Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

der Magen nicht Kraft hat es zu verdauen. Dies
Volk ist zu vielem gut, es hat auch gesunde Glieder,
wenn nur der Kopf da ist, der sie regiert. Das aber
bilden Sie sich nicht ein, daß diese Glieder schon reif
sind für sich selbst zu stehen. Dafür vergaß der große
Mann zu sorgen. Er führte sein Volk in die Welt¬
geschichte ein, und übersah, ihm die Erziehung zu
geben, daß es mit Ehren darin bestände. Mit der
militairischen Tournure ists nicht gethan; der Knebel¬
bart imponirt nur auf den ersten Anblick, und selbst
ist allein der Mann. Er war müde über ein Volk
von Sklaven zu herrschen, ja, aber sie sind es ge¬
blieben, weil er ein Lehrmeister war wie der Gelehrte
in einer Bauernschule. Glänzende Schulaktus hat er
mit ihnen aufgeführt und sie declamiren lassen, was
sie nicht verstanden. Friede seiner Asche und Fluch
dem, wer einen Stein auf sein Grab wirft, denn
Deutschland hat keinen Größern geboren, aber sein
Reich, mein Herr, ist die Schöpfung eines Zauberers.
Wunderbar groß, zweckmäßig, in einander greifend,
erscheint alles, so lange sein Geist darüber waltet.
Aber wenn der schlafen geht, vertrocknen die Palmen
und Lilien zu Haidekraut und der Pallast versinkt
in ein Unkenmoor. Da sehn Sie diese Reihe von
Statuen. Kunstwerke, so lange er unter ihnen wan¬
delte, jetzt verwitterte, moosbedeckte Fratzen. Was
ist aus seiner Gliederung geworden, in Civil und
Militair, was aus dem angestaunten Mechanismus
seiner Staatsorganisation? Ein schönes Lied auf

der Magen nicht Kraft hat es zu verdauen. Dies
Volk iſt zu vielem gut, es hat auch geſunde Glieder,
wenn nur der Kopf da iſt, der ſie regiert. Das aber
bilden Sie ſich nicht ein, daß dieſe Glieder ſchon reif
ſind für ſich ſelbſt zu ſtehen. Dafür vergaß der große
Mann zu ſorgen. Er führte ſein Volk in die Welt¬
geſchichte ein, und überſah, ihm die Erziehung zu
geben, daß es mit Ehren darin beſtände. Mit der
militairiſchen Tournure iſts nicht gethan; der Knebel¬
bart imponirt nur auf den erſten Anblick, und ſelbſt
iſt allein der Mann. Er war müde über ein Volk
von Sklaven zu herrſchen, ja, aber ſie ſind es ge¬
blieben, weil er ein Lehrmeiſter war wie der Gelehrte
in einer Bauernſchule. Glänzende Schulaktus hat er
mit ihnen aufgeführt und ſie declamiren laſſen, was
ſie nicht verſtanden. Friede ſeiner Aſche und Fluch
dem, wer einen Stein auf ſein Grab wirft, denn
Deutſchland hat keinen Größern geboren, aber ſein
Reich, mein Herr, iſt die Schöpfung eines Zauberers.
Wunderbar groß, zweckmäßig, in einander greifend,
erſcheint alles, ſo lange ſein Geiſt darüber waltet.
Aber wenn der ſchlafen geht, vertrocknen die Palmen
und Lilien zu Haidekraut und der Pallaſt verſinkt
in ein Unkenmoor. Da ſehn Sie dieſe Reihe von
Statuen. Kunſtwerke, ſo lange er unter ihnen wan¬
delte, jetzt verwitterte, moosbedeckte Fratzen. Was
iſt aus ſeiner Gliederung geworden, in Civil und
Militair, was aus dem angeſtaunten Mechanismus
ſeiner Staatsorganiſation? Ein ſchönes Lied auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0158" n="148"/>
der Magen nicht Kraft hat es zu verdauen. Dies<lb/>
Volk i&#x017F;t zu vielem gut, es hat auch ge&#x017F;unde Glieder,<lb/>
wenn nur der Kopf da i&#x017F;t, der &#x017F;ie regiert. Das aber<lb/>
bilden Sie &#x017F;ich nicht ein, daß die&#x017F;e Glieder &#x017F;chon reif<lb/>
&#x017F;ind für &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;tehen. Dafür vergaß der große<lb/>
Mann zu &#x017F;orgen. Er führte &#x017F;ein Volk in die Welt¬<lb/>
ge&#x017F;chichte ein, und über&#x017F;ah, ihm die Erziehung zu<lb/>
geben, daß es mit Ehren darin be&#x017F;tände. Mit der<lb/>
militairi&#x017F;chen Tournure i&#x017F;ts nicht gethan; der Knebel¬<lb/>
bart imponirt nur auf den er&#x017F;ten Anblick, und &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t allein der Mann. Er war müde über ein Volk<lb/>
von Sklaven zu herr&#x017F;chen, ja, aber &#x017F;ie &#x017F;ind es ge¬<lb/>
blieben, weil er ein Lehrmei&#x017F;ter war wie der Gelehrte<lb/>
in einer Bauern&#x017F;chule. Glänzende Schulaktus hat er<lb/>
mit ihnen aufgeführt und &#x017F;ie declamiren la&#x017F;&#x017F;en, was<lb/>
&#x017F;ie nicht ver&#x017F;tanden. Friede &#x017F;einer A&#x017F;che und Fluch<lb/>
dem, wer einen Stein auf &#x017F;ein Grab wirft, denn<lb/>
Deut&#x017F;chland hat keinen Größern geboren, aber &#x017F;ein<lb/>
Reich, mein Herr, i&#x017F;t die Schöpfung eines Zauberers.<lb/>
Wunderbar groß, zweckmäßig, in einander greifend,<lb/>
er&#x017F;cheint alles, &#x017F;o lange &#x017F;ein Gei&#x017F;t darüber waltet.<lb/>
Aber wenn der &#x017F;chlafen geht, vertrocknen die Palmen<lb/>
und Lilien zu Haidekraut und der Palla&#x017F;t ver&#x017F;inkt<lb/>
in ein Unkenmoor. Da &#x017F;ehn Sie die&#x017F;e Reihe von<lb/>
Statuen. Kun&#x017F;twerke, &#x017F;o lange er unter ihnen wan¬<lb/>
delte, jetzt verwitterte, moosbedeckte Fratzen. Was<lb/>
i&#x017F;t aus &#x017F;einer Gliederung geworden, in Civil und<lb/>
Militair, was aus dem ange&#x017F;taunten Mechanismus<lb/>
&#x017F;einer Staatsorgani&#x017F;ation? Ein &#x017F;chönes Lied auf<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0158] der Magen nicht Kraft hat es zu verdauen. Dies Volk iſt zu vielem gut, es hat auch geſunde Glieder, wenn nur der Kopf da iſt, der ſie regiert. Das aber bilden Sie ſich nicht ein, daß dieſe Glieder ſchon reif ſind für ſich ſelbſt zu ſtehen. Dafür vergaß der große Mann zu ſorgen. Er führte ſein Volk in die Welt¬ geſchichte ein, und überſah, ihm die Erziehung zu geben, daß es mit Ehren darin beſtände. Mit der militairiſchen Tournure iſts nicht gethan; der Knebel¬ bart imponirt nur auf den erſten Anblick, und ſelbſt iſt allein der Mann. Er war müde über ein Volk von Sklaven zu herrſchen, ja, aber ſie ſind es ge¬ blieben, weil er ein Lehrmeiſter war wie der Gelehrte in einer Bauernſchule. Glänzende Schulaktus hat er mit ihnen aufgeführt und ſie declamiren laſſen, was ſie nicht verſtanden. Friede ſeiner Aſche und Fluch dem, wer einen Stein auf ſein Grab wirft, denn Deutſchland hat keinen Größern geboren, aber ſein Reich, mein Herr, iſt die Schöpfung eines Zauberers. Wunderbar groß, zweckmäßig, in einander greifend, erſcheint alles, ſo lange ſein Geiſt darüber waltet. Aber wenn der ſchlafen geht, vertrocknen die Palmen und Lilien zu Haidekraut und der Pallaſt verſinkt in ein Unkenmoor. Da ſehn Sie dieſe Reihe von Statuen. Kunſtwerke, ſo lange er unter ihnen wan¬ delte, jetzt verwitterte, moosbedeckte Fratzen. Was iſt aus ſeiner Gliederung geworden, in Civil und Militair, was aus dem angeſtaunten Mechanismus ſeiner Staatsorganiſation? Ein ſchönes Lied auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/158
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/158>, abgerufen am 25.11.2024.