sie sich. Man darf doch nicht gegen den Strom schwimmen. Es gab sanfte Händedrücke, beinahe kam's zu Umarmungen."
"Finis Germaniae!" seufzte der Rath.
"Gott bewahre! Der Fisch Germanien kann noch lange zappeln. Tausend Harpunen ihm ins Herz, sein Blut ins Meer verspritzt, er lebt doch, er ist eine geduldige Bestie und schnappt immer wieder nach jedem neuen glänzenden Köder, den ihm ein listiger Nachbar hinwirft. Will er nicht, so braucht er nur zu drohen, dann frißt er doch."
"Genug! Leben Sie wohl!"
"Nein, Bester, jetzt wird sich erst der eigenthümliche Glanz der Staatskunst entfalten. Nichts thun, und wenn man in der Klemme steckt, sich justificiren und glorifici¬ ren, daß man die Hände in den Schooß gelegt. Warten Sie nur auf die herrlichen Staatsschriften und Zei¬ tungsartikel. Das wird salbungsvoll riechen. Mit Humanität und Philosophie und Christenthum wird man dem Volk beweisen, daß die Weisheit selbst nicht weiser hätte handeln können. Die guten Bürger werden sich die Augen wischen vor Rührung, und das "Heil dir im Siegerkranz" wird noch einmal so schön klingen, als wenn der König gesiegt hätte. Man wird auf uns hetzen, die wir gehetzt haben, bis das Volk es glaubt, daß wir nur ehrgeizige, unruhige Köpfe waren. Sie glauben nicht, was dies Volk glaubt, wenn man ihm sagt, daß wir seine Fleisch¬ töpfe am Feuer verrücken wollten. Man wird anrüchig
ſie ſich. Man darf doch nicht gegen den Strom ſchwimmen. Es gab ſanfte Händedrücke, beinahe kam's zu Umarmungen.“
„Finis Germaniae!“ ſeufzte der Rath.
„Gott bewahre! Der Fiſch Germanien kann noch lange zappeln. Tauſend Harpunen ihm ins Herz, ſein Blut ins Meer verſpritzt, er lebt doch, er iſt eine geduldige Beſtie und ſchnappt immer wieder nach jedem neuen glänzenden Köder, den ihm ein liſtiger Nachbar hinwirft. Will er nicht, ſo braucht er nur zu drohen, dann frißt er doch.“
„Genug! Leben Sie wohl!“
„Nein, Beſter, jetzt wird ſich erſt der eigenthümliche Glanz der Staatskunſt entfalten. Nichts thun, und wenn man in der Klemme ſteckt, ſich juſtificiren und glorifici¬ ren, daß man die Hände in den Schooß gelegt. Warten Sie nur auf die herrlichen Staatsſchriften und Zei¬ tungsartikel. Das wird ſalbungsvoll riechen. Mit Humanität und Philoſophie und Chriſtenthum wird man dem Volk beweiſen, daß die Weisheit ſelbſt nicht weiſer hätte handeln können. Die guten Bürger werden ſich die Augen wiſchen vor Rührung, und das „Heil dir im Siegerkranz“ wird noch einmal ſo ſchön klingen, als wenn der König geſiegt hätte. Man wird auf uns hetzen, die wir gehetzt haben, bis das Volk es glaubt, daß wir nur ehrgeizige, unruhige Köpfe waren. Sie glauben nicht, was dies Volk glaubt, wenn man ihm ſagt, daß wir ſeine Fleiſch¬ töpfe am Feuer verrücken wollten. Man wird anrüchig
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0305"n="295"/>ſie ſich. Man darf doch nicht gegen den Strom<lb/>ſchwimmen. Es gab ſanfte Händedrücke, beinahe kam's<lb/>
zu Umarmungen.“</p><lb/><p><hirendition="#aq">„Finis Germaniae!“</hi>ſeufzte der Rath.</p><lb/><p>„Gott bewahre! Der Fiſch Germanien kann noch<lb/>
lange zappeln. Tauſend Harpunen ihm ins Herz,<lb/>ſein Blut ins Meer verſpritzt, er lebt doch, er iſt<lb/>
eine geduldige Beſtie und ſchnappt immer wieder nach<lb/>
jedem neuen glänzenden Köder, den ihm ein liſtiger<lb/>
Nachbar hinwirft. Will er nicht, ſo braucht er nur<lb/>
zu drohen, dann frißt er doch.“</p><lb/><p>„Genug! Leben Sie wohl!“</p><lb/><p>„Nein, Beſter, jetzt wird ſich erſt der eigenthümliche<lb/>
Glanz der Staatskunſt entfalten. Nichts thun, und wenn<lb/>
man in der Klemme ſteckt, ſich juſtificiren und glorifici¬<lb/>
ren, daß man die Hände in den Schooß gelegt. Warten<lb/>
Sie nur auf die herrlichen Staatsſchriften und Zei¬<lb/>
tungsartikel. Das wird ſalbungsvoll riechen. Mit<lb/>
Humanität und Philoſophie und Chriſtenthum wird<lb/>
man dem Volk beweiſen, daß die Weisheit ſelbſt nicht<lb/>
weiſer hätte handeln können. Die guten Bürger<lb/>
werden ſich die Augen wiſchen vor Rührung, und<lb/>
das „Heil dir im Siegerkranz“ wird noch einmal ſo<lb/>ſchön klingen, als wenn der König geſiegt hätte.<lb/>
Man wird auf uns hetzen, die wir gehetzt haben, bis<lb/>
das Volk es glaubt, daß wir nur ehrgeizige, unruhige<lb/>
Köpfe waren. Sie glauben nicht, was dies Volk<lb/>
glaubt, wenn man ihm ſagt, daß wir ſeine Fleiſch¬<lb/>
töpfe am Feuer verrücken wollten. Man wird anrüchig<lb/></p></div></body></text></TEI>
[295/0305]
ſie ſich. Man darf doch nicht gegen den Strom
ſchwimmen. Es gab ſanfte Händedrücke, beinahe kam's
zu Umarmungen.“
„Finis Germaniae!“ ſeufzte der Rath.
„Gott bewahre! Der Fiſch Germanien kann noch
lange zappeln. Tauſend Harpunen ihm ins Herz,
ſein Blut ins Meer verſpritzt, er lebt doch, er iſt
eine geduldige Beſtie und ſchnappt immer wieder nach
jedem neuen glänzenden Köder, den ihm ein liſtiger
Nachbar hinwirft. Will er nicht, ſo braucht er nur
zu drohen, dann frißt er doch.“
„Genug! Leben Sie wohl!“
„Nein, Beſter, jetzt wird ſich erſt der eigenthümliche
Glanz der Staatskunſt entfalten. Nichts thun, und wenn
man in der Klemme ſteckt, ſich juſtificiren und glorifici¬
ren, daß man die Hände in den Schooß gelegt. Warten
Sie nur auf die herrlichen Staatsſchriften und Zei¬
tungsartikel. Das wird ſalbungsvoll riechen. Mit
Humanität und Philoſophie und Chriſtenthum wird
man dem Volk beweiſen, daß die Weisheit ſelbſt nicht
weiſer hätte handeln können. Die guten Bürger
werden ſich die Augen wiſchen vor Rührung, und
das „Heil dir im Siegerkranz“ wird noch einmal ſo
ſchön klingen, als wenn der König geſiegt hätte.
Man wird auf uns hetzen, die wir gehetzt haben, bis
das Volk es glaubt, daß wir nur ehrgeizige, unruhige
Köpfe waren. Sie glauben nicht, was dies Volk
glaubt, wenn man ihm ſagt, daß wir ſeine Fleiſch¬
töpfe am Feuer verrücken wollten. Man wird anrüchig
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/305>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.