302"/><p>Beide mochten ſich als Hausgenoſſen kennen,<lb/>
ohne in nähere Berührung getreten zu ſein.</p><lb/><p>„Was ich ſprach, war nicht an Major Rittgar¬<lb/>
ten gerichtet.“</p><lb/><p>„Noch hoffe ich, daß Sie den Einwand machen,<lb/>
daß er bei offener Thür Sie belauſchte.“</p><lb/><p>„Was iſt Ihr Wunſch?“</p><lb/><p>„Der Staat, den Sie geſchmäht, kann nicht von<lb/>
Ihnen Rechenſchaft fordern. Ich fordere ſie, ein alter<lb/>
Militair, der unter Friedrich focht und bald dahin geht,<lb/>
wo ſein großer König ſie von ihm fordern wird.“</p><lb/><p>Mit dem Mitleid der Achtung blickte der jün¬<lb/>
gere Militair den älteren an: „Ich ehre Ihren<lb/>
Schmerz und achte Ihren Muth; beide aber nicht<lb/>
als Legitimation, den Handſchuh für ein Etwas mir<lb/>
zuzuwerfen, was Sie nicht perſönlich betrifft.“</p><lb/><p>„Sie haben das Preußiſche Militair beleidigt, die<lb/>
Ehrenkränkungen meiner Brüder nehme ich auf mich. Sie<lb/>
haben das Preußiſche Volk geſchmäht, dies treue, gute,<lb/>
rechtliche Volk. Sein Blut rinnt, wenn auch langſam,<lb/>
doch zu heiß noch in meinen Adern, um mit dieſem unge¬<lb/>
rächten Fleck vor meinen König zu treten. Ihre Antwort?“</p><lb/><p>„Nur eine Frage: war, was ich ſagte, unwahr?“</p><lb/><p>„Zu der Frage haben Sie kein Recht. Sie ſind<lb/>
nicht Richter. Nicht unter dieſem Dache, nicht auf die¬<lb/>ſem Boden, der ſie gaſtlich aufnahm, dürfen Sie das<lb/>
Volk ſchmähen und den Fürſten, dem das Volk ver¬<lb/>
traut. Und wenn ich Ihnen antwortete, verſtehen<lb/>
Sie meine Sprache nicht.“<lb/></p></div></body></text></TEI>
[302/0312]
Beide mochten ſich als Hausgenoſſen kennen,
ohne in nähere Berührung getreten zu ſein.
„Was ich ſprach, war nicht an Major Rittgar¬
ten gerichtet.“
„Noch hoffe ich, daß Sie den Einwand machen,
daß er bei offener Thür Sie belauſchte.“
„Was iſt Ihr Wunſch?“
„Der Staat, den Sie geſchmäht, kann nicht von
Ihnen Rechenſchaft fordern. Ich fordere ſie, ein alter
Militair, der unter Friedrich focht und bald dahin geht,
wo ſein großer König ſie von ihm fordern wird.“
Mit dem Mitleid der Achtung blickte der jün¬
gere Militair den älteren an: „Ich ehre Ihren
Schmerz und achte Ihren Muth; beide aber nicht
als Legitimation, den Handſchuh für ein Etwas mir
zuzuwerfen, was Sie nicht perſönlich betrifft.“
„Sie haben das Preußiſche Militair beleidigt, die
Ehrenkränkungen meiner Brüder nehme ich auf mich. Sie
haben das Preußiſche Volk geſchmäht, dies treue, gute,
rechtliche Volk. Sein Blut rinnt, wenn auch langſam,
doch zu heiß noch in meinen Adern, um mit dieſem unge¬
rächten Fleck vor meinen König zu treten. Ihre Antwort?“
„Nur eine Frage: war, was ich ſagte, unwahr?“
„Zu der Frage haben Sie kein Recht. Sie ſind
nicht Richter. Nicht unter dieſem Dache, nicht auf die¬
ſem Boden, der ſie gaſtlich aufnahm, dürfen Sie das
Volk ſchmähen und den Fürſten, dem das Volk ver¬
traut. Und wenn ich Ihnen antwortete, verſtehen
Sie meine Sprache nicht.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/312>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.