von mir loskommen; aber zu Deinen Eltern willst Du auch nicht zurück. In der vornehmeren Stellung, in welche sie gerückt sind, und welche Dir allenfalls den äußern Glanz bietet, an dem Du Dich nun ge¬ wöhnt hast, würdest Du Dich noch weniger behagen; ihre neuen Kreise sprechen Dein ästhetisches Gefühl nicht an. Du bemerkst vielleicht schon manches Lächer¬ liche in den Prätensionen, die sie machen. Als gutes Kind giebst Du Dir Mühe diese Regung zu unter¬ drücken; aber Du würdest sehr unglücklich sein, so¬ wohl in den alten beschränkten Verhältnissen, als in den ausstaffirten neuen. Um aus diesem Dilemma zu kommen, von mir los, und nicht zu Deinen El¬ tern zurück, drängt es Dich, und Du drängst vielleicht auch ihn, daß Walter eine Stellung bekomme, wo er Dich heirathen kann. Mit einer fieberhaften Angst hast Du Dich auf dies Thema geworfen, und machst ihm immer neue Vorschläge, wie er es anfangen soll. Du quälst Dich, ihn, Deine Eltern, seinen Vater, uns alle. Das weißt Du auch recht gut, denn Du weißt, daß Walter an ganz anderes denkt als an Dich und sich, aber Du thust es doch, weil Du in einer Art Fieber bist. Du betrachtest es als eine Destination, Dich als ein Opferlamm, und mit aller¬ hand hochherzigen Vorspiegelungen schilderst Du dann als ein erhabenes Ziel der Selbstverleugnung, was doch nichts ist, als der Nothhafen, wohin der Schiffer in seiner letzten Verzweiflung steuert. Und wenn Du ihn nun geheirathet hast --"
von mir loskommen; aber zu Deinen Eltern willſt Du auch nicht zurück. In der vornehmeren Stellung, in welche ſie gerückt ſind, und welche Dir allenfalls den äußern Glanz bietet, an dem Du Dich nun ge¬ wöhnt haſt, würdeſt Du Dich noch weniger behagen; ihre neuen Kreiſe ſprechen Dein äſthetiſches Gefühl nicht an. Du bemerkſt vielleicht ſchon manches Lächer¬ liche in den Prätenſionen, die ſie machen. Als gutes Kind giebſt Du Dir Mühe dieſe Regung zu unter¬ drücken; aber Du würdeſt ſehr unglücklich ſein, ſo¬ wohl in den alten beſchränkten Verhältniſſen, als in den ausſtaffirten neuen. Um aus dieſem Dilemma zu kommen, von mir los, und nicht zu Deinen El¬ tern zurück, drängt es Dich, und Du drängſt vielleicht auch ihn, daß Walter eine Stellung bekomme, wo er Dich heirathen kann. Mit einer fieberhaften Angſt haſt Du Dich auf dies Thema geworfen, und machſt ihm immer neue Vorſchläge, wie er es anfangen ſoll. Du quälſt Dich, ihn, Deine Eltern, ſeinen Vater, uns alle. Das weißt Du auch recht gut, denn Du weißt, daß Walter an ganz anderes denkt als an Dich und ſich, aber Du thuſt es doch, weil Du in einer Art Fieber biſt. Du betrachteſt es als eine Deſtination, Dich als ein Opferlamm, und mit aller¬ hand hochherzigen Vorſpiegelungen ſchilderſt Du dann als ein erhabenes Ziel der Selbſtverleugnung, was doch nichts iſt, als der Nothhafen, wohin der Schiffer in ſeiner letzten Verzweiflung ſteuert. Und wenn Du ihn nun geheirathet haſt —“
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[215/0225]
von mir loskommen; aber zu Deinen Eltern willſt
Du auch nicht zurück. In der vornehmeren Stellung,
in welche ſie gerückt ſind, und welche Dir allenfalls
den äußern Glanz bietet, an dem Du Dich nun ge¬
wöhnt haſt, würdeſt Du Dich noch weniger behagen;
ihre neuen Kreiſe ſprechen Dein äſthetiſches Gefühl
nicht an. Du bemerkſt vielleicht ſchon manches Lächer¬
liche in den Prätenſionen, die ſie machen. Als gutes
Kind giebſt Du Dir Mühe dieſe Regung zu unter¬
drücken; aber Du würdeſt ſehr unglücklich ſein, ſo¬
wohl in den alten beſchränkten Verhältniſſen, als in
den ausſtaffirten neuen. Um aus dieſem Dilemma
zu kommen, von mir los, und nicht zu Deinen El¬
tern zurück, drängt es Dich, und Du drängſt vielleicht
auch ihn, daß Walter eine Stellung bekomme, wo er
Dich heirathen kann. Mit einer fieberhaften Angſt
haſt Du Dich auf dies Thema geworfen, und machſt
ihm immer neue Vorſchläge, wie er es anfangen ſoll.
Du quälſt Dich, ihn, Deine Eltern, ſeinen Vater,
uns alle. Das weißt Du auch recht gut, denn Du
weißt, daß Walter an ganz anderes denkt als an
Dich und ſich, aber Du thuſt es doch, weil Du in
einer Art Fieber biſt. Du betrachteſt es als eine
Deſtination, Dich als ein Opferlamm, und mit aller¬
hand hochherzigen Vorſpiegelungen ſchilderſt Du dann
als ein erhabenes Ziel der Selbſtverleugnung, was
doch nichts iſt, als der Nothhafen, wohin der
Schiffer in ſeiner letzten Verzweiflung ſteuert. Und
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/225>, abgerufen am 22.11.2024.
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