Geheimräthin war unter den gemeinen Leuten weit verbreitet.
Im Hause der Geheimräthin war es still her¬ gegangen, sagten wir, heut aber in der Mittagsstunde eines frischen Oktobertages drängten sich die Besuche. Die Regimenter von Larisch und Winning, von der Weichsel zurückberufen, marschirten durch Berlin nach ihrem neuen Bestimmungsorte, der fränkischen Gränze. Die Straßen waren belebt, die Fenster besetzt. Der Durchzug erfolgte unregelmäßig, batallionsweise; die Truppen, in Eilmärschen aus Polen herangezogen, hatten in ihren letzten Nachtquartieren keine Zeit gehabt, sich zu einem Paradezug zu ajustiren. Während Monturen, Gesichter, Haltung, von den Strapatzen der angestrengten Märsche spra¬ chen, wirbelten aber die Trommeln und die Trom¬ peten schmetterten Lustigkeit in die klare Herbstluft; der Jubel der Zuschauer überbot sie noch. Aus den Fenstern schwenkte man Tücher, auf der Straße drückte man den Soldaten die Hand; man reichte ihnen zu trinken, und während die Schnapsflaschen und Sem¬ melkörbe umhergingen, schickten patriotische Hausfrauen große Bunzlauer Kaffeekannen und Tassen hinunter. In der Küche der Geheimräthin brodelte ein Wasch¬ kessel, Adelheid hatte für den Soldatenkaffee und für die Chocolate der Gäste zu sorgen.
Diese standen in zerstreuten Gruppen an den Fenstern. Es gehörten nicht Alle zu einander.
Walter van Asten las aus einer fremden Zei¬
Geheimräthin war unter den gemeinen Leuten weit verbreitet.
Im Hauſe der Geheimräthin war es ſtill her¬ gegangen, ſagten wir, heut aber in der Mittagsſtunde eines friſchen Oktobertages drängten ſich die Beſuche. Die Regimenter von Lariſch und Winning, von der Weichſel zurückberufen, marſchirten durch Berlin nach ihrem neuen Beſtimmungsorte, der fränkiſchen Gränze. Die Straßen waren belebt, die Fenſter beſetzt. Der Durchzug erfolgte unregelmäßig, batallionsweiſe; die Truppen, in Eilmärſchen aus Polen herangezogen, hatten in ihren letzten Nachtquartieren keine Zeit gehabt, ſich zu einem Paradezug zu ajuſtiren. Während Monturen, Geſichter, Haltung, von den Strapatzen der angeſtrengten Märſche ſpra¬ chen, wirbelten aber die Trommeln und die Trom¬ peten ſchmetterten Luſtigkeit in die klare Herbſtluft; der Jubel der Zuſchauer überbot ſie noch. Aus den Fenſtern ſchwenkte man Tücher, auf der Straße drückte man den Soldaten die Hand; man reichte ihnen zu trinken, und während die Schnapsflaſchen und Sem¬ melkörbe umhergingen, ſchickten patriotiſche Hausfrauen große Bunzlauer Kaffeekannen und Taſſen hinunter. In der Küche der Geheimräthin brodelte ein Waſch¬ keſſel, Adelheid hatte für den Soldatenkaffee und für die Chocolate der Gäſte zu ſorgen.
Dieſe ſtanden in zerſtreuten Gruppen an den Fenſtern. Es gehörten nicht Alle zu einander.
Walter van Aſten las aus einer fremden Zei¬
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Geheimräthin war unter den gemeinen Leuten weit
verbreitet.
Im Hauſe der Geheimräthin war es ſtill her¬
gegangen, ſagten wir, heut aber in der Mittagsſtunde
eines friſchen Oktobertages drängten ſich die Beſuche.
Die Regimenter von Lariſch und Winning, von der
Weichſel zurückberufen, marſchirten durch Berlin nach
ihrem neuen Beſtimmungsorte, der fränkiſchen Gränze.
Die Straßen waren belebt, die Fenſter beſetzt. Der
Durchzug erfolgte unregelmäßig, batallionsweiſe; die
Truppen, in Eilmärſchen aus Polen herangezogen,
hatten in ihren letzten Nachtquartieren keine Zeit
gehabt, ſich zu einem Paradezug zu ajuſtiren.
Während Monturen, Geſichter, Haltung, von
den Strapatzen der angeſtrengten Märſche ſpra¬
chen, wirbelten aber die Trommeln und die Trom¬
peten ſchmetterten Luſtigkeit in die klare Herbſtluft;
der Jubel der Zuſchauer überbot ſie noch. Aus den
Fenſtern ſchwenkte man Tücher, auf der Straße drückte
man den Soldaten die Hand; man reichte ihnen zu
trinken, und während die Schnapsflaſchen und Sem¬
melkörbe umhergingen, ſchickten patriotiſche Hausfrauen
große Bunzlauer Kaffeekannen und Taſſen hinunter.
In der Küche der Geheimräthin brodelte ein Waſch¬
keſſel, Adelheid hatte für den Soldatenkaffee und für
die Chocolate der Gäſte zu ſorgen.
Dieſe ſtanden in zerſtreuten Gruppen an den
Fenſtern. Es gehörten nicht Alle zu einander.
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/16>, abgerufen am 27.11.2024.
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