Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852."Leiden Sie oft an solchen Visionen?" "Begreif es einer, warum ich an einen Kirchhof "Hier?" "Und sie wie das weiße Bild des Todes. Wen "Ihre Lectüre echauffirt Sie, theuerster Freund. Er konnte nicht ausreden. Der Geheimrath "Nichts als ein Schwindel, theuerster Geheim¬ „Leiden Sie oft an ſolchen Viſionen?“ „Begreif es einer, warum ich an einen Kirchhof „Hier?“ „Und ſie wie das weiße Bild des Todes. Wen „Ihre Lectüre echauffirt Sie, theuerſter Freund. Er konnte nicht ausreden. Der Geheimrath „Nichts als ein Schwindel, theuerſter Geheim¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0257" n="247"/> <p>„Leiden Sie oft an ſolchen Viſionen?“</p><lb/> <p>„Begreif es einer, warum ich an einen Kirchhof<lb/> denken mußte.“</p><lb/> <p>„Hier?“</p><lb/> <p>„Und ſie wie das weiße Bild des Todes. Wen<lb/> ſie anſieht und küßt, der müßte ſterben.“</p><lb/> <p>„Ihre Lectüre echauffirt Sie, theuerſter Freund.<lb/> Dieſes junge Genie, der Chateaubriand, reizt die<lb/> Phantaſie auf. Unwillkürlich beſchwört er Geiſter,<lb/> die für unſre Atmoſphäre nicht paſſen. Ich möchte<lb/> Ihnen dagegen als calmirende Lectüre ein treffliches<lb/> Buch empfehlen, welches eben erſchienen iſt, —<lb/> Wagners Geſpenſter. Leſen Sie darin vorm Ein¬<lb/> ſchlafen einige Geſchichten, Sie werden davon eine<lb/> vortreffliche Wirkung empfinden. Es konnte kein<lb/> beſſeres Gegengift gegen die romantiſchen Schwärme¬<lb/> reien gerade jetzt auftreten, wo ſelbſt bei den Fran¬<lb/> zoſen —“</p><lb/> <p>Er konnte nicht ausreden. Der Geheimrath<lb/> war über die hintern Stühle geklettert und zur Loge<lb/> hinaus. Wandel, der raſch gefolgt, ließ ihm in der<lb/> Conditorei ein Glas Zuckerwaſſer bereiten, in das<lb/> er Hoffmannstropfen goß.</p><lb/> <p>„Nichts als ein Schwindel, theuerſter Geheim¬<lb/> rath, begreiflich, wenn Sie an die Eventualitäten des<lb/> Krieges dachten. Da ſieht man wohl Leichen und<lb/> Kirchhöfe. Wie mancher dieſer exaltirten Mili¬<lb/> tairs wird kalt und ſtumm auf dem Schlachtfeld<lb/> liegen, wenn ihre Wünſche in Erfüllung gehen. Auch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [247/0257]
„Leiden Sie oft an ſolchen Viſionen?“
„Begreif es einer, warum ich an einen Kirchhof
denken mußte.“
„Hier?“
„Und ſie wie das weiße Bild des Todes. Wen
ſie anſieht und küßt, der müßte ſterben.“
„Ihre Lectüre echauffirt Sie, theuerſter Freund.
Dieſes junge Genie, der Chateaubriand, reizt die
Phantaſie auf. Unwillkürlich beſchwört er Geiſter,
die für unſre Atmoſphäre nicht paſſen. Ich möchte
Ihnen dagegen als calmirende Lectüre ein treffliches
Buch empfehlen, welches eben erſchienen iſt, —
Wagners Geſpenſter. Leſen Sie darin vorm Ein¬
ſchlafen einige Geſchichten, Sie werden davon eine
vortreffliche Wirkung empfinden. Es konnte kein
beſſeres Gegengift gegen die romantiſchen Schwärme¬
reien gerade jetzt auftreten, wo ſelbſt bei den Fran¬
zoſen —“
Er konnte nicht ausreden. Der Geheimrath
war über die hintern Stühle geklettert und zur Loge
hinaus. Wandel, der raſch gefolgt, ließ ihm in der
Conditorei ein Glas Zuckerwaſſer bereiten, in das
er Hoffmannstropfen goß.
„Nichts als ein Schwindel, theuerſter Geheim¬
rath, begreiflich, wenn Sie an die Eventualitäten des
Krieges dachten. Da ſieht man wohl Leichen und
Kirchhöfe. Wie mancher dieſer exaltirten Mili¬
tairs wird kalt und ſtumm auf dem Schlachtfeld
liegen, wenn ihre Wünſche in Erfüllung gehen. Auch
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