Das von unten Anfangen ist das solideste. Erst in der Kanzlei ein Jahr, höchstens ein Paar als Copist. Dann machen wir einen Versuch mit dem Expediren, Secretair! An Connexionen wird es Ihnen ja wohl bei guter Conduite nicht fehlen -- lächelte der Mi¬ nister -- dann Geheimsecretair, Kanzleiinspector!"
Der junge Mann stand sprachlos da.
"Der Kriegsrath Alltag, sehn Sie dessen Car¬ riere! Noch nicht voll sechszig und war schon Kanzlei¬ director mit dem Titel Kriegsrath, und Sie wissen nicht, was er noch wird! -- Aber nun etwas, mein junger Herr, die Flausen lassen Sie aus dem Kopf. Nie etwas besser wissen wollen als Ihre Vorgesetzten. Wenn's auch mal falsch wäre, nie den Mund aufge¬ than. Sie wissen nicht, warum Sie's falsch machen. Keine Sylbe mehr gedruckt, das versteht sich von selbst. Wenn Sie Bücher lesen müssen, thun Sie's für sich. Nöthig ist's nicht. Stört immer im Dienst. Gelehrte sind schlechte Officianten. Und -- der Minister faßte mit holdseliger Miene den Knopf seines Rockes -- und am Copistentisch sollen Sie nicht zu lange sitzen, Sie schreiben ja eine saubre, präcise Hand, habe mich wirklich gefreut, die Grundstriche so grade und voll. Daran sieht man den Character. Da dispen¬ siren wir Sie wohl schon nach einem halben Jahre!"
Walter hatte die volle Sprache und Ruhe wieder gewonnen:
"Gerührten Herzens habe ich Ew. Excellenz gü¬ tige Intentionen vernommen, die ich wohl nur der
Das von unten Anfangen iſt das ſolideſte. Erſt in der Kanzlei ein Jahr, höchſtens ein Paar als Copiſt. Dann machen wir einen Verſuch mit dem Expediren, Secretair! An Connexionen wird es Ihnen ja wohl bei guter Conduite nicht fehlen — lächelte der Mi¬ niſter — dann Geheimſecretair, Kanzleiinſpector!“
Der junge Mann ſtand ſprachlos da.
„Der Kriegsrath Alltag, ſehn Sie deſſen Car¬ riere! Noch nicht voll ſechszig und war ſchon Kanzlei¬ director mit dem Titel Kriegsrath, und Sie wiſſen nicht, was er noch wird! — Aber nun etwas, mein junger Herr, die Flauſen laſſen Sie aus dem Kopf. Nie etwas beſſer wiſſen wollen als Ihre Vorgeſetzten. Wenn's auch mal falſch wäre, nie den Mund aufge¬ than. Sie wiſſen nicht, warum Sie's falſch machen. Keine Sylbe mehr gedruckt, das verſteht ſich von ſelbſt. Wenn Sie Bücher leſen müſſen, thun Sie's für ſich. Nöthig iſt's nicht. Stört immer im Dienſt. Gelehrte ſind ſchlechte Officianten. Und — der Miniſter faßte mit holdſeliger Miene den Knopf ſeines Rockes — und am Copiſtentiſch ſollen Sie nicht zu lange ſitzen, Sie ſchreiben ja eine ſaubre, präciſe Hand, habe mich wirklich gefreut, die Grundſtriche ſo grade und voll. Daran ſieht man den Character. Da dispen¬ ſiren wir Sie wohl ſchon nach einem halben Jahre!“
Walter hatte die volle Sprache und Ruhe wieder gewonnen:
„Gerührten Herzens habe ich Ew. Excellenz gü¬ tige Intentionen vernommen, die ich wohl nur der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0297"n="287"/>
Das von unten Anfangen iſt das ſolideſte. Erſt in<lb/>
der Kanzlei ein Jahr, höchſtens ein Paar als Copiſt.<lb/>
Dann machen wir einen Verſuch mit dem Expediren,<lb/>
Secretair! An Connexionen wird es Ihnen ja wohl<lb/>
bei guter Conduite nicht fehlen — lächelte der Mi¬<lb/>
niſter — dann Geheimſecretair, Kanzleiinſpector!“</p><lb/><p>Der junge Mann ſtand ſprachlos da.</p><lb/><p>„Der Kriegsrath Alltag, ſehn Sie deſſen Car¬<lb/>
riere! Noch nicht voll ſechszig und war ſchon Kanzlei¬<lb/>
director mit dem Titel Kriegsrath, und Sie wiſſen<lb/>
nicht, was er noch wird! — Aber nun etwas, mein<lb/>
junger Herr, die Flauſen laſſen Sie aus dem Kopf.<lb/>
Nie etwas beſſer wiſſen wollen als Ihre Vorgeſetzten.<lb/>
Wenn's auch mal falſch wäre, nie den Mund aufge¬<lb/>
than. Sie wiſſen nicht, warum Sie's falſch machen.<lb/>
Keine Sylbe mehr gedruckt, das verſteht ſich von ſelbſt.<lb/>
Wenn Sie Bücher leſen müſſen, thun Sie's für ſich.<lb/>
Nöthig iſt's nicht. Stört immer im Dienſt. Gelehrte<lb/>ſind ſchlechte Officianten. Und — der Miniſter faßte<lb/>
mit holdſeliger Miene den Knopf ſeines Rockes —<lb/>
und am Copiſtentiſch ſollen Sie nicht zu lange ſitzen,<lb/>
Sie ſchreiben ja eine ſaubre, präciſe Hand, habe<lb/>
mich wirklich gefreut, die Grundſtriche ſo grade und<lb/>
voll. Daran ſieht man den Character. Da dispen¬<lb/>ſiren wir Sie wohl ſchon nach einem halben Jahre!“</p><lb/><p>Walter hatte die volle Sprache und Ruhe wieder<lb/>
gewonnen:</p><lb/><p>„Gerührten Herzens habe ich Ew. Excellenz gü¬<lb/>
tige Intentionen vernommen, die ich wohl nur der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[287/0297]
Das von unten Anfangen iſt das ſolideſte. Erſt in
der Kanzlei ein Jahr, höchſtens ein Paar als Copiſt.
Dann machen wir einen Verſuch mit dem Expediren,
Secretair! An Connexionen wird es Ihnen ja wohl
bei guter Conduite nicht fehlen — lächelte der Mi¬
niſter — dann Geheimſecretair, Kanzleiinſpector!“
Der junge Mann ſtand ſprachlos da.
„Der Kriegsrath Alltag, ſehn Sie deſſen Car¬
riere! Noch nicht voll ſechszig und war ſchon Kanzlei¬
director mit dem Titel Kriegsrath, und Sie wiſſen
nicht, was er noch wird! — Aber nun etwas, mein
junger Herr, die Flauſen laſſen Sie aus dem Kopf.
Nie etwas beſſer wiſſen wollen als Ihre Vorgeſetzten.
Wenn's auch mal falſch wäre, nie den Mund aufge¬
than. Sie wiſſen nicht, warum Sie's falſch machen.
Keine Sylbe mehr gedruckt, das verſteht ſich von ſelbſt.
Wenn Sie Bücher leſen müſſen, thun Sie's für ſich.
Nöthig iſt's nicht. Stört immer im Dienſt. Gelehrte
ſind ſchlechte Officianten. Und — der Miniſter faßte
mit holdſeliger Miene den Knopf ſeines Rockes —
und am Copiſtentiſch ſollen Sie nicht zu lange ſitzen,
Sie ſchreiben ja eine ſaubre, präciſe Hand, habe
mich wirklich gefreut, die Grundſtriche ſo grade und
voll. Daran ſieht man den Character. Da dispen¬
ſiren wir Sie wohl ſchon nach einem halben Jahre!“
Walter hatte die volle Sprache und Ruhe wieder
gewonnen:
„Gerührten Herzens habe ich Ew. Excellenz gü¬
tige Intentionen vernommen, die ich wohl nur der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/297>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.