einem innern Feuer erwärmt, während der November¬ wind empfindlich kalt von Spandau her über die weite Fläche des Sees blies.
"Warum glückselig jetzt?"
"In Rußland würde diese Frage eine Blasphemie sein. Die Schönheit, auf der das Auge der Maje¬ stät mit Wohlgefallen ruhte, wird glückselig gepriesen. -- Aber wie kannten Sie ihn, und auch mein hoher Herr --"
"I wissen Sie denn nicht! Wie sichs in der Königsstraße stopfte, und sie halten mußten, das war gerade vor unserm Hause. Und die ganze Zeit sah er nach meinem Fenster -- fünf Minuten oder drei wenigstens kein Auge fort. Es hat uns allen rechten Spaß gemacht."
"Spaß!" Die Fürstin erschrak; es kam aber noch ein anderes Gefühl hinzu, wie konnte ihr das verborgen geblieben sein! Niemand hatte es ihr hin¬ terbracht. War sie so schlecht bedient! Die Eitelbach konnte sich täuschen, aber hatte sie nicht selbst Alexan¬ ders Blicke beobachtet! Sie kannte diesen Blick.
"Ich begreife Sie nicht, so ruhig sprechen Sie das aus. In Rußland, nein in ganz Europa bliebe keine Frau gleichgültig, die der ritterlichste und liebens¬ würdigste Monarch so ausgezeichnet hat."
"Ach Sie meinen mich! Nein ich war's ja nicht."
"Wer denn?"
"Die Mamsell Alltag, die stand im Fenster neben mir."
einem innern Feuer erwärmt, während der November¬ wind empfindlich kalt von Spandau her über die weite Fläche des Sees blies.
„Warum glückſelig jetzt?“
„In Rußland würde dieſe Frage eine Blasphemie ſein. Die Schönheit, auf der das Auge der Maje¬ ſtät mit Wohlgefallen ruhte, wird glückſelig geprieſen. — Aber wie kannten Sie ihn, und auch mein hoher Herr —“
„I wiſſen Sie denn nicht! Wie ſichs in der Königsſtraße ſtopfte, und ſie halten mußten, das war gerade vor unſerm Hauſe. Und die ganze Zeit ſah er nach meinem Fenſter — fünf Minuten oder drei wenigſtens kein Auge fort. Es hat uns allen rechten Spaß gemacht.“
„Spaß!“ Die Fürſtin erſchrak; es kam aber noch ein anderes Gefühl hinzu, wie konnte ihr das verborgen geblieben ſein! Niemand hatte es ihr hin¬ terbracht. War ſie ſo ſchlecht bedient! Die Eitelbach konnte ſich täuſchen, aber hatte ſie nicht ſelbſt Alexan¬ ders Blicke beobachtet! Sie kannte dieſen Blick.
„Ich begreife Sie nicht, ſo ruhig ſprechen Sie das aus. In Rußland, nein in ganz Europa bliebe keine Frau gleichgültig, die der ritterlichſte und liebens¬ würdigſte Monarch ſo ausgezeichnet hat.“
„Ach Sie meinen mich! Nein ich war's ja nicht.“
„Wer denn?“
„Die Mamſell Alltag, die ſtand im Fenſter neben mir.“
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einem innern Feuer erwärmt, während der November¬
wind empfindlich kalt von Spandau her über die
weite Fläche des Sees blies.
„Warum glückſelig jetzt?“
„In Rußland würde dieſe Frage eine Blasphemie
ſein. Die Schönheit, auf der das Auge der Maje¬
ſtät mit Wohlgefallen ruhte, wird glückſelig geprieſen.
— Aber wie kannten Sie ihn, und auch mein hoher
Herr —“
„I wiſſen Sie denn nicht! Wie ſichs in der
Königsſtraße ſtopfte, und ſie halten mußten, das war
gerade vor unſerm Hauſe. Und die ganze Zeit ſah
er nach meinem Fenſter — fünf Minuten oder drei
wenigſtens kein Auge fort. Es hat uns allen rechten
Spaß gemacht.“
„Spaß!“ Die Fürſtin erſchrak; es kam aber
noch ein anderes Gefühl hinzu, wie konnte ihr das
verborgen geblieben ſein! Niemand hatte es ihr hin¬
terbracht. War ſie ſo ſchlecht bedient! Die Eitelbach
konnte ſich täuſchen, aber hatte ſie nicht ſelbſt Alexan¬
ders Blicke beobachtet! Sie kannte dieſen Blick.
„Ich begreife Sie nicht, ſo ruhig ſprechen Sie
das aus. In Rußland, nein in ganz Europa bliebe
keine Frau gleichgültig, die der ritterlichſte und liebens¬
würdigſte Monarch ſo ausgezeichnet hat.“
„Ach Sie meinen mich! Nein ich war's ja nicht.“
„Wer denn?“
„Die Mamſell Alltag, die ſtand im Fenſter
neben mir.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/195>, abgerufen am 16.02.2025.
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