"Charmant!" -- "Allerliebst!" -- "Das ist Poesie!" -- "Das ist noch ein Dichter, der Gefühl hat." -- "Nein, eine Dichterin; es steht drunter Philippine de B." -- Die poetische Entzückung hatte die andre Seite der Gesellschaft aufmerksam gemacht, Einer das Zeitungsblatt ergriffen und in anderem Pathos die Poesie vorgelesen: "Von Bovillard! rief er, das riecht nach seiner Poesie!" und ein schallen¬ des Gelächter bestätigte im Chor.
Louis Bovillard hörte es nicht mehr. Er hatte sogleich den Verfasser errathen. Sein Vater liebte seine zarteren Gedanken, wie er es nannte, unter weib¬ lichen Namenschiffren ins Publikum zu schicken. Er irrte wieder durch die dunklen Straßen. Verspätete Theatergänger. Iffland und immer Iffland! -- Verliebte Pärchen; süßes Geflüster, aufgeschreckt durch seinen rauhen Fußtritt. -- "O Liebe, du Zauberin, lachte der Dämon in ihm, nur in die laue Nacht brauchst Du den Arm zu strecken, und die Herzen setzen an, wie die Fliegen an die Leimstange."
In der einsamen Straße, durch die er einbog, stand ein Militair an ein Haus gelehnt in horchender Stellung. Aus dem geöffneten Fenster oben blickte ver¬ stohlen eine weibliche Gestalt sich um, und als sie Nie¬ mand zu sehen glaubte, fiel ein Blumenstrauß auf den Lauscher. Als der Militair das Geschenk an seine Brust drücken wollte, fühlte er seinen Arm gepackt. Ein Halt! dröhnte durch die Stille, im selben Au¬ genblick klirrte das Fenster zu.
„Charmant!“ — „Allerliebſt!“ — „Das iſt Poeſie!“ — „Das iſt noch ein Dichter, der Gefühl hat.“ — „Nein, eine Dichterin; es ſteht drunter Philippine de B.“ — Die poetiſche Entzückung hatte die andre Seite der Geſellſchaft aufmerkſam gemacht, Einer das Zeitungsblatt ergriffen und in anderem Pathos die Poeſie vorgeleſen: „Von Bovillard! rief er, das riecht nach ſeiner Poeſie!“ und ein ſchallen¬ des Gelächter beſtätigte im Chor.
Louis Bovillard hörte es nicht mehr. Er hatte ſogleich den Verfaſſer errathen. Sein Vater liebte ſeine zarteren Gedanken, wie er es nannte, unter weib¬ lichen Namenschiffren ins Publikum zu ſchicken. Er irrte wieder durch die dunklen Straßen. Verſpätete Theatergänger. Iffland und immer Iffland! — Verliebte Pärchen; ſüßes Geflüſter, aufgeſchreckt durch ſeinen rauhen Fußtritt. — „O Liebe, du Zauberin, lachte der Dämon in ihm, nur in die laue Nacht brauchſt Du den Arm zu ſtrecken, und die Herzen ſetzen an, wie die Fliegen an die Leimſtange.“
In der einſamen Straße, durch die er einbog, ſtand ein Militair an ein Haus gelehnt in horchender Stellung. Aus dem geöffneten Fenſter oben blickte ver¬ ſtohlen eine weibliche Geſtalt ſich um, und als ſie Nie¬ mand zu ſehen glaubte, fiel ein Blumenſtrauß auf den Lauſcher. Als der Militair das Geſchenk an ſeine Bruſt drücken wollte, fühlte er ſeinen Arm gepackt. Ein Halt! dröhnte durch die Stille, im ſelben Au¬ genblick klirrte das Fenſter zu.
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„Charmant!“ — „Allerliebſt!“ — „Das iſt
Poeſie!“ — „Das iſt noch ein Dichter, der Gefühl
hat.“ — „Nein, eine Dichterin; es ſteht drunter
Philippine de B.“ — Die poetiſche Entzückung hatte
die andre Seite der Geſellſchaft aufmerkſam gemacht,
Einer das Zeitungsblatt ergriffen und in anderem
Pathos die Poeſie vorgeleſen: „Von Bovillard! rief
er, das riecht nach ſeiner Poeſie!“ und ein ſchallen¬
des Gelächter beſtätigte im Chor.
Louis Bovillard hörte es nicht mehr. Er hatte
ſogleich den Verfaſſer errathen. Sein Vater liebte
ſeine zarteren Gedanken, wie er es nannte, unter weib¬
lichen Namenschiffren ins Publikum zu ſchicken. Er
irrte wieder durch die dunklen Straßen. Verſpätete
Theatergänger. Iffland und immer Iffland! —
Verliebte Pärchen; ſüßes Geflüſter, aufgeſchreckt durch
ſeinen rauhen Fußtritt. — „O Liebe, du Zauberin,
lachte der Dämon in ihm, nur in die laue Nacht
brauchſt Du den Arm zu ſtrecken, und die Herzen
ſetzen an, wie die Fliegen an die Leimſtange.“
In der einſamen Straße, durch die er einbog,
ſtand ein Militair an ein Haus gelehnt in horchender
Stellung. Aus dem geöffneten Fenſter oben blickte ver¬
ſtohlen eine weibliche Geſtalt ſich um, und als ſie Nie¬
mand zu ſehen glaubte, fiel ein Blumenſtrauß auf den
Lauſcher. Als der Militair das Geſchenk an ſeine
Bruſt drücken wollte, fühlte er ſeinen Arm gepackt.
Ein Halt! dröhnte durch die Stille, im ſelben Au¬
genblick klirrte das Fenſter zu.
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/328>, abgerufen am 30.11.2024.
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