"Erlauchte Frau, Sie könnten mich stolz machen, zu glauben, daß ich noch nicht überwunden bin, denn meine Brust und Taschen sind leer."
Die Fürstin fixirte ihn, mit der Antwort wie es schien nicht unzufrieden: "Er ist noch großmüthiger, wenn er Freunde gewinnen will. Doch freilich, wenn er Sie öffentlich decorirte, wie würden Sie vor La¬ forest bestehen? Aber in der That, lieber Bovillard, die Miene der Ehrlichkeit steht Ihnen schlecht; ich fürchte Sie weit mehr als wenn Sie mit Ihrer moquanten mich zum Besten haben."
"Parole d'honneur, princesse! Auf die Gefahr hin, ich muß ehrlich sein, denn ich weiß nichts."
"Wer ist beim Könige?"
"Haugwitz, wie Sie sehen, promenirt mit dem Erzherzog. Voß geht in der Antichambre verdrießlich umher, und sagt zu den Einen Ja, zu den Andern Nein. Hoym hat nur Augen für die Königin; er scheint im Vertrauen und wartet auf ihre Winke. Schulenburg und Angern unterhalten sich mit den Adjutanten über die Viehzucht in der Krimm. Köcke¬ ritz sagt zu jedem, es werde alles gut werden, wenn man nur ruhig bleibt. Wittgenstein hat ein Paar vornehme Russen am Arm und zischelt ihnen die ge¬ heime Geschichte einiger Hofdamen zu. Zur Radzi¬ will war Alexander sehr zuvorkommend. Sie ist ihm aber zu enthusiasmirt, hat mir im Vertrauen Fürst Woronzof gesagt. Er liebt die plastische Ruhe. Die Prinzeß Mariane bewundert er um ihre Schönheit,
„Erlauchte Frau, Sie könnten mich ſtolz machen, zu glauben, daß ich noch nicht überwunden bin, denn meine Bruſt und Taſchen ſind leer.“
Die Fürſtin fixirte ihn, mit der Antwort wie es ſchien nicht unzufrieden: „Er iſt noch großmüthiger, wenn er Freunde gewinnen will. Doch freilich, wenn er Sie öffentlich decorirte, wie würden Sie vor La¬ foreſt beſtehen? Aber in der That, lieber Bovillard, die Miene der Ehrlichkeit ſteht Ihnen ſchlecht; ich fürchte Sie weit mehr als wenn Sie mit Ihrer moquanten mich zum Beſten haben.“
„Parole d'honneur, princesse! Auf die Gefahr hin, ich muß ehrlich ſein, denn ich weiß nichts.“
„Wer iſt beim Könige?“
„Haugwitz, wie Sie ſehen, promenirt mit dem Erzherzog. Voß geht in der Antichambre verdrießlich umher, und ſagt zu den Einen Ja, zu den Andern Nein. Hoym hat nur Augen für die Königin; er ſcheint im Vertrauen und wartet auf ihre Winke. Schulenburg und Angern unterhalten ſich mit den Adjutanten über die Viehzucht in der Krimm. Köcke¬ ritz ſagt zu jedem, es werde alles gut werden, wenn man nur ruhig bleibt. Wittgenſtein hat ein Paar vornehme Ruſſen am Arm und ziſchelt ihnen die ge¬ heime Geſchichte einiger Hofdamen zu. Zur Radzi¬ will war Alexander ſehr zuvorkommend. Sie iſt ihm aber zu enthuſiasmirt, hat mir im Vertrauen Fürſt Woronzof geſagt. Er liebt die plaſtiſche Ruhe. Die Prinzeß Mariane bewundert er um ihre Schönheit,
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„Erlauchte Frau, Sie könnten mich ſtolz machen,
zu glauben, daß ich noch nicht überwunden bin, denn
meine Bruſt und Taſchen ſind leer.“
Die Fürſtin fixirte ihn, mit der Antwort wie es
ſchien nicht unzufrieden: „Er iſt noch großmüthiger,
wenn er Freunde gewinnen will. Doch freilich, wenn
er Sie öffentlich decorirte, wie würden Sie vor La¬
foreſt beſtehen? Aber in der That, lieber Bovillard,
die Miene der Ehrlichkeit ſteht Ihnen ſchlecht; ich
fürchte Sie weit mehr als wenn Sie mit Ihrer
moquanten mich zum Beſten haben.“
„Parole d'honneur, princesse! Auf die Gefahr
hin, ich muß ehrlich ſein, denn ich weiß nichts.“
„Wer iſt beim Könige?“
„Haugwitz, wie Sie ſehen, promenirt mit dem
Erzherzog. Voß geht in der Antichambre verdrießlich
umher, und ſagt zu den Einen Ja, zu den Andern
Nein. Hoym hat nur Augen für die Königin; er
ſcheint im Vertrauen und wartet auf ihre Winke.
Schulenburg und Angern unterhalten ſich mit den
Adjutanten über die Viehzucht in der Krimm. Köcke¬
ritz ſagt zu jedem, es werde alles gut werden, wenn
man nur ruhig bleibt. Wittgenſtein hat ein Paar
vornehme Ruſſen am Arm und ziſchelt ihnen die ge¬
heime Geſchichte einiger Hofdamen zu. Zur Radzi¬
will war Alexander ſehr zuvorkommend. Sie iſt ihm
aber zu enthuſiasmirt, hat mir im Vertrauen Fürſt
Woronzof geſagt. Er liebt die plaſtiſche Ruhe. Die
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/105>, abgerufen am 16.02.2025.
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