Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

steile Treppe hinaufstieg, aber es war heut alles ganz
anders. Wie er mir schon entgegentrat! Er ist ein
herrlicher Mann! -- Ach Herr van Asten, bald hätte
ich Sie übersehen! O gehn Sie noch nicht fort, blei¬
ben Sie, Sie müssen es auch hören --"

Sie reichte ihm die Hand: "Ja, wie man sich
in dem Menschen täuschen kann. Neulich kamen mir
alle seine Reden so künstlich vor, und daß er das
zuließ von den Damen. Mir fiel einer von den
Götzen ein, von denen Sie mir aus Indien erzählt,
die sich umherrollen lassen, und ihre Sclaven liegen
auf der Erde. Verzeihen Sie mir, Mama, ich konnte
mich kaum zurückhalten aufzulachen, er kam mir so
unmännlich, albern vor, wie er auf dem Sopha ruhig
die Huldigungen hinnahm, und nichts dafür gab, als
blumigte Reden. Aber heut trat er mir mit einem
frischen, kräftigen "Herein!" entgegen, schon ange¬
kleidet. Er faßte meine Hand, als ich Ihre Bitte
kurz aussprach, aber nicht so süß wie neulich, es war
wie ein Mann dem andern die Hand schüttelt. Er
hörte mich freundlich an, und sprach dann: ""Sagen
Sie Ihrer Pflegemutter, ich nehme ihre Einladung
mit Dank an und werde kommen, ich danke Ihnen
aber, mein liebes Kind --"" doch das thut nichts
zur Sache --"

Rasch abbrechend küßte sie noch einmal die Mutter,
schüttelte van Asten zutraulich die Hand: "Freuen
Sie sich, er kommt!" und legte Umschlagetuch und
Hut fort.

ſteile Treppe hinaufſtieg, aber es war heut alles ganz
anders. Wie er mir ſchon entgegentrat! Er iſt ein
herrlicher Mann! — Ach Herr van Aſten, bald hätte
ich Sie überſehen! O gehn Sie noch nicht fort, blei¬
ben Sie, Sie müſſen es auch hören —“

Sie reichte ihm die Hand: „Ja, wie man ſich
in dem Menſchen täuſchen kann. Neulich kamen mir
alle ſeine Reden ſo künſtlich vor, und daß er das
zuließ von den Damen. Mir fiel einer von den
Götzen ein, von denen Sie mir aus Indien erzählt,
die ſich umherrollen laſſen, und ihre Sclaven liegen
auf der Erde. Verzeihen Sie mir, Mama, ich konnte
mich kaum zurückhalten aufzulachen, er kam mir ſo
unmännlich, albern vor, wie er auf dem Sopha ruhig
die Huldigungen hinnahm, und nichts dafür gab, als
blumigte Reden. Aber heut trat er mir mit einem
friſchen, kräftigen „Herein!“ entgegen, ſchon ange¬
kleidet. Er faßte meine Hand, als ich Ihre Bitte
kurz ausſprach, aber nicht ſo ſüß wie neulich, es war
wie ein Mann dem andern die Hand ſchüttelt. Er
hörte mich freundlich an, und ſprach dann: „„Sagen
Sie Ihrer Pflegemutter, ich nehme ihre Einladung
mit Dank an und werde kommen, ich danke Ihnen
aber, mein liebes Kind —““ doch das thut nichts
zur Sache —“

Raſch abbrechend küßte ſie noch einmal die Mutter,
ſchüttelte van Aſten zutraulich die Hand: „Freuen
Sie ſich, er kommt!“ und legte Umſchlagetuch und
Hut fort.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0049" n="39"/>
&#x017F;teile Treppe hinauf&#x017F;tieg, aber es war heut alles ganz<lb/>
anders. Wie er mir &#x017F;chon entgegentrat! Er i&#x017F;t ein<lb/>
herrlicher Mann! &#x2014; Ach Herr van A&#x017F;ten, bald hätte<lb/>
ich Sie über&#x017F;ehen! O gehn Sie noch nicht fort, blei¬<lb/>
ben Sie, Sie mü&#x017F;&#x017F;en es auch hören &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie reichte ihm die Hand: &#x201E;Ja, wie man &#x017F;ich<lb/>
in dem Men&#x017F;chen täu&#x017F;chen kann. Neulich kamen mir<lb/>
alle &#x017F;eine Reden &#x017F;o kün&#x017F;tlich vor, und daß er das<lb/>
zuließ von den Damen. Mir fiel einer von den<lb/>
Götzen ein, von denen Sie mir aus Indien erzählt,<lb/>
die &#x017F;ich umherrollen la&#x017F;&#x017F;en, und ihre Sclaven liegen<lb/>
auf der Erde. Verzeihen Sie mir, Mama, ich konnte<lb/>
mich kaum zurückhalten aufzulachen, er kam mir &#x017F;o<lb/>
unmännlich, albern vor, wie er auf dem Sopha ruhig<lb/>
die Huldigungen hinnahm, und nichts dafür gab, als<lb/>
blumigte Reden. Aber heut trat er mir mit einem<lb/>
fri&#x017F;chen, kräftigen &#x201E;Herein!&#x201C; entgegen, &#x017F;chon ange¬<lb/>
kleidet. Er faßte meine Hand, als ich Ihre Bitte<lb/>
kurz aus&#x017F;prach, aber nicht &#x017F;o &#x017F;üß wie neulich, es war<lb/>
wie ein Mann dem andern die Hand &#x017F;chüttelt. Er<lb/>
hörte mich freundlich an, und &#x017F;prach dann: &#x201E;&#x201E;Sagen<lb/>
Sie Ihrer Pflegemutter, ich nehme ihre Einladung<lb/>
mit Dank an und werde kommen, ich danke Ihnen<lb/>
aber, mein liebes Kind &#x2014;&#x201C;&#x201C; doch das thut nichts<lb/>
zur Sache &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ra&#x017F;ch abbrechend küßte &#x017F;ie noch einmal die Mutter,<lb/>
&#x017F;chüttelte van A&#x017F;ten zutraulich die Hand: &#x201E;Freuen<lb/>
Sie &#x017F;ich, er kommt!&#x201C; und legte Um&#x017F;chlagetuch und<lb/>
Hut fort.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0049] ſteile Treppe hinaufſtieg, aber es war heut alles ganz anders. Wie er mir ſchon entgegentrat! Er iſt ein herrlicher Mann! — Ach Herr van Aſten, bald hätte ich Sie überſehen! O gehn Sie noch nicht fort, blei¬ ben Sie, Sie müſſen es auch hören —“ Sie reichte ihm die Hand: „Ja, wie man ſich in dem Menſchen täuſchen kann. Neulich kamen mir alle ſeine Reden ſo künſtlich vor, und daß er das zuließ von den Damen. Mir fiel einer von den Götzen ein, von denen Sie mir aus Indien erzählt, die ſich umherrollen laſſen, und ihre Sclaven liegen auf der Erde. Verzeihen Sie mir, Mama, ich konnte mich kaum zurückhalten aufzulachen, er kam mir ſo unmännlich, albern vor, wie er auf dem Sopha ruhig die Huldigungen hinnahm, und nichts dafür gab, als blumigte Reden. Aber heut trat er mir mit einem friſchen, kräftigen „Herein!“ entgegen, ſchon ange¬ kleidet. Er faßte meine Hand, als ich Ihre Bitte kurz ausſprach, aber nicht ſo ſüß wie neulich, es war wie ein Mann dem andern die Hand ſchüttelt. Er hörte mich freundlich an, und ſprach dann: „„Sagen Sie Ihrer Pflegemutter, ich nehme ihre Einladung mit Dank an und werde kommen, ich danke Ihnen aber, mein liebes Kind —““ doch das thut nichts zur Sache —“ Raſch abbrechend küßte ſie noch einmal die Mutter, ſchüttelte van Aſten zutraulich die Hand: „Freuen Sie ſich, er kommt!“ und legte Umſchlagetuch und Hut fort.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/49
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/49>, abgerufen am 18.12.2024.