doch das Gescheidteste!" flüsterte Wandel der Geheim¬ räthin zu. Sie blickte ihn fragend an. "Sie be¬ zweifeln, daß ich als Ihr Freund spreche. Mein Rath sollte Ihnen beweisen, daß ich es bin. Ich sage nicht, daß Sie eine Natter sich im Busen erzogen haben, aber in dem Mädchen ist etwas Dämonisches. Bil¬ dete sie sich nach Ihnen? Schlug nur einer Ihrer Rathschläge an? Sie müssen sich gestehen, daß das Mädchen unberührt blieb, gleichviel ob im Guten oder Bösen. Aber Sie sind nicht mehr Herrin Ihrer selbst, seit dieses Gewicht an Ihnen hängt, ihr kluges Auge, ihr scharfes Ohr Ihre Schritte und Tritte, ich möchte sagen, Ihre Gedanken belauscht. Fast erkenne ich meine stolze, sichere Freundin nicht wieder, wenn ich die Rücksichten sehe, die sie auf ein in jeder Be¬ ziehung untergeordnetes Wesen nimmt. Aber sie ist nicht, sie kann nicht untergeordnet sein ihrer Natur nach, das ist eben das Dämonische, was ein frei denkendes Wesen nicht neben sich dulden dürfte. Bringt sie nicht Unglück in jedes Haus, in das sie tritt! Dort -- hier. Ueberrechnen Sie die Verlegenheiten, in die Ihre Güte gegen Adelheid Sie gestürzt, und ziehen Sie den Schluß, welches von beiden Uebeln größer ist, daß die Welt wieder einmal acht Tage über Sie lästert, oder -- daß Sie frei, Sie selbst wieder sind. Wählen Sie das Kleinere, und ergreifen die erste Gelegenheit."
Die Ouverture schloß mit Anklängen aus dem Dessauer Marsch.
doch das Geſcheidteſte!“ flüſterte Wandel der Geheim¬ räthin zu. Sie blickte ihn fragend an. „Sie be¬ zweifeln, daß ich als Ihr Freund ſpreche. Mein Rath ſollte Ihnen beweiſen, daß ich es bin. Ich ſage nicht, daß Sie eine Natter ſich im Buſen erzogen haben, aber in dem Mädchen iſt etwas Dämoniſches. Bil¬ dete ſie ſich nach Ihnen? Schlug nur einer Ihrer Rathſchläge an? Sie müſſen ſich geſtehen, daß das Mädchen unberührt blieb, gleichviel ob im Guten oder Böſen. Aber Sie ſind nicht mehr Herrin Ihrer ſelbſt, ſeit dieſes Gewicht an Ihnen hängt, ihr kluges Auge, ihr ſcharfes Ohr Ihre Schritte und Tritte, ich möchte ſagen, Ihre Gedanken belauſcht. Faſt erkenne ich meine ſtolze, ſichere Freundin nicht wieder, wenn ich die Rückſichten ſehe, die ſie auf ein in jeder Be¬ ziehung untergeordnetes Weſen nimmt. Aber ſie iſt nicht, ſie kann nicht untergeordnet ſein ihrer Natur nach, das iſt eben das Dämoniſche, was ein frei denkendes Weſen nicht neben ſich dulden dürfte. Bringt ſie nicht Unglück in jedes Haus, in das ſie tritt! Dort — hier. Ueberrechnen Sie die Verlegenheiten, in die Ihre Güte gegen Adelheid Sie geſtürzt, und ziehen Sie den Schluß, welches von beiden Uebeln größer iſt, daß die Welt wieder einmal acht Tage über Sie läſtert, oder — daß Sie frei, Sie ſelbſt wieder ſind. Wählen Sie das Kleinere, und ergreifen die erſte Gelegenheit.“
Die Ouverture ſchloß mit Anklängen aus dem Deſſauer Marſch.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0264"n="254"/>
doch das Geſcheidteſte!“ flüſterte Wandel der Geheim¬<lb/>
räthin zu. Sie blickte ihn fragend an. „Sie be¬<lb/>
zweifeln, daß ich als Ihr Freund ſpreche. Mein Rath<lb/>ſollte Ihnen beweiſen, daß ich es bin. Ich ſage nicht,<lb/>
daß Sie eine Natter ſich im Buſen erzogen haben,<lb/>
aber in dem Mädchen iſt etwas Dämoniſches. Bil¬<lb/>
dete ſie ſich nach Ihnen? Schlug nur einer Ihrer<lb/>
Rathſchläge an? Sie müſſen ſich geſtehen, daß das<lb/>
Mädchen unberührt blieb, gleichviel ob im Guten<lb/>
oder Böſen. Aber Sie ſind nicht mehr Herrin Ihrer<lb/>ſelbſt, ſeit dieſes Gewicht an Ihnen hängt, ihr kluges<lb/>
Auge, ihr ſcharfes Ohr Ihre Schritte und Tritte, ich<lb/>
möchte ſagen, Ihre Gedanken belauſcht. Faſt erkenne<lb/>
ich meine ſtolze, ſichere Freundin nicht wieder, wenn<lb/>
ich die Rückſichten ſehe, die ſie auf ein in jeder Be¬<lb/>
ziehung untergeordnetes Weſen nimmt. Aber ſie iſt<lb/>
nicht, ſie kann nicht untergeordnet ſein ihrer Natur<lb/>
nach, das iſt eben das Dämoniſche, was ein frei<lb/>
denkendes Weſen nicht neben ſich dulden dürfte. Bringt<lb/>ſie nicht Unglück in jedes Haus, in das ſie tritt!<lb/>
Dort — hier. Ueberrechnen Sie die Verlegenheiten,<lb/>
in die Ihre Güte gegen Adelheid Sie geſtürzt, und<lb/>
ziehen Sie den Schluß, welches von beiden Uebeln<lb/>
größer iſt, daß die Welt wieder einmal acht Tage<lb/>
über Sie läſtert, oder — daß Sie frei, Sie ſelbſt wieder<lb/>ſind. Wählen Sie das Kleinere, und ergreifen die<lb/>
erſte Gelegenheit.“</p><lb/><p>Die Ouverture ſchloß mit Anklängen aus dem<lb/>
Deſſauer Marſch.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[254/0264]
doch das Geſcheidteſte!“ flüſterte Wandel der Geheim¬
räthin zu. Sie blickte ihn fragend an. „Sie be¬
zweifeln, daß ich als Ihr Freund ſpreche. Mein Rath
ſollte Ihnen beweiſen, daß ich es bin. Ich ſage nicht,
daß Sie eine Natter ſich im Buſen erzogen haben,
aber in dem Mädchen iſt etwas Dämoniſches. Bil¬
dete ſie ſich nach Ihnen? Schlug nur einer Ihrer
Rathſchläge an? Sie müſſen ſich geſtehen, daß das
Mädchen unberührt blieb, gleichviel ob im Guten
oder Böſen. Aber Sie ſind nicht mehr Herrin Ihrer
ſelbſt, ſeit dieſes Gewicht an Ihnen hängt, ihr kluges
Auge, ihr ſcharfes Ohr Ihre Schritte und Tritte, ich
möchte ſagen, Ihre Gedanken belauſcht. Faſt erkenne
ich meine ſtolze, ſichere Freundin nicht wieder, wenn
ich die Rückſichten ſehe, die ſie auf ein in jeder Be¬
ziehung untergeordnetes Weſen nimmt. Aber ſie iſt
nicht, ſie kann nicht untergeordnet ſein ihrer Natur
nach, das iſt eben das Dämoniſche, was ein frei
denkendes Weſen nicht neben ſich dulden dürfte. Bringt
ſie nicht Unglück in jedes Haus, in das ſie tritt!
Dort — hier. Ueberrechnen Sie die Verlegenheiten,
in die Ihre Güte gegen Adelheid Sie geſtürzt, und
ziehen Sie den Schluß, welches von beiden Uebeln
größer iſt, daß die Welt wieder einmal acht Tage
über Sie läſtert, oder — daß Sie frei, Sie ſelbſt wieder
ſind. Wählen Sie das Kleinere, und ergreifen die
erſte Gelegenheit.“
Die Ouverture ſchloß mit Anklängen aus dem
Deſſauer Marſch.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/264>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.