vorwirft, daß er nicht Deutsch gedacht haben soll! Kann man denn zerstören, was nicht mehr ist!"
"Mich dünkt der große Mann theilte nur das Loos aller Strebenden, sagte Walter nach einer Pause. Mit Riesenplanen tritt der Jüngling ins Leben, seine Hoffnungen segeln mit dem Morgenroth, die Welt dünkt ihm in seiner Hand ein Bild von Wachs. So schüttelt er die Glieder am frischen Morgen; dann kommt die Mittagshitze und er ruht aus. In der Abendkühle hofft er wieder anzufangen, aber er irrt, die erschöpfte Natur will ihr Recht, der Schlaf senkt sich auf seine Glieder und auch das weiche Wachs ist hart geworden; es schneidet seine wunden Finger. Da wirft er's am Ende fort und sie lachen ihn wohl noch aus, den thörichten Bildner. Und was bleibt ihm! Er hüllt sich in den Mantel der Resignation, und spricht, wenn der letzte Gruß der Abendsonne ihn ruft, Salomonis Wort!"
"Der, mein Herr, rief der alte Soldat, und wies auf die Pallastthür, der brauchte sich nicht in Ihren Mantel zu hüllen. Ja, einen Mantel schlan¬ gen sie ihm um, daß ihn die Kälte von draußen nicht berührte. In ihm war's warm; seine Werke wärmten ihn, wenn er auf die sah. Dreizehn Bataillen! Nun ja, seitdem sind größere geschlagen worden. Es giebt auch größere Dichter, Philosophen. Andre haben das Volk mehr cajolirt. Das hat er nicht verstanden, auch nicht große Worte machen; er wollte es auch nicht. Dachte vielleicht, was ich gethan, ist denn
III. 9
vorwirft, daß er nicht Deutſch gedacht haben ſoll! Kann man denn zerſtören, was nicht mehr iſt!“
„Mich dünkt der große Mann theilte nur das Loos aller Strebenden, ſagte Walter nach einer Pauſe. Mit Rieſenplanen tritt der Jüngling ins Leben, ſeine Hoffnungen ſegeln mit dem Morgenroth, die Welt dünkt ihm in ſeiner Hand ein Bild von Wachs. So ſchüttelt er die Glieder am friſchen Morgen; dann kommt die Mittagshitze und er ruht aus. In der Abendkühle hofft er wieder anzufangen, aber er irrt, die erſchöpfte Natur will ihr Recht, der Schlaf ſenkt ſich auf ſeine Glieder und auch das weiche Wachs iſt hart geworden; es ſchneidet ſeine wunden Finger. Da wirft er's am Ende fort und ſie lachen ihn wohl noch aus, den thörichten Bildner. Und was bleibt ihm! Er hüllt ſich in den Mantel der Reſignation, und ſpricht, wenn der letzte Gruß der Abendſonne ihn ruft, Salomonis Wort!“
„Der, mein Herr, rief der alte Soldat, und wies auf die Pallaſtthür, der brauchte ſich nicht in Ihren Mantel zu hüllen. Ja, einen Mantel ſchlan¬ gen ſie ihm um, daß ihn die Kälte von draußen nicht berührte. In ihm war's warm; ſeine Werke wärmten ihn, wenn er auf die ſah. Dreizehn Bataillen! Nun ja, ſeitdem ſind größere geſchlagen worden. Es giebt auch größere Dichter, Philoſophen. Andre haben das Volk mehr cajolirt. Das hat er nicht verſtanden, auch nicht große Worte machen; er wollte es auch nicht. Dachte vielleicht, was ich gethan, iſt denn
III. 9
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vorwirft, daß er nicht Deutſch gedacht haben ſoll!
Kann man denn zerſtören, was nicht mehr iſt!“
„Mich dünkt der große Mann theilte nur das
Loos aller Strebenden, ſagte Walter nach einer Pauſe.
Mit Rieſenplanen tritt der Jüngling ins Leben, ſeine
Hoffnungen ſegeln mit dem Morgenroth, die Welt
dünkt ihm in ſeiner Hand ein Bild von Wachs. So
ſchüttelt er die Glieder am friſchen Morgen; dann
kommt die Mittagshitze und er ruht aus. In der
Abendkühle hofft er wieder anzufangen, aber er irrt,
die erſchöpfte Natur will ihr Recht, der Schlaf ſenkt
ſich auf ſeine Glieder und auch das weiche Wachs
iſt hart geworden; es ſchneidet ſeine wunden Finger.
Da wirft er's am Ende fort und ſie lachen ihn wohl
noch aus, den thörichten Bildner. Und was bleibt
ihm! Er hüllt ſich in den Mantel der Reſignation,
und ſpricht, wenn der letzte Gruß der Abendſonne
ihn ruft, Salomonis Wort!“
„Der, mein Herr, rief der alte Soldat, und
wies auf die Pallaſtthür, der brauchte ſich nicht in
Ihren Mantel zu hüllen. Ja, einen Mantel ſchlan¬
gen ſie ihm um, daß ihn die Kälte von draußen nicht
berührte. In ihm war's warm; ſeine Werke wärmten
ihn, wenn er auf die ſah. Dreizehn Bataillen! Nun
ja, ſeitdem ſind größere geſchlagen worden. Es giebt
auch größere Dichter, Philoſophen. Andre haben das
Volk mehr cajolirt. Das hat er nicht verſtanden,
auch nicht große Worte machen; er wollte es auch
nicht. Dachte vielleicht, was ich gethan, iſt denn
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/139>, abgerufen am 21.11.2024.
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