für ihn gegeben hat, wie lange man ihn schonen, wann der Vertilgungskrieg losgehn soll. Nach eben solchen Gesetzen schont ein kluger Herr die von ihm abhängig, nicht aus Liebe, nur um seines Vortheils willen. Er spart ihre Kräfte auf, um sie am besten zu nutzen. Der Wurm und der Hirsch lehnen sich vergeblich gegen ihre Ueberwinder auf; unter den Menschen glückt es unterweilen dem Einen und dem Andern, durch List, Ausdauer, frei und Herr zu werden über seine Unterdrücker, und dieser Prozeß ist unsere Geschichte. Aber wenn sie es sind, dann machen die Sieger es nicht besser und anders; sie unterdrücken, quälen und martern wieder, wie sie gemartert wurden. Das ist auch Geschichte, mein Kind. Findest Du es so unnatürlich, daß man lieber sticht als gestochen wird?"
"Ich freue mich, daß ein harmloses Mädchen nicht in Verlegenheit kommt, wählen zu müssen.
Die Lupinus lächelte: "Warum unser Verhältniß durch Unwahrheit erschweren, mein Kind. Zwischen uns muß Wahrheit sein. Ich ertrage sie, Du kannst es auch. Du wirst noch mehr ertragen müssen."
"Mein Gott, was ist denn zwischen uns Wahr¬ heit?" rief Adelheid, und erschrak, als es über ihre Lippen war.
"Du sprichst es eben aus. Wir sind zusammen ge¬ würfelt und passen nicht zu einander. Wir gefallen uns nicht, und müssen doch vor den Menschen die Miene an¬ nehmen, als wenn wir uns liebten. Auf Deinen Lippen
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für ihn gegeben hat, wie lange man ihn ſchonen, wann der Vertilgungskrieg losgehn ſoll. Nach eben ſolchen Geſetzen ſchont ein kluger Herr die von ihm abhängig, nicht aus Liebe, nur um ſeines Vortheils willen. Er ſpart ihre Kräfte auf, um ſie am beſten zu nutzen. Der Wurm und der Hirſch lehnen ſich vergeblich gegen ihre Ueberwinder auf; unter den Menſchen glückt es unterweilen dem Einen und dem Andern, durch Liſt, Ausdauer, frei und Herr zu werden über ſeine Unterdrücker, und dieſer Prozeß iſt unſere Geſchichte. Aber wenn ſie es ſind, dann machen die Sieger es nicht beſſer und anders; ſie unterdrücken, quälen und martern wieder, wie ſie gemartert wurden. Das iſt auch Geſchichte, mein Kind. Findeſt Du es ſo unnatürlich, daß man lieber ſticht als geſtochen wird?“
„Ich freue mich, daß ein harmloſes Mädchen nicht in Verlegenheit kommt, wählen zu müſſen.
Die Lupinus lächelte: „Warum unſer Verhältniß durch Unwahrheit erſchweren, mein Kind. Zwiſchen uns muß Wahrheit ſein. Ich ertrage ſie, Du kannſt es auch. Du wirſt noch mehr ertragen müſſen.“
„Mein Gott, was iſt denn zwiſchen uns Wahr¬ heit?“ rief Adelheid, und erſchrak, als es über ihre Lippen war.
„Du ſprichſt es eben aus. Wir ſind zuſammen ge¬ würfelt und paſſen nicht zu einander. Wir gefallen uns nicht, und müſſen doch vor den Menſchen die Miene an¬ nehmen, als wenn wir uns liebten. Auf Deinen Lippen
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für ihn gegeben hat, wie lange man ihn ſchonen,
wann der Vertilgungskrieg losgehn ſoll. Nach eben
ſolchen Geſetzen ſchont ein kluger Herr die von ihm
abhängig, nicht aus Liebe, nur um ſeines Vortheils
willen. Er ſpart ihre Kräfte auf, um ſie am beſten
zu nutzen. Der Wurm und der Hirſch lehnen ſich
vergeblich gegen ihre Ueberwinder auf; unter den
Menſchen glückt es unterweilen dem Einen und
dem Andern, durch Liſt, Ausdauer, frei und Herr
zu werden über ſeine Unterdrücker, und dieſer Prozeß
iſt unſere Geſchichte. Aber wenn ſie es ſind, dann
machen die Sieger es nicht beſſer und anders; ſie
unterdrücken, quälen und martern wieder, wie ſie
gemartert wurden. Das iſt auch Geſchichte, mein
Kind. Findeſt Du es ſo unnatürlich, daß man lieber
ſticht als geſtochen wird?“
„Ich freue mich, daß ein harmloſes Mädchen
nicht in Verlegenheit kommt, wählen zu müſſen.
Die Lupinus lächelte: „Warum unſer Verhältniß
durch Unwahrheit erſchweren, mein Kind. Zwiſchen
uns muß Wahrheit ſein. Ich ertrage ſie, Du kannſt
es auch. Du wirſt noch mehr ertragen müſſen.“
„Mein Gott, was iſt denn zwiſchen uns Wahr¬
heit?“ rief Adelheid, und erſchrak, als es über ihre
Lippen war.
„Du ſprichſt es eben aus. Wir ſind zuſammen ge¬
würfelt und paſſen nicht zu einander. Wir gefallen uns
nicht, und müſſen doch vor den Menſchen die Miene an¬
nehmen, als wenn wir uns liebten. Auf Deinen Lippen
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/221>, abgerufen am 08.07.2024.
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