Die Geheimräthin war unbemerkt Zeugin des Auftritts gewesen. Sie brachte den Kindern Brätzeln und fragte: ob sie schon Chocolate bekommen?
"Ach du mein Gott, die gestrenge Frau sind auch gar zu gütig gegen die Kleinen! rief Charlotte, die sich umgedreht. Daß wir Ihnen auch so viel Incommodität verursachen! Aber Kinder sind nun mal Kinder, und wer weiß ob sie so was mal wie¬ dersehen, sagte meine Cousine, die Frau Hoflakir. Ja sie gehn alle in den Tod."
"Giebt es einen schönern als fürs Vaterland!" sprach die Geheimräthin mit Erhebung.
"Das sagte mein Wachtmeister auch, Frau Ge¬ heimräthin, aber, nehmen Sie mirs nicht übel, Tod ist doch Tod. Und eingebuddelt werden sie, ohne Sang und Klang, ohne Leichenhemd und ohne Sarg, wo sie stehn und liegen. Und der Fritz will absolut Soldat werden. Ist ein rabbiater Junge. Und mein guter Herr Geheimrath, der die Güte selbst ist, Sie glauben gar nicht, wie er ihm schon auf der Nase spielt. Kinder sind Gottes Segen, o gewiß, aber sie können auch Gottes Fluch werden, wenn sie aus¬ schlagen."
Die Geheimräthin streichelte die Köpfe der Klei¬ nen: "Geht liebe Kinder in die andre Stube und laßt Euch Chocolate geben."
Warum erschrak Charlotte heute nicht vor der Butterbrätzel, welche die Frau mit den spitzen Fingern den Kleinen gab; warum kamen ihr diese Finger
Die Geheimräthin war unbemerkt Zeugin des Auftritts geweſen. Sie brachte den Kindern Brätzeln und fragte: ob ſie ſchon Chocolate bekommen?
„Ach du mein Gott, die geſtrenge Frau ſind auch gar zu gütig gegen die Kleinen! rief Charlotte, die ſich umgedreht. Daß wir Ihnen auch ſo viel Incommodität verurſachen! Aber Kinder ſind nun mal Kinder, und wer weiß ob ſie ſo was mal wie¬ derſehen, ſagte meine Couſine, die Frau Hoflakir. Ja ſie gehn alle in den Tod.“
„Giebt es einen ſchönern als fürs Vaterland!“ ſprach die Geheimräthin mit Erhebung.
„Das ſagte mein Wachtmeiſter auch, Frau Ge¬ heimräthin, aber, nehmen Sie mirs nicht übel, Tod iſt doch Tod. Und eingebuddelt werden ſie, ohne Sang und Klang, ohne Leichenhemd und ohne Sarg, wo ſie ſtehn und liegen. Und der Fritz will abſolut Soldat werden. Iſt ein rabbiater Junge. Und mein guter Herr Geheimrath, der die Güte ſelbſt iſt, Sie glauben gar nicht, wie er ihm ſchon auf der Naſe ſpielt. Kinder ſind Gottes Segen, o gewiß, aber ſie können auch Gottes Fluch werden, wenn ſie aus¬ ſchlagen.“
Die Geheimräthin ſtreichelte die Köpfe der Klei¬ nen: „Geht liebe Kinder in die andre Stube und laßt Euch Chocolate geben.“
Warum erſchrak Charlotte heute nicht vor der Butterbrätzel, welche die Frau mit den ſpitzen Fingern den Kleinen gab; warum kamen ihr dieſe Finger
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0021"n="11"/><p>Die Geheimräthin war unbemerkt Zeugin des<lb/>
Auftritts geweſen. Sie brachte den Kindern Brätzeln<lb/>
und fragte: ob ſie ſchon Chocolate bekommen?</p><lb/><p>„Ach du mein Gott, die geſtrenge Frau ſind<lb/>
auch gar zu gütig gegen die Kleinen! rief Charlotte,<lb/>
die ſich umgedreht. Daß wir Ihnen auch ſo viel<lb/>
Incommodität verurſachen! Aber Kinder ſind nun<lb/>
mal Kinder, und wer weiß ob ſie ſo was mal wie¬<lb/>
derſehen, ſagte meine Couſine, die Frau Hoflakir.<lb/>
Ja ſie gehn alle in den Tod.“</p><lb/><p>„Giebt es einen ſchönern als fürs Vaterland!“<lb/>ſprach die Geheimräthin mit Erhebung.</p><lb/><p>„Das ſagte mein Wachtmeiſter auch, Frau Ge¬<lb/>
heimräthin, aber, nehmen Sie mirs nicht übel, Tod<lb/>
iſt doch Tod. Und eingebuddelt werden ſie, ohne<lb/>
Sang und Klang, ohne Leichenhemd und ohne Sarg,<lb/>
wo ſie ſtehn und liegen. Und der Fritz will abſolut<lb/>
Soldat werden. Iſt ein rabbiater Junge. Und mein<lb/>
guter Herr Geheimrath, der die Güte ſelbſt iſt, Sie<lb/>
glauben gar nicht, wie er ihm ſchon auf der Naſe<lb/>ſpielt. Kinder ſind Gottes Segen, o gewiß, aber ſie<lb/>
können auch Gottes Fluch werden, wenn ſie aus¬<lb/>ſchlagen.“</p><lb/><p>Die Geheimräthin ſtreichelte die Köpfe der Klei¬<lb/>
nen: „Geht liebe Kinder in die andre Stube und<lb/>
laßt Euch Chocolate geben.“</p><lb/><p>Warum erſchrak Charlotte heute nicht vor der<lb/>
Butterbrätzel, welche die Frau mit den ſpitzen Fingern<lb/>
den Kleinen gab; warum kamen ihr dieſe Finger<lb/></p></div></body></text></TEI>
[11/0021]
Die Geheimräthin war unbemerkt Zeugin des
Auftritts geweſen. Sie brachte den Kindern Brätzeln
und fragte: ob ſie ſchon Chocolate bekommen?
„Ach du mein Gott, die geſtrenge Frau ſind
auch gar zu gütig gegen die Kleinen! rief Charlotte,
die ſich umgedreht. Daß wir Ihnen auch ſo viel
Incommodität verurſachen! Aber Kinder ſind nun
mal Kinder, und wer weiß ob ſie ſo was mal wie¬
derſehen, ſagte meine Couſine, die Frau Hoflakir.
Ja ſie gehn alle in den Tod.“
„Giebt es einen ſchönern als fürs Vaterland!“
ſprach die Geheimräthin mit Erhebung.
„Das ſagte mein Wachtmeiſter auch, Frau Ge¬
heimräthin, aber, nehmen Sie mirs nicht übel, Tod
iſt doch Tod. Und eingebuddelt werden ſie, ohne
Sang und Klang, ohne Leichenhemd und ohne Sarg,
wo ſie ſtehn und liegen. Und der Fritz will abſolut
Soldat werden. Iſt ein rabbiater Junge. Und mein
guter Herr Geheimrath, der die Güte ſelbſt iſt, Sie
glauben gar nicht, wie er ihm ſchon auf der Naſe
ſpielt. Kinder ſind Gottes Segen, o gewiß, aber ſie
können auch Gottes Fluch werden, wenn ſie aus¬
ſchlagen.“
Die Geheimräthin ſtreichelte die Köpfe der Klei¬
nen: „Geht liebe Kinder in die andre Stube und
laßt Euch Chocolate geben.“
Warum erſchrak Charlotte heute nicht vor der
Butterbrätzel, welche die Frau mit den ſpitzen Fingern
den Kleinen gab; warum kamen ihr dieſe Finger
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/21>, abgerufen am 17.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.