zürnen, und erzürnen wollte Niemand den geliebten Monarchen.
Aber etwas mußte geschehen, das fühlte Jeder. So konnte man nicht auseinander gehen. Die Logen¬ schließer hatten unter den Enveloppen der Damen Blumenkränze gesehen; oder waren es schon Lorbeer¬ kränze? Auf irgend ein Haupt sie zu drücken, dazu waren sie doch mitgenommen. Aber wo war das Haupt, wo der Eine, der eine solche Masse wecken, begeistern, führen konnte? -- Wohl gab es Einen, einen noch jugendlichen, genialen Prinzen vom kühnsten Geiste und bewährtem Muthe. Sein Schwert hatte Franzosenblut getrunken, ritterlich hatte er sich mehr als einmal in die Schaaren der Feinde geworfen und -- dem unüberwundenen Helden hätte man alle seine Schwächen vergeben, er wäre der Mann des Volkes gewesen, und wäre er vorgesprungen, da auf eine Erhöhung, und hätte den Degen blitzen lassen im Scheine der Theaterflammen, nur wenige kräftige Worte, -- möglich war es, daß es ein Ernst ward, dessen Folgen Niemand berechnet. Aber diesen Einen fesselten Rücksichten, er knirschte im verhaltenen Grimm in seinen vier Wänden; er zückte den Pallasch, um ihn wieder in die Scheide zu stoßen, er sah nach den Wolken, und lauschte auf den Gallop eines Pferdes, ob es die Ordonnanz war, die das heiß ersehnte Wort brachte. Er hatte sein Wort geben müssen, heut nicht im Theater zu erscheinen. "Scharf geschliffen und von vorn herein die Spitze abge¬
zürnen, und erzürnen wollte Niemand den geliebten Monarchen.
Aber etwas mußte geſchehen, das fühlte Jeder. So konnte man nicht auseinander gehen. Die Logen¬ ſchließer hatten unter den Enveloppen der Damen Blumenkränze geſehen; oder waren es ſchon Lorbeer¬ kränze? Auf irgend ein Haupt ſie zu drücken, dazu waren ſie doch mitgenommen. Aber wo war das Haupt, wo der Eine, der eine ſolche Maſſe wecken, begeiſtern, führen konnte? — Wohl gab es Einen, einen noch jugendlichen, genialen Prinzen vom kühnſten Geiſte und bewährtem Muthe. Sein Schwert hatte Franzoſenblut getrunken, ritterlich hatte er ſich mehr als einmal in die Schaaren der Feinde geworfen und — dem unüberwundenen Helden hätte man alle ſeine Schwächen vergeben, er wäre der Mann des Volkes geweſen, und wäre er vorgeſprungen, da auf eine Erhöhung, und hätte den Degen blitzen laſſen im Scheine der Theaterflammen, nur wenige kräftige Worte, — möglich war es, daß es ein Ernſt ward, deſſen Folgen Niemand berechnet. Aber dieſen Einen feſſelten Rückſichten, er knirſchte im verhaltenen Grimm in ſeinen vier Wänden; er zückte den Pallaſch, um ihn wieder in die Scheide zu ſtoßen, er ſah nach den Wolken, und lauſchte auf den Gallop eines Pferdes, ob es die Ordonnanz war, die das heiß erſehnte Wort brachte. Er hatte ſein Wort geben müſſen, heut nicht im Theater zu erſcheinen. „Scharf geſchliffen und von vorn herein die Spitze abge¬
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zürnen, und erzürnen wollte Niemand den geliebten
Monarchen.
Aber etwas mußte geſchehen, das fühlte Jeder.
So konnte man nicht auseinander gehen. Die Logen¬
ſchließer hatten unter den Enveloppen der Damen
Blumenkränze geſehen; oder waren es ſchon Lorbeer¬
kränze? Auf irgend ein Haupt ſie zu drücken, dazu
waren ſie doch mitgenommen. Aber wo war das
Haupt, wo der Eine, der eine ſolche Maſſe wecken,
begeiſtern, führen konnte? — Wohl gab es Einen,
einen noch jugendlichen, genialen Prinzen vom kühnſten
Geiſte und bewährtem Muthe. Sein Schwert hatte
Franzoſenblut getrunken, ritterlich hatte er ſich mehr
als einmal in die Schaaren der Feinde geworfen
und — dem unüberwundenen Helden hätte man alle
ſeine Schwächen vergeben, er wäre der Mann des
Volkes geweſen, und wäre er vorgeſprungen, da auf
eine Erhöhung, und hätte den Degen blitzen laſſen
im Scheine der Theaterflammen, nur wenige kräftige
Worte, — möglich war es, daß es ein Ernſt ward,
deſſen Folgen Niemand berechnet. Aber dieſen Einen
feſſelten Rückſichten, er knirſchte im verhaltenen Grimm
in ſeinen vier Wänden; er zückte den Pallaſch, um
ihn wieder in die Scheide zu ſtoßen, er ſah nach
den Wolken, und lauſchte auf den Gallop eines
Pferdes, ob es die Ordonnanz war, die das heiß
erſehnte Wort brachte. Er hatte ſein Wort geben
müſſen, heut nicht im Theater zu erſcheinen. „Scharf
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/272>, abgerufen am 24.11.2024.
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