"Preußen fühlt sich groß, und hat doch den In¬ stinkt, daß es nicht so groß ist, um das Gewicht in die Wagschaale der Weltbegebenheiten zu werfen, wie damals als ein jugendlicher Kriegsheld, der Genius des Jahrhunderts, an seiner Spitze stand. Daher die natürliche Scheu herauszutreten, ein entscheidendes Wort mitzusprechen. Wenn es nun nicht gehört würde? Dann ist der Nimbus hin. Wenn es unter¬ läge? Dann ist seine Existenz hin. Wenn es sich aber den vielfachen Coalitionen unbedingt jedesmal angeschlossen, die seit der Pilnitzer den Europäischen Brand statt zu löschen vermehrt haben? Es hätte sich der Selbstständigkeit begeben, die ihm Friedrich hinterließ, es wäre kein Körper mehr, eine mit fort¬ gerissene Partikel. Es kämpft, und ringt, und ver¬ handelt eben so um seinen Schein, als um sein Wesen. Darum das Laviren, die unleugbaren Zwei¬ deutigkeiten seiner Politik, die ihm die Herzen ent¬ fremdeten, welche erwartend, hoffnungsvoll ihm in Deutschland entgegen schlugen. Meine Herren, wer unter uns lobt das! Aber nachdem wir so lange den Frieden uns eingehandelt, eingetauscht, ertrotzt oder erbeten, was sollen nicht Männer, die der gro¬ ßen Aufgabe nicht gewachsen sind, vor dem Augen¬ blick der Entscheidung erschrecken! Leugnen wir uns nicht, es heißt jetzt Alles einsetzen, Alles in die Schanze schlagen, um nicht mehr zu gewinnen als Preußen hatte, ja vielleicht nicht das einmal, denn wir wissen nicht, was die mächtigen Verbündeten, denen wir
„Preußen fühlt ſich groß, und hat doch den In¬ ſtinkt, daß es nicht ſo groß iſt, um das Gewicht in die Wagſchaale der Weltbegebenheiten zu werfen, wie damals als ein jugendlicher Kriegsheld, der Genius des Jahrhunderts, an ſeiner Spitze ſtand. Daher die natürliche Scheu herauszutreten, ein entſcheidendes Wort mitzuſprechen. Wenn es nun nicht gehört würde? Dann iſt der Nimbus hin. Wenn es unter¬ läge? Dann iſt ſeine Exiſtenz hin. Wenn es ſich aber den vielfachen Coalitionen unbedingt jedesmal angeſchloſſen, die ſeit der Pilnitzer den Europäiſchen Brand ſtatt zu löſchen vermehrt haben? Es hätte ſich der Selbſtſtändigkeit begeben, die ihm Friedrich hinterließ, es wäre kein Körper mehr, eine mit fort¬ geriſſene Partikel. Es kämpft, und ringt, und ver¬ handelt eben ſo um ſeinen Schein, als um ſein Weſen. Darum das Laviren, die unleugbaren Zwei¬ deutigkeiten ſeiner Politik, die ihm die Herzen ent¬ fremdeten, welche erwartend, hoffnungsvoll ihm in Deutſchland entgegen ſchlugen. Meine Herren, wer unter uns lobt das! Aber nachdem wir ſo lange den Frieden uns eingehandelt, eingetauſcht, ertrotzt oder erbeten, was ſollen nicht Männer, die der gro¬ ßen Aufgabe nicht gewachſen ſind, vor dem Augen¬ blick der Entſcheidung erſchrecken! Leugnen wir uns nicht, es heißt jetzt Alles einſetzen, Alles in die Schanze ſchlagen, um nicht mehr zu gewinnen als Preußen hatte, ja vielleicht nicht das einmal, denn wir wiſſen nicht, was die mächtigen Verbündeten, denen wir
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„Preußen fühlt ſich groß, und hat doch den In¬
ſtinkt, daß es nicht ſo groß iſt, um das Gewicht in
die Wagſchaale der Weltbegebenheiten zu werfen, wie
damals als ein jugendlicher Kriegsheld, der Genius
des Jahrhunderts, an ſeiner Spitze ſtand. Daher
die natürliche Scheu herauszutreten, ein entſcheidendes
Wort mitzuſprechen. Wenn es nun nicht gehört
würde? Dann iſt der Nimbus hin. Wenn es unter¬
läge? Dann iſt ſeine Exiſtenz hin. Wenn es ſich
aber den vielfachen Coalitionen unbedingt jedesmal
angeſchloſſen, die ſeit der Pilnitzer den Europäiſchen
Brand ſtatt zu löſchen vermehrt haben? Es hätte
ſich der Selbſtſtändigkeit begeben, die ihm Friedrich
hinterließ, es wäre kein Körper mehr, eine mit fort¬
geriſſene Partikel. Es kämpft, und ringt, und ver¬
handelt eben ſo um ſeinen Schein, als um ſein
Weſen. Darum das Laviren, die unleugbaren Zwei¬
deutigkeiten ſeiner Politik, die ihm die Herzen ent¬
fremdeten, welche erwartend, hoffnungsvoll ihm in
Deutſchland entgegen ſchlugen. Meine Herren, wer
unter uns lobt das! Aber nachdem wir ſo lange
den Frieden uns eingehandelt, eingetauſcht, ertrotzt
oder erbeten, was ſollen nicht Männer, die der gro¬
ßen Aufgabe nicht gewachſen ſind, vor dem Augen¬
blick der Entſcheidung erſchrecken! Leugnen wir uns
nicht, es heißt jetzt Alles einſetzen, Alles in die Schanze
ſchlagen, um nicht mehr zu gewinnen als Preußen
hatte, ja vielleicht nicht das einmal, denn wir wiſſen
nicht, was die mächtigen Verbündeten, denen wir
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/92>, abgerufen am 23.11.2024.
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