Sohn, wollte auch immer seine eigenen Wege gehn; nahm was Andere wegwarfen, und warf weg was Andere griffen. Dem Einen glückts, dem Andern nicht. Ja, ja, mein lieber Herr van Asten, wir würden alle warm sitzen, wenn jeder auf seinem Platze bliebe. Verstehn Sie mich, er soll nicht immer sitzen bleiben, er soll auch weiter rutschen, wenn neben ihm ein besserer frei wird. Das findet sich, das kommt jedem, wenn er nur Augen und Ohren auf hat und in der Stille umher fühlt. Aber er muß nicht ungeduldig werden, nicht springen wollen, nicht über die Dächer wegklettern. Merken sie erst, daß Einer ein unruhiger Kopf ist, der kriegt gleich 'nen schwarzen Strich, und sie passen ihm auf die Finger. Wir könnten's alle so gut haben; denn die großen Herrschaften, glauben Sie's mir, meinen's mit uns so gut, wenn wir uns nur nicht mausig machen wollen. Lieber Herr van Asten, ich bitte Sie, was geht's uns denn an, ob sie sich da oben schlagen oder vertragen, und Allianzen schließen oder keine? Thun sie's, gut; thun sie's nicht, für uns ist's auch gut. Es hat jeder in seinem Hause ja genug zu sorgen. Kinder, laßt doch den Potentaten das Regieren und kümmert euch nicht darum. 's hat noch Keiner dabei Seide gesponnen. Der Bauer bleibt ein dummer Bauer, und wer sein Bischen Grütze im Kopfe hat, der bringt sein Schäfchen ins Trockne. Was geht's uns denn an, wenn die andern Schafe versaufen!"
Sohn, wollte auch immer ſeine eigenen Wege gehn; nahm was Andere wegwarfen, und warf weg was Andere griffen. Dem Einen glückts, dem Andern nicht. Ja, ja, mein lieber Herr van Aſten, wir würden alle warm ſitzen, wenn jeder auf ſeinem Platze bliebe. Verſtehn Sie mich, er ſoll nicht immer ſitzen bleiben, er ſoll auch weiter rutſchen, wenn neben ihm ein beſſerer frei wird. Das findet ſich, das kommt jedem, wenn er nur Augen und Ohren auf hat und in der Stille umher fühlt. Aber er muß nicht ungeduldig werden, nicht ſpringen wollen, nicht über die Dächer wegklettern. Merken ſie erſt, daß Einer ein unruhiger Kopf iſt, der kriegt gleich 'nen ſchwarzen Strich, und ſie paſſen ihm auf die Finger. Wir könnten's alle ſo gut haben; denn die großen Herrſchaften, glauben Sie's mir, meinen's mit uns ſo gut, wenn wir uns nur nicht mauſig machen wollen. Lieber Herr van Aſten, ich bitte Sie, was geht's uns denn an, ob ſie ſich da oben ſchlagen oder vertragen, und Allianzen ſchließen oder keine? Thun ſie's, gut; thun ſie's nicht, für uns iſt's auch gut. Es hat jeder in ſeinem Hauſe ja genug zu ſorgen. Kinder, laßt doch den Potentaten das Regieren und kümmert euch nicht darum. 's hat noch Keiner dabei Seide geſponnen. Der Bauer bleibt ein dummer Bauer, und wer ſein Bischen Grütze im Kopfe hat, der bringt ſein Schäfchen ins Trockne. Was geht's uns denn an, wenn die andern Schafe verſaufen!“
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Sohn, wollte auch immer ſeine eigenen Wege gehn;
nahm was Andere wegwarfen, und warf weg
was Andere griffen. Dem Einen glückts, dem Andern
nicht. Ja, ja, mein lieber Herr van Aſten, wir
würden alle warm ſitzen, wenn jeder auf ſeinem
Platze bliebe. Verſtehn Sie mich, er ſoll nicht
immer ſitzen bleiben, er ſoll auch weiter rutſchen,
wenn neben ihm ein beſſerer frei wird. Das findet
ſich, das kommt jedem, wenn er nur Augen und
Ohren auf hat und in der Stille umher fühlt. Aber
er muß nicht ungeduldig werden, nicht ſpringen
wollen, nicht über die Dächer wegklettern. Merken
ſie erſt, daß Einer ein unruhiger Kopf iſt, der
kriegt gleich 'nen ſchwarzen Strich, und ſie paſſen
ihm auf die Finger. Wir könnten's alle ſo gut
haben; denn die großen Herrſchaften, glauben Sie's
mir, meinen's mit uns ſo gut, wenn wir uns nur
nicht mauſig machen wollen. Lieber Herr van Aſten,
ich bitte Sie, was geht's uns denn an, ob ſie ſich
da oben ſchlagen oder vertragen, und Allianzen
ſchließen oder keine? Thun ſie's, gut; thun ſie's
nicht, für uns iſt's auch gut. Es hat jeder in
ſeinem Hauſe ja genug zu ſorgen. Kinder, laßt
doch den Potentaten das Regieren und kümmert
euch nicht darum. 's hat noch Keiner dabei Seide
geſponnen. Der Bauer bleibt ein dummer Bauer,
und wer ſein Bischen Grütze im Kopfe hat, der
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/148>, abgerufen am 21.11.2024.
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