besinnt. Ach Gott, der Möglichkeiten sind so viele, daß ich es aufrichtig bereue, Sie nur einen Augenblick geängstigt zu haben. Keinenfalls darf die Vorstellung Ihre Heiterkeit stören. Meine soll es wenigstens ge¬ wiß nicht, denn ich freue mich aufrichtig den neuen Abgott der Residenz kennen zu lernen."
"Sie kennen Jean Paul noch nicht?"
"Ich begegnete ihm wohl irgendwo."
Die Geheimräthin sah etwas verlegen vor sich hin: "Ich hoffe, Sie disapprobiren nicht --"
"Was sich versteht in Credit zu setzen. Der Werth eines Staatsmanns, meine Freundin, und der eines Dichters, was sind sie an und für sich, es kommt allein ihr Courswerth in Betrachtung, gleichviel, ob der Dichter ihn sich selbst gemacht, oder andere so gütig waren. A propos, da kann ich Ihnen eine Neuigkeit mittheilen. Bei Hofe ist eine lebhafte In¬ trigue. Nachdem es nicht gelungen Schillern hier zu fesseln, versucht man Herrn Richter uns ein zu impfen. Die Parteien sind getheilt. Ihre Majestät die Kö¬ nigin wünscht ihm eine Präbende zuzuwenden. Beim Könige fürchtet man auf Schwierigkeiten zu stoßen. Um deswillen spielen alle Maschinen. Die Berg läuft von diesem zu jenem. Herr Jean Paul soll von der allgemeinen Gunst gehoben und getra¬ gen werden, bis er dem Throne so ins Auge gerückt ist, daß Seine Majestät sich zu einer Aus¬ zeichnung gleichsam gezwungen fühlen. Daher werden die Kunstgärtner bis zum Exceß um ihre seltenen
beſinnt. Ach Gott, der Möglichkeiten ſind ſo viele, daß ich es aufrichtig bereue, Sie nur einen Augenblick geängſtigt zu haben. Keinenfalls darf die Vorſtellung Ihre Heiterkeit ſtören. Meine ſoll es wenigſtens ge¬ wiß nicht, denn ich freue mich aufrichtig den neuen Abgott der Reſidenz kennen zu lernen.“
„Sie kennen Jean Paul noch nicht?“
„Ich begegnete ihm wohl irgendwo.“
Die Geheimräthin ſah etwas verlegen vor ſich hin: „Ich hoffe, Sie disapprobiren nicht —“
„Was ſich verſteht in Credit zu ſetzen. Der Werth eines Staatsmanns, meine Freundin, und der eines Dichters, was ſind ſie an und für ſich, es kommt allein ihr Courswerth in Betrachtung, gleichviel, ob der Dichter ihn ſich ſelbſt gemacht, oder andere ſo gütig waren. A propos, da kann ich Ihnen eine Neuigkeit mittheilen. Bei Hofe iſt eine lebhafte In¬ trigue. Nachdem es nicht gelungen Schillern hier zu feſſeln, verſucht man Herrn Richter uns ein zu impfen. Die Parteien ſind getheilt. Ihre Majeſtät die Kö¬ nigin wünſcht ihm eine Präbende zuzuwenden. Beim Könige fürchtet man auf Schwierigkeiten zu ſtoßen. Um deswillen ſpielen alle Maſchinen. Die Berg läuft von dieſem zu jenem. Herr Jean Paul ſoll von der allgemeinen Gunſt gehoben und getra¬ gen werden, bis er dem Throne ſo ins Auge gerückt iſt, daß Seine Majeſtät ſich zu einer Aus¬ zeichnung gleichſam gezwungen fühlen. Daher werden die Kunſtgärtner bis zum Exceß um ihre ſeltenen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0085"n="75"/>
beſinnt. Ach Gott, der Möglichkeiten ſind ſo viele, daß<lb/>
ich es aufrichtig bereue, Sie nur einen Augenblick<lb/>
geängſtigt zu haben. Keinenfalls darf die Vorſtellung<lb/>
Ihre Heiterkeit ſtören. Meine ſoll es wenigſtens ge¬<lb/>
wiß nicht, denn ich freue mich aufrichtig den neuen<lb/>
Abgott der Reſidenz kennen zu lernen.“</p><lb/><p>„Sie kennen Jean Paul noch nicht?“</p><lb/><p>„Ich begegnete ihm wohl irgendwo.“</p><lb/><p>Die Geheimräthin ſah etwas verlegen vor ſich<lb/>
hin: „Ich hoffe, Sie disapprobiren nicht —“</p><lb/><p>„Was ſich verſteht in Credit zu ſetzen. Der<lb/>
Werth eines Staatsmanns, meine Freundin, und der<lb/>
eines Dichters, was ſind ſie an und für ſich, es kommt<lb/>
allein ihr Courswerth in Betrachtung, gleichviel, ob<lb/>
der Dichter ihn ſich ſelbſt gemacht, oder andere ſo<lb/>
gütig waren. <hirendition="#aq">A propos</hi>, da kann ich Ihnen eine<lb/>
Neuigkeit mittheilen. Bei Hofe iſt eine lebhafte In¬<lb/>
trigue. Nachdem es nicht gelungen Schillern hier zu<lb/>
feſſeln, verſucht man Herrn Richter uns ein zu impfen.<lb/>
Die Parteien ſind getheilt. Ihre Majeſtät die Kö¬<lb/>
nigin wünſcht ihm eine Präbende zuzuwenden. Beim<lb/>
Könige fürchtet man auf Schwierigkeiten zu ſtoßen.<lb/>
Um deswillen ſpielen alle Maſchinen. Die Berg<lb/>
läuft von dieſem zu jenem. Herr Jean Paul ſoll<lb/>
von der allgemeinen Gunſt gehoben und getra¬<lb/>
gen werden, bis er dem Throne ſo ins Auge<lb/>
gerückt iſt, daß Seine Majeſtät ſich zu einer Aus¬<lb/>
zeichnung gleichſam gezwungen fühlen. Daher werden<lb/>
die Kunſtgärtner bis zum Exceß um ihre ſeltenen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[75/0085]
beſinnt. Ach Gott, der Möglichkeiten ſind ſo viele, daß
ich es aufrichtig bereue, Sie nur einen Augenblick
geängſtigt zu haben. Keinenfalls darf die Vorſtellung
Ihre Heiterkeit ſtören. Meine ſoll es wenigſtens ge¬
wiß nicht, denn ich freue mich aufrichtig den neuen
Abgott der Reſidenz kennen zu lernen.“
„Sie kennen Jean Paul noch nicht?“
„Ich begegnete ihm wohl irgendwo.“
Die Geheimräthin ſah etwas verlegen vor ſich
hin: „Ich hoffe, Sie disapprobiren nicht —“
„Was ſich verſteht in Credit zu ſetzen. Der
Werth eines Staatsmanns, meine Freundin, und der
eines Dichters, was ſind ſie an und für ſich, es kommt
allein ihr Courswerth in Betrachtung, gleichviel, ob
der Dichter ihn ſich ſelbſt gemacht, oder andere ſo
gütig waren. A propos, da kann ich Ihnen eine
Neuigkeit mittheilen. Bei Hofe iſt eine lebhafte In¬
trigue. Nachdem es nicht gelungen Schillern hier zu
feſſeln, verſucht man Herrn Richter uns ein zu impfen.
Die Parteien ſind getheilt. Ihre Majeſtät die Kö¬
nigin wünſcht ihm eine Präbende zuzuwenden. Beim
Könige fürchtet man auf Schwierigkeiten zu ſtoßen.
Um deswillen ſpielen alle Maſchinen. Die Berg
läuft von dieſem zu jenem. Herr Jean Paul ſoll
von der allgemeinen Gunſt gehoben und getra¬
gen werden, bis er dem Throne ſo ins Auge
gerückt iſt, daß Seine Majeſtät ſich zu einer Aus¬
zeichnung gleichſam gezwungen fühlen. Daher werden
die Kunſtgärtner bis zum Exceß um ihre ſeltenen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/85>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.