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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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mir der eigentliche Grund der Krankheit nicht un¬
bekannt blieb."

Die Geheimräthin hatte sich wieder gefunden:
"Der eigentliche Grund der Krankheit kann denen
nicht unbekannt sein, die von dem überschwänglichen
Gemüth des jungen Mädchens unterrichtet sind.
Patriotin bis in die äußersten Fibern ihrer Seele,
hat sie seit vierzehn Tagen an einer Fahne für un¬
sere Garnison gestickt, und mich und sich um ihre
Nächte betrogen. Erst heute Morgen entdeckte ich es,
und es hatte leider eine lebhafte Scene zur Folge,
die ich jetzt bereue, und zu der mich doch die Pflicht
für die Gesundheit des Mädchens trieb. -- Man
hat etwas mehr zu sorgen für fremde als für
eigene Kinder," setzte sie mit einem feierlichen Tone,
der Resignation oder des gekränkten Bewußtseins,
hinzu.

"Um dem Gerede der Leute zu entgehen," sagte
die Fürstin.

"Auf Dank rechne Niemand, der Pflichten über¬
nimmt, die über seine Pflicht gehen," bemerkte der
Legationsrath.

"Aber wir Alle sind Ihnen dankbar, fiel die
Fürstin besänftigend ein, für die geschickte Weise, wie
Sie das Kind, und noch zu rechter Zeit, aus der
Loge führten. Ich bewunderte Madame Lupinus wirk¬
lich, und, Gott sei gelobt, es hat gar kein Aufsehen
erregt. -- Sie athmet."

"Aber noch geschlossene Augen."

mir der eigentliche Grund der Krankheit nicht un¬
bekannt blieb.“

Die Geheimräthin hatte ſich wieder gefunden:
„Der eigentliche Grund der Krankheit kann denen
nicht unbekannt ſein, die von dem überſchwänglichen
Gemüth des jungen Mädchens unterrichtet ſind.
Patriotin bis in die äußerſten Fibern ihrer Seele,
hat ſie ſeit vierzehn Tagen an einer Fahne für un¬
ſere Garniſon geſtickt, und mich und ſich um ihre
Nächte betrogen. Erſt heute Morgen entdeckte ich es,
und es hatte leider eine lebhafte Scene zur Folge,
die ich jetzt bereue, und zu der mich doch die Pflicht
für die Geſundheit des Mädchens trieb. — Man
hat etwas mehr zu ſorgen für fremde als für
eigene Kinder,“ ſetzte ſie mit einem feierlichen Tone,
der Reſignation oder des gekränkten Bewußtſeins,
hinzu.

„Um dem Gerede der Leute zu entgehen,“ ſagte
die Fürſtin.

„Auf Dank rechne Niemand, der Pflichten über¬
nimmt, die über ſeine Pflicht gehen,“ bemerkte der
Legationsrath.

„Aber wir Alle ſind Ihnen dankbar, fiel die
Fürſtin beſänftigend ein, für die geſchickte Weiſe, wie
Sie das Kind, und noch zu rechter Zeit, aus der
Loge führten. Ich bewunderte Madame Lupinus wirk¬
lich, und, Gott ſei gelobt, es hat gar kein Aufſehen
erregt. — Sie athmet.“

„Aber noch geſchloſſene Augen.“

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[251/0261] mir der eigentliche Grund der Krankheit nicht un¬ bekannt blieb.“ Die Geheimräthin hatte ſich wieder gefunden: „Der eigentliche Grund der Krankheit kann denen nicht unbekannt ſein, die von dem überſchwänglichen Gemüth des jungen Mädchens unterrichtet ſind. Patriotin bis in die äußerſten Fibern ihrer Seele, hat ſie ſeit vierzehn Tagen an einer Fahne für un¬ ſere Garniſon geſtickt, und mich und ſich um ihre Nächte betrogen. Erſt heute Morgen entdeckte ich es, und es hatte leider eine lebhafte Scene zur Folge, die ich jetzt bereue, und zu der mich doch die Pflicht für die Geſundheit des Mädchens trieb. — Man hat etwas mehr zu ſorgen für fremde als für eigene Kinder,“ ſetzte ſie mit einem feierlichen Tone, der Reſignation oder des gekränkten Bewußtſeins, hinzu. „Um dem Gerede der Leute zu entgehen,“ ſagte die Fürſtin. „Auf Dank rechne Niemand, der Pflichten über¬ nimmt, die über ſeine Pflicht gehen,“ bemerkte der Legationsrath. „Aber wir Alle ſind Ihnen dankbar, fiel die Fürſtin beſänftigend ein, für die geſchickte Weiſe, wie Sie das Kind, und noch zu rechter Zeit, aus der Loge führten. Ich bewunderte Madame Lupinus wirk¬ lich, und, Gott ſei gelobt, es hat gar kein Aufſehen erregt. — Sie athmet.“ „Aber noch geſchloſſene Augen.“

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/261>, abgerufen am 24.11.2024.