Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

werden, wenn es heißt, daß man zur Kriegspartei
gehört hat. Salviren Sie sich bei Zeiten. Spitzen
Sie Ihre Feder, auch Sie werden Artikel für den
Frieden schreiben müssen."

"Nimmermehr! -- Ich nehme meinen Abschied."

"Das hat mancher gesagt, und bleibt doch, --
aus höherer Staatsraison. Weshalb auch um solche
Bagatell, als eine Meinung ist, seine Existenz aufs
Spiel setzen!"

"Herr von Eisenhauch!"

"Nichts Persönliches! Gott bewahre! Die Per¬
sonen verschwimmen, wie die Charaktere, in diesem
Mengelmuß. Da thut der Beste am Besten, wenn
er still mitschwimmt. Wo steht denn geschrieben, daß
wir nicht niederträchtig denken, nicht feig handeln
sollen? Nur einen Brei sollen wir darum kneten,
einen Firniß des Anstandes. -- Und dann, ja
man muß sich für eine bessere Zukunft conserviren."

Der Regierungsrath blickte ihn ernst wehmüthig
an: "Wir gingen so lange mit einander! Sollen
wir so scheiden!"

"Ein zerronnener Traum! Preußen hatte die
Aufgabe, Deutschland zu retten, es hat sich nicht
selbst zu retten gewußt. Den letzten Rest seiner
öffentlichen Ehre hat es geopfert, selbst den Rest
der Ehrlichkeit, auf die es sich brüstete, warf es in
den Tiegel."

Der Rath ging im Zimmer auf und ab; er sah
nicht, was auch dem Militair entging, daß ihr

werden, wenn es heißt, daß man zur Kriegspartei
gehört hat. Salviren Sie ſich bei Zeiten. Spitzen
Sie Ihre Feder, auch Sie werden Artikel für den
Frieden ſchreiben müſſen.“

„Nimmermehr! — Ich nehme meinen Abſchied.“

„Das hat mancher geſagt, und bleibt doch, —
aus höherer Staatsraiſon. Weshalb auch um ſolche
Bagatell, als eine Meinung iſt, ſeine Exiſtenz aufs
Spiel ſetzen!“

„Herr von Eiſenhauch!“

„Nichts Perſönliches! Gott bewahre! Die Per¬
ſonen verſchwimmen, wie die Charaktere, in dieſem
Mengelmuß. Da thut der Beſte am Beſten, wenn
er ſtill mitſchwimmt. Wo ſteht denn geſchrieben, daß
wir nicht niederträchtig denken, nicht feig handeln
ſollen? Nur einen Brei ſollen wir darum kneten,
einen Firniß des Anſtandes. — Und dann, ja
man muß ſich für eine beſſere Zukunft conſerviren.“

Der Regierungsrath blickte ihn ernſt wehmüthig
an: „Wir gingen ſo lange mit einander! Sollen
wir ſo ſcheiden!“

„Ein zerronnener Traum! Preußen hatte die
Aufgabe, Deutſchland zu retten, es hat ſich nicht
ſelbſt zu retten gewußt. Den letzten Reſt ſeiner
öffentlichen Ehre hat es geopfert, ſelbſt den Reſt
der Ehrlichkeit, auf die es ſich brüſtete, warf es in
den Tiegel.“

Der Rath ging im Zimmer auf und ab; er ſah
nicht, was auch dem Militair entging, daß ihr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0306" n="296"/>
werden, wenn es heißt, daß man zur Kriegspartei<lb/>
gehört hat. Salviren Sie &#x017F;ich bei Zeiten. Spitzen<lb/>
Sie Ihre Feder, auch Sie werden Artikel für den<lb/>
Frieden &#x017F;chreiben mü&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nimmermehr! &#x2014; Ich nehme meinen Ab&#x017F;chied.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das hat mancher ge&#x017F;agt, und bleibt doch, &#x2014;<lb/>
aus höherer Staatsrai&#x017F;on. Weshalb auch um &#x017F;olche<lb/>
Bagatell, als eine Meinung i&#x017F;t, &#x017F;eine Exi&#x017F;tenz aufs<lb/>
Spiel &#x017F;etzen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herr von Ei&#x017F;enhauch!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nichts Per&#x017F;önliches! Gott bewahre! Die Per¬<lb/>
&#x017F;onen ver&#x017F;chwimmen, wie die Charaktere, in die&#x017F;em<lb/>
Mengelmuß. Da thut der Be&#x017F;te am Be&#x017F;ten, wenn<lb/>
er &#x017F;till mit&#x017F;chwimmt. Wo &#x017F;teht denn ge&#x017F;chrieben, daß<lb/>
wir nicht niederträchtig denken, nicht feig handeln<lb/>
&#x017F;ollen? Nur einen Brei &#x017F;ollen wir darum kneten,<lb/>
einen Firniß des An&#x017F;tandes. &#x2014; Und dann, ja<lb/>
man muß &#x017F;ich für eine be&#x017F;&#x017F;ere Zukunft con&#x017F;erviren.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Regierungsrath blickte ihn ern&#x017F;t wehmüthig<lb/>
an: &#x201E;Wir gingen &#x017F;o lange mit einander! Sollen<lb/>
wir &#x017F;o &#x017F;cheiden!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ein zerronnener Traum! Preußen hatte die<lb/>
Aufgabe, Deut&#x017F;chland zu retten, es hat &#x017F;ich nicht<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t zu retten gewußt. Den letzten Re&#x017F;t &#x017F;einer<lb/>
öffentlichen Ehre hat es geopfert, &#x017F;elb&#x017F;t den Re&#x017F;t<lb/>
der Ehrlichkeit, auf die es &#x017F;ich brü&#x017F;tete, warf es in<lb/>
den Tiegel.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Rath ging im Zimmer auf und ab; er &#x017F;ah<lb/>
nicht, was auch dem Militair entging, daß ihr<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0306] werden, wenn es heißt, daß man zur Kriegspartei gehört hat. Salviren Sie ſich bei Zeiten. Spitzen Sie Ihre Feder, auch Sie werden Artikel für den Frieden ſchreiben müſſen.“ „Nimmermehr! — Ich nehme meinen Abſchied.“ „Das hat mancher geſagt, und bleibt doch, — aus höherer Staatsraiſon. Weshalb auch um ſolche Bagatell, als eine Meinung iſt, ſeine Exiſtenz aufs Spiel ſetzen!“ „Herr von Eiſenhauch!“ „Nichts Perſönliches! Gott bewahre! Die Per¬ ſonen verſchwimmen, wie die Charaktere, in dieſem Mengelmuß. Da thut der Beſte am Beſten, wenn er ſtill mitſchwimmt. Wo ſteht denn geſchrieben, daß wir nicht niederträchtig denken, nicht feig handeln ſollen? Nur einen Brei ſollen wir darum kneten, einen Firniß des Anſtandes. — Und dann, ja man muß ſich für eine beſſere Zukunft conſerviren.“ Der Regierungsrath blickte ihn ernſt wehmüthig an: „Wir gingen ſo lange mit einander! Sollen wir ſo ſcheiden!“ „Ein zerronnener Traum! Preußen hatte die Aufgabe, Deutſchland zu retten, es hat ſich nicht ſelbſt zu retten gewußt. Den letzten Reſt ſeiner öffentlichen Ehre hat es geopfert, ſelbſt den Reſt der Ehrlichkeit, auf die es ſich brüſtete, warf es in den Tiegel.“ Der Rath ging im Zimmer auf und ab; er ſah nicht, was auch dem Militair entging, daß ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/306
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/306>, abgerufen am 24.11.2024.