"Sie richtet sich auf, sagte Bovillard. O eine wahre Patriotin!"
Herr Reibedanz rief zur Thür herein: "Machen Sie schnell, meine Herrschaften, der Vorhang geht auf."
"Sie muß mit, sprach die Geheimräthin. Sie hat die Kraft, sich selbst zu genügen."
"Ich glaube auch, sagte die Fürstin. Herr von Bovillard, unterstützen Sie ihren Arm, sie will auf¬ stehen."
"Bovillard!" wiederholte Adelheid mit der süßen Stimme einer Träumenden, die aus einem lieblichen Traum erwacht, und erhob sich.
"Geliebtes Kind!" sprach die Geheimräthin, ihr entgegen tretend.
Aber derselbe Traum mußte auch bittere Er¬ scheinungen ihr vorgegaukelt haben, denn als ihr Auge auf die Pflegemutter fiel, welche die Arme gegen sie ausbreitete, stieß sie dieselben mit einer krampfhaften Bewegung zurück. Das träumerische Auge veränderte seinen Ausdruck, ein Entsetzen wie mit Zorn gemischt schien aus der tiefsten Seele aufzusteigen und lieh dem Augapfel einen Glanz, vor dem man erschrak. Wie kam dieser Blick in das Auge einer Jungfrau! Die Fürstin hatte eben so rasch es bemerkt, als sie mit der huld¬ vollsten Freundlichkeit Adelheid unterfaßte: "Bovil¬ lard, geben Sie ihr den Arm, wir führen unsre Patientin."
„Sie richtet ſich auf, ſagte Bovillard. O eine wahre Patriotin!“
Herr Reibedanz rief zur Thür herein: „Machen Sie ſchnell, meine Herrſchaften, der Vorhang geht auf.“
„Sie muß mit, ſprach die Geheimräthin. Sie hat die Kraft, ſich ſelbſt zu genügen.“
„Ich glaube auch, ſagte die Fürſtin. Herr von Bovillard, unterſtützen Sie ihren Arm, ſie will auf¬ ſtehen.“
„Bovillard!“ wiederholte Adelheid mit der ſüßen Stimme einer Träumenden, die aus einem lieblichen Traum erwacht, und erhob ſich.
„Geliebtes Kind!“ ſprach die Geheimräthin, ihr entgegen tretend.
Aber derſelbe Traum mußte auch bittere Er¬ ſcheinungen ihr vorgegaukelt haben, denn als ihr Auge auf die Pflegemutter fiel, welche die Arme gegen ſie ausbreitete, ſtieß ſie dieſelben mit einer krampfhaften Bewegung zurück. Das träumeriſche Auge veränderte ſeinen Ausdruck, ein Entſetzen wie mit Zorn gemiſcht ſchien aus der tiefſten Seele aufzuſteigen und lieh dem Augapfel einen Glanz, vor dem man erſchrak. Wie kam dieſer Blick in das Auge einer Jungfrau! Die Fürſtin hatte eben ſo raſch es bemerkt, als ſie mit der huld¬ vollſten Freundlichkeit Adelheid unterfaßte: „Bovil¬ lard, geben Sie ihr den Arm, wir führen unſre Patientin.“
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„Sie richtet ſich auf, ſagte Bovillard. O eine
wahre Patriotin!“
Herr Reibedanz rief zur Thür herein: „Machen
Sie ſchnell, meine Herrſchaften, der Vorhang geht
auf.“
„Sie muß mit, ſprach die Geheimräthin. Sie
hat die Kraft, ſich ſelbſt zu genügen.“
„Ich glaube auch, ſagte die Fürſtin. Herr von
Bovillard, unterſtützen Sie ihren Arm, ſie will auf¬
ſtehen.“
„Bovillard!“ wiederholte Adelheid mit der ſüßen
Stimme einer Träumenden, die aus einem lieblichen
Traum erwacht, und erhob ſich.
„Geliebtes Kind!“ ſprach die Geheimräthin, ihr
entgegen tretend.
Aber derſelbe Traum mußte auch bittere Er¬
ſcheinungen ihr vorgegaukelt haben, denn als ihr
Auge auf die Pflegemutter fiel, welche die Arme
gegen ſie ausbreitete, ſtieß ſie dieſelben mit einer
krampfhaften Bewegung zurück. Das träumeriſche
Auge veränderte ſeinen Ausdruck, ein Entſetzen
wie mit Zorn gemiſcht ſchien aus der tiefſten
Seele aufzuſteigen und lieh dem Augapfel einen
Glanz, vor dem man erſchrak. Wie kam dieſer
Blick in das Auge einer Jungfrau! Die Fürſtin
hatte eben ſo raſch es bemerkt, als ſie mit der huld¬
vollſten Freundlichkeit Adelheid unterfaßte: „Bovil¬
lard, geben Sie ihr den Arm, wir führen unſre
Patientin.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/265>, abgerufen am 08.07.2024.
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