Sie einen alten Mann in einer schwachen Stunde betroffen haben!"
"Also das bleibt Alles unter uns," schien das letzte Wort, als er Waltern gleichsam an die Thüre gedrängt, aus Besorgniß, daß von den Allotriis doch noch etwas über die Lippen kommen könnte. Aber dort legte er die Hand ihm noch einmal auf die Schulter:
"Lieber Herr van Asten, um Sie ist mir nicht bange. So oder so, aus Ihnen wird was. Bleiben Sie ein vir integer. Rühren Sie nicht mehr Staub auf, als absolut nöthig ist. Aber das kann ich Ihnen wohl sagen: Wer nie in Italien war, nie das Al¬ baner-Gebirge gesehen hat, mit keinem Fußtritt am See gestanden, und doch wie Sie den Tractus von Albalonga, die alte Latinerstadt in dem länglichen Bergrücken herausfand, der ist auch zu mehr berufen. Heyne und Wolf und Alle, im Grunde genommen, was sind sie uns! Graeca sunt, non leguntur; es hat etwas für sich. Aber Latium! Rom ist ewig. Und nun will ich's Ihnen sagen, habe Ihre Disser¬ tation an Herrn Niebuhr geschickt. Er findet Sen¬ timent darin -- ästimirt Ihre Conjecturalkritik, wird einmal selbst an Ort und Stelle untersuchen -- jetzt kommt er her und wird wahrscheinlich Bancodirector. Ist das, dann können Sie auf eine Anstellung bei der Bank rechnen, und Ihr Schicksal ist gemacht."
Sie einen alten Mann in einer ſchwachen Stunde betroffen haben!“
„Alſo das bleibt Alles unter uns,“ ſchien das letzte Wort, als er Waltern gleichſam an die Thüre gedrängt, aus Beſorgniß, daß von den Allotriis doch noch etwas über die Lippen kommen könnte. Aber dort legte er die Hand ihm noch einmal auf die Schulter:
„Lieber Herr van Aſten, um Sie iſt mir nicht bange. So oder ſo, aus Ihnen wird was. Bleiben Sie ein vir integer. Rühren Sie nicht mehr Staub auf, als abſolut nöthig iſt. Aber das kann ich Ihnen wohl ſagen: Wer nie in Italien war, nie das Al¬ baner-Gebirge geſehen hat, mit keinem Fußtritt am See geſtanden, und doch wie Sie den Tractus von Albalonga, die alte Latinerſtadt in dem länglichen Bergrücken herausfand, der iſt auch zu mehr berufen. Heyne und Wolf und Alle, im Grunde genommen, was ſind ſie uns! Graeca sunt, non leguntur; es hat etwas für ſich. Aber Latium! Rom iſt ewig. Und nun will ich's Ihnen ſagen, habe Ihre Diſſer¬ tation an Herrn Niebuhr geſchickt. Er findet Sen¬ timent darin — äſtimirt Ihre Conjecturalkritik, wird einmal ſelbſt an Ort und Stelle unterſuchen — jetzt kommt er her und wird wahrſcheinlich Bancodirector. Iſt das, dann können Sie auf eine Anſtellung bei der Bank rechnen, und Ihr Schickſal iſt gemacht.“
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Sie einen alten Mann in einer ſchwachen Stunde
betroffen haben!“
„Alſo das bleibt Alles unter uns,“ ſchien das
letzte Wort, als er Waltern gleichſam an die Thüre
gedrängt, aus Beſorgniß, daß von den Allotriis doch
noch etwas über die Lippen kommen könnte. Aber
dort legte er die Hand ihm noch einmal auf die
Schulter:
„Lieber Herr van Aſten, um Sie iſt mir nicht
bange. So oder ſo, aus Ihnen wird was. Bleiben
Sie ein vir integer. Rühren Sie nicht mehr Staub
auf, als abſolut nöthig iſt. Aber das kann ich Ihnen
wohl ſagen: Wer nie in Italien war, nie das Al¬
baner-Gebirge geſehen hat, mit keinem Fußtritt am
See geſtanden, und doch wie Sie den Tractus von
Albalonga, die alte Latinerſtadt in dem länglichen
Bergrücken herausfand, der iſt auch zu mehr berufen.
Heyne und Wolf und Alle, im Grunde genommen,
was ſind ſie uns! Graeca sunt, non leguntur; es
hat etwas für ſich. Aber Latium! Rom iſt ewig.
Und nun will ich's Ihnen ſagen, habe Ihre Diſſer¬
tation an Herrn Niebuhr geſchickt. Er findet Sen¬
timent darin — äſtimirt Ihre Conjecturalkritik, wird
einmal ſelbſt an Ort und Stelle unterſuchen — jetzt
kommt er her und wird wahrſcheinlich Bancodirector.
Iſt das, dann können Sie auf eine Anſtellung bei
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/32>, abgerufen am 24.11.2024.
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