Ihnen unter den Händen sterben werde. Und mit welchem Takt sie die Charlatanerie der Aerzte erkannt!" Als man Johann an einem Morgen todt neben seinem Bette liegend gefunden, und alle Hausgenossen in die Kammer stürzten, war die Lupinus nur bis über die Schwelle gekommen. Hier ging ihr der Athem aus, die Kräfte versagten, und sie war in ihre Knie gesunken. Ihr Gatte und der Legationsrath mußten die Ohnmächtige aufheben. Wie liebevoll hatte er ihr da Worte des Trostes zugesprochen. Die Diener¬ schaft zerfloß in Thränen: "Warum erschrecken, meine Freundin, über Etwas, das nur eine Wohlthat des Himmels ist, für den armen Dulder, für uns Alle, die wir seine Leiden sehend mit ihm litten! Preisen wir vielmehr die Hand, die dies gethan. Sein Wille geschehe! der es gut, schnell und kurz gemacht!" Gestärkt durch seinen Zuspruch, hatte sie nachher an der Leiche gestanden, ihre Züge beobachtend. "So ist es recht, hatte er gesagt; dem, was wir als gut erkannt, fest ins Auge gesehen! Wem helfen Thränen, wem weichliches Gefühl des Mitleids! Indem wir das eine Nothwendige erkannt, stärken wir unsere Nerven, um der Nothwendigkeit auch weiter ins Auge zu blicken, und wir mögen endlich den Sinn des alten Kirchenliedes erfassen: Tod, wo sind nun deine Schrecken!" Sie war gestärkt worden. Sie hatte selbst am Beerdigungstage die Leiche mit frischen Blumen geschmückt. Die Dienerschaft, die Nach¬ barschaft waren davon gerührt, und das Lob der
Ihnen unter den Händen ſterben werde. Und mit welchem Takt ſie die Charlatanerie der Aerzte erkannt!“ Als man Johann an einem Morgen todt neben ſeinem Bette liegend gefunden, und alle Hausgenoſſen in die Kammer ſtürzten, war die Lupinus nur bis über die Schwelle gekommen. Hier ging ihr der Athem aus, die Kräfte verſagten, und ſie war in ihre Knie geſunken. Ihr Gatte und der Legationsrath mußten die Ohnmächtige aufheben. Wie liebevoll hatte er ihr da Worte des Troſtes zugeſprochen. Die Diener¬ ſchaft zerfloß in Thränen: „Warum erſchrecken, meine Freundin, über Etwas, das nur eine Wohlthat des Himmels iſt, für den armen Dulder, für uns Alle, die wir ſeine Leiden ſehend mit ihm litten! Preiſen wir vielmehr die Hand, die dies gethan. Sein Wille geſchehe! der es gut, ſchnell und kurz gemacht!“ Geſtärkt durch ſeinen Zuſpruch, hatte ſie nachher an der Leiche geſtanden, ihre Züge beobachtend. „So iſt es recht, hatte er geſagt; dem, was wir als gut erkannt, feſt ins Auge geſehen! Wem helfen Thränen, wem weichliches Gefühl des Mitleids! Indem wir das eine Nothwendige erkannt, ſtärken wir unſere Nerven, um der Nothwendigkeit auch weiter ins Auge zu blicken, und wir mögen endlich den Sinn des alten Kirchenliedes erfaſſen: Tod, wo ſind nun deine Schrecken!“ Sie war geſtärkt worden. Sie hatte ſelbſt am Beerdigungstage die Leiche mit friſchen Blumen geſchmückt. Die Dienerſchaft, die Nach¬ barſchaft waren davon gerührt, und das Lob der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0015"n="5"/>
Ihnen unter den Händen ſterben werde. Und mit<lb/>
welchem Takt ſie die Charlatanerie der Aerzte erkannt!“<lb/>
Als man Johann an einem Morgen todt neben ſeinem<lb/>
Bette liegend gefunden, und alle Hausgenoſſen in<lb/>
die Kammer ſtürzten, war die Lupinus nur bis über<lb/>
die Schwelle gekommen. Hier ging ihr der Athem<lb/>
aus, die Kräfte verſagten, und ſie war in ihre Knie<lb/>
geſunken. Ihr Gatte und der Legationsrath mußten<lb/>
die Ohnmächtige aufheben. Wie liebevoll hatte er<lb/>
ihr da Worte des Troſtes zugeſprochen. Die Diener¬<lb/>ſchaft zerfloß in Thränen: „Warum erſchrecken, meine<lb/>
Freundin, über Etwas, das nur eine Wohlthat des<lb/>
Himmels iſt, für den armen Dulder, für uns Alle,<lb/>
die wir ſeine Leiden ſehend mit ihm litten! Preiſen<lb/>
wir vielmehr die Hand, die dies gethan. Sein Wille<lb/>
geſchehe! der es gut, ſchnell und kurz gemacht!“<lb/>
Geſtärkt durch ſeinen Zuſpruch, hatte ſie nachher an<lb/>
der Leiche geſtanden, ihre Züge beobachtend. „So iſt<lb/>
es recht, hatte er geſagt; dem, was wir als gut<lb/>
erkannt, feſt ins Auge geſehen! Wem helfen Thränen,<lb/>
wem weichliches Gefühl des Mitleids! Indem wir<lb/>
das eine Nothwendige erkannt, ſtärken wir unſere<lb/>
Nerven, um der Nothwendigkeit auch weiter ins Auge<lb/>
zu blicken, und wir mögen endlich den Sinn des<lb/>
alten Kirchenliedes erfaſſen: Tod, wo ſind nun deine<lb/>
Schrecken!“ Sie war geſtärkt worden. Sie hatte<lb/>ſelbſt am Beerdigungstage die Leiche mit friſchen<lb/>
Blumen geſchmückt. Die Dienerſchaft, die Nach¬<lb/>
barſchaft waren davon gerührt, und das Lob der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[5/0015]
Ihnen unter den Händen ſterben werde. Und mit
welchem Takt ſie die Charlatanerie der Aerzte erkannt!“
Als man Johann an einem Morgen todt neben ſeinem
Bette liegend gefunden, und alle Hausgenoſſen in
die Kammer ſtürzten, war die Lupinus nur bis über
die Schwelle gekommen. Hier ging ihr der Athem
aus, die Kräfte verſagten, und ſie war in ihre Knie
geſunken. Ihr Gatte und der Legationsrath mußten
die Ohnmächtige aufheben. Wie liebevoll hatte er
ihr da Worte des Troſtes zugeſprochen. Die Diener¬
ſchaft zerfloß in Thränen: „Warum erſchrecken, meine
Freundin, über Etwas, das nur eine Wohlthat des
Himmels iſt, für den armen Dulder, für uns Alle,
die wir ſeine Leiden ſehend mit ihm litten! Preiſen
wir vielmehr die Hand, die dies gethan. Sein Wille
geſchehe! der es gut, ſchnell und kurz gemacht!“
Geſtärkt durch ſeinen Zuſpruch, hatte ſie nachher an
der Leiche geſtanden, ihre Züge beobachtend. „So iſt
es recht, hatte er geſagt; dem, was wir als gut
erkannt, feſt ins Auge geſehen! Wem helfen Thränen,
wem weichliches Gefühl des Mitleids! Indem wir
das eine Nothwendige erkannt, ſtärken wir unſere
Nerven, um der Nothwendigkeit auch weiter ins Auge
zu blicken, und wir mögen endlich den Sinn des
alten Kirchenliedes erfaſſen: Tod, wo ſind nun deine
Schrecken!“ Sie war geſtärkt worden. Sie hatte
ſelbſt am Beerdigungstage die Leiche mit friſchen
Blumen geſchmückt. Die Dienerſchaft, die Nach¬
barſchaft waren davon gerührt, und das Lob der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/15>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.