"Einer muß doch den Anfang machen!" rief sie halb für sich aus dem Chaos ihrer Gedanken.
"Aber wenn der Eine es nicht geschickt anfängt, schickt er ihn fort, sagte Bovillard. So ging es Stein. Der Freiherr polterte mit einer Proclamation los, die er in der Tasche trug, am Schweif eine Kriegserklärung. Majestät zogen die Stirn und zuckten mit dem Arm. Stein sagte, was man wolle, müsse man zeigen, und was man zeige, müsse man wollen. Majestät sagten, sie hätten auch noch andre Räthe, auch kluge Leute, auch treue Diener ihres Herrn, die er schon länger kenne, als den Herrn von Stein, und die nicht gleich mit dem Kopf durch die Mauer wollten. Zum Glück aplanirte der Kaiser mit einer liebenswürdigen Wendung den Riß."
"Und Stein?"
"Studirt im Lustgarten den Kunststil der Drya¬ den und Najaden."
"Hardenberg wäre besser zum ersten Angriff ge¬ wesen. Wer denn nun?"
"Wer hat gleich ein neues Concept fertig! Von unsern Freunden werden Sie die Initiative nicht er¬ warten. Wir stellen uns nur zur Disposition."
"Man kann wirklich nicht mehr Aufopferung fordern," bemerkte ein Russe.
"Johannes Müller ist doch citirt," sagte die Fürstin.
"Steht auch da, Erlaucht, mit der Feder in der Tasche, Dinte hat er auch, aber das Papier will man
„Einer muß doch den Anfang machen!“ rief ſie halb für ſich aus dem Chaos ihrer Gedanken.
„Aber wenn der Eine es nicht geſchickt anfängt, ſchickt er ihn fort, ſagte Bovillard. So ging es Stein. Der Freiherr polterte mit einer Proclamation los, die er in der Taſche trug, am Schweif eine Kriegserklärung. Majeſtät zogen die Stirn und zuckten mit dem Arm. Stein ſagte, was man wolle, müſſe man zeigen, und was man zeige, müſſe man wollen. Majeſtät ſagten, ſie hätten auch noch andre Räthe, auch kluge Leute, auch treue Diener ihres Herrn, die er ſchon länger kenne, als den Herrn von Stein, und die nicht gleich mit dem Kopf durch die Mauer wollten. Zum Glück aplanirte der Kaiſer mit einer liebenswürdigen Wendung den Riß.“
„Und Stein?“
„Studirt im Luſtgarten den Kunſtſtil der Drya¬ den und Najaden.“
„Hardenberg wäre beſſer zum erſten Angriff ge¬ weſen. Wer denn nun?“
„Wer hat gleich ein neues Concept fertig! Von unſern Freunden werden Sie die Initiative nicht er¬ warten. Wir ſtellen uns nur zur Dispoſition.“
„Man kann wirklich nicht mehr Aufopferung fordern,“ bemerkte ein Ruſſe.
„Johannes Müller iſt doch citirt,“ ſagte die Fürſtin.
„Steht auch da, Erlaucht, mit der Feder in der Taſche, Dinte hat er auch, aber das Papier will man
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„Einer muß doch den Anfang machen!“ rief ſie
halb für ſich aus dem Chaos ihrer Gedanken.
„Aber wenn der Eine es nicht geſchickt anfängt,
ſchickt er ihn fort, ſagte Bovillard. So ging es
Stein. Der Freiherr polterte mit einer Proclamation
los, die er in der Taſche trug, am Schweif eine
Kriegserklärung. Majeſtät zogen die Stirn und
zuckten mit dem Arm. Stein ſagte, was man wolle,
müſſe man zeigen, und was man zeige, müſſe man
wollen. Majeſtät ſagten, ſie hätten auch noch andre
Räthe, auch kluge Leute, auch treue Diener ihres
Herrn, die er ſchon länger kenne, als den Herrn von
Stein, und die nicht gleich mit dem Kopf durch die
Mauer wollten. Zum Glück aplanirte der Kaiſer
mit einer liebenswürdigen Wendung den Riß.“
„Und Stein?“
„Studirt im Luſtgarten den Kunſtſtil der Drya¬
den und Najaden.“
„Hardenberg wäre beſſer zum erſten Angriff ge¬
weſen. Wer denn nun?“
„Wer hat gleich ein neues Concept fertig! Von
unſern Freunden werden Sie die Initiative nicht er¬
warten. Wir ſtellen uns nur zur Dispoſition.“
„Man kann wirklich nicht mehr Aufopferung
fordern,“ bemerkte ein Ruſſe.
„Johannes Müller iſt doch citirt,“ ſagte die
Fürſtin.
„Steht auch da, Erlaucht, mit der Feder in der
Taſche, Dinte hat er auch, aber das Papier will man
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/108>, abgerufen am 16.02.2025.
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