selbst gestandenes, ein so zartes Kind, daß es in dieser rauhen Luft erstarren konnte. War dieser Bücherwurm heute ein Magier!
"Sie sind in die Mamsell Alltag verliebt, fuhr er fort. Verdenk's Ihnen gar nicht. Ein hübsches und gescheidtes Mädchen. Sie möchten sie einmal heirathen. Noch besser. Zum Heirathen braucht man Brod, sicheres Brod, und sicheres Brod giebt nur eine Anstellung. Darum wollen Sie Ihre Freiheit hingeben und Carriere machen."
In dem Augenblick öffnete sich die Thüre, und der Kopf der Geheimräthin blickte herein: "Ehe Sie gehen, Herr van Asten, auf ein Wörtchen!"
Die Thüre ging wieder zu. Der Blick mußte eine eigenthümliche Wirkung haben. Ihr Gespräch war unterbrochen, aber auch die sonntägliche Stille des Zimmers war gestört. Der Kater hatte sich knurrend aufgerichtet, und Staub wirbelte durch den Sonnenschein. Es blieb noch eine Weile still. Es war, als ob der Gelehrte sich schämte. Dem Ein¬ dringling hätte er nicht zurufen können: Noli turbare circulos meos! er selbst war ja aus seinen Kreisen getreten; das machte ihn befangen.
Walter war es auch. Vor dem alten freund¬ lichen Manne, der mit der Wünschelruthe seinen ver¬ borgenen Schatz berührt, hätte er sprechen mögen, wie ihm zum Herzen war. Es lag schon auf der Zunge. Da war es plötzlich erstarrt vor dem stechenden Blicke, das süße Geheimniß schien ihm
ſelbſt geſtandenes, ein ſo zartes Kind, daß es in dieſer rauhen Luft erſtarren konnte. War dieſer Bücherwurm heute ein Magier!
„Sie ſind in die Mamſell Alltag verliebt, fuhr er fort. Verdenk's Ihnen gar nicht. Ein hübſches und geſcheidtes Mädchen. Sie möchten ſie einmal heirathen. Noch beſſer. Zum Heirathen braucht man Brod, ſicheres Brod, und ſicheres Brod giebt nur eine Anſtellung. Darum wollen Sie Ihre Freiheit hingeben und Carriere machen.“
In dem Augenblick öffnete ſich die Thüre, und der Kopf der Geheimräthin blickte herein: „Ehe Sie gehen, Herr van Aſten, auf ein Wörtchen!“
Die Thüre ging wieder zu. Der Blick mußte eine eigenthümliche Wirkung haben. Ihr Geſpräch war unterbrochen, aber auch die ſonntägliche Stille des Zimmers war geſtört. Der Kater hatte ſich knurrend aufgerichtet, und Staub wirbelte durch den Sonnenſchein. Es blieb noch eine Weile ſtill. Es war, als ob der Gelehrte ſich ſchämte. Dem Ein¬ dringling hätte er nicht zurufen können: Noli turbare circulos meos! er ſelbſt war ja aus ſeinen Kreiſen getreten; das machte ihn befangen.
Walter war es auch. Vor dem alten freund¬ lichen Manne, der mit der Wünſchelruthe ſeinen ver¬ borgenen Schatz berührt, hätte er ſprechen mögen, wie ihm zum Herzen war. Es lag ſchon auf der Zunge. Da war es plötzlich erſtarrt vor dem ſtechenden Blicke, das ſüße Geheimniß ſchien ihm
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[20/0030]
ſelbſt geſtandenes, ein ſo zartes Kind, daß es in
dieſer rauhen Luft erſtarren konnte. War dieſer
Bücherwurm heute ein Magier!
„Sie ſind in die Mamſell Alltag verliebt, fuhr
er fort. Verdenk's Ihnen gar nicht. Ein hübſches
und geſcheidtes Mädchen. Sie möchten ſie einmal
heirathen. Noch beſſer. Zum Heirathen braucht man
Brod, ſicheres Brod, und ſicheres Brod giebt nur
eine Anſtellung. Darum wollen Sie Ihre Freiheit
hingeben und Carriere machen.“
In dem Augenblick öffnete ſich die Thüre, und
der Kopf der Geheimräthin blickte herein: „Ehe Sie
gehen, Herr van Aſten, auf ein Wörtchen!“
Die Thüre ging wieder zu. Der Blick mußte
eine eigenthümliche Wirkung haben. Ihr Geſpräch
war unterbrochen, aber auch die ſonntägliche Stille
des Zimmers war geſtört. Der Kater hatte ſich
knurrend aufgerichtet, und Staub wirbelte durch den
Sonnenſchein. Es blieb noch eine Weile ſtill. Es
war, als ob der Gelehrte ſich ſchämte. Dem Ein¬
dringling hätte er nicht zurufen können: Noli turbare
circulos meos! er ſelbſt war ja aus ſeinen Kreiſen
getreten; das machte ihn befangen.
Walter war es auch. Vor dem alten freund¬
lichen Manne, der mit der Wünſchelruthe ſeinen ver¬
borgenen Schatz berührt, hätte er ſprechen mögen,
wie ihm zum Herzen war. Es lag ſchon auf der
Zunge. Da war es plötzlich erſtarrt vor dem
ſtechenden Blicke, das ſüße Geheimniß ſchien ihm
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/30>, abgerufen am 21.11.2024.
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