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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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diesmal weit gefaßter im Gefängniß, ja er hat selbst
erklärt, es wäre ihm lieb, Berlin und Preußen auf
immer zu verlassen."

"Charmant! sagte der Geheimrath. Aber wo¬
hin? Wenn wir Colonien hätten!"

"Wenn wir die hätten! sagte der Minister und
legte seufzend seine Hand auf Bovillards Schulter.
Dann wäre vieles besser. Das waren die Herren
von der Theorie unter den vorigen Königen! Ge¬
stehn Sie mir, Geheimrath, ist das ein kluger Staats¬
mann, der eine Domaine, weil sie nur Tausend ein¬
bringt und er hoffte 'ne Million, der sie darum für
'nen Spottpreis fortgiebt! Brauchten wir unser Korn,
Holz den Engländern zu verkaufen, uns von ihnen
Preise machen lassen? Müßten wir noch von ihren
Colonialwaaren nehmen? Hätten wir Noth, wo
unsre schlesische Leinwand lassen? Brauchten wir
Rußland zu bitten, wie neulich, unsere incorrigiblen
Verbrecher nach Sibirien zu schaffen! Colonien, Herr
Geheimrath, und wir schafften unsre Verbrecher hin,
unsre Rohproducte, unsre Fabrikwaare, Ihren Herrn
Sohn auch, wir machten allein die Preise, und die Colo¬
nisten müßten kaufen und bezahlen. Wenn das wäre,
könnten wir doppelt lachen über die Calamitäten um
uns her; wir können es aber auch so. Sie schlagen
sich, plündern, brennen, verwüsten, und wir cultivi¬
ren unser Land, protegiren unsre Fabriken. Dann
halten wir Markt und machen auch die Preise. Wie
steigen jetzt schon unsre Güter mit den Friedens¬

II. 18

diesmal weit gefaßter im Gefängniß, ja er hat ſelbſt
erklärt, es wäre ihm lieb, Berlin und Preußen auf
immer zu verlaſſen.“

„Charmant! ſagte der Geheimrath. Aber wo¬
hin? Wenn wir Colonien hätten!“

„Wenn wir die hätten! ſagte der Miniſter und
legte ſeufzend ſeine Hand auf Bovillards Schulter.
Dann wäre vieles beſſer. Das waren die Herren
von der Theorie unter den vorigen Königen! Ge¬
ſtehn Sie mir, Geheimrath, iſt das ein kluger Staats¬
mann, der eine Domaine, weil ſie nur Tauſend ein¬
bringt und er hoffte 'ne Million, der ſie darum für
'nen Spottpreis fortgiebt! Brauchten wir unſer Korn,
Holz den Engländern zu verkaufen, uns von ihnen
Preiſe machen laſſen? Müßten wir noch von ihren
Colonialwaaren nehmen? Hätten wir Noth, wo
unſre ſchleſiſche Leinwand laſſen? Brauchten wir
Rußland zu bitten, wie neulich, unſere incorrigiblen
Verbrecher nach Sibirien zu ſchaffen! Colonien, Herr
Geheimrath, und wir ſchafften unſre Verbrecher hin,
unſre Rohproducte, unſre Fabrikwaare, Ihren Herrn
Sohn auch, wir machten allein die Preiſe, und die Colo¬
niſten müßten kaufen und bezahlen. Wenn das wäre,
könnten wir doppelt lachen über die Calamitäten um
uns her; wir können es aber auch ſo. Sie ſchlagen
ſich, plündern, brennen, verwüſten, und wir cultivi¬
ren unſer Land, protegiren unſre Fabriken. Dann
halten wir Markt und machen auch die Preiſe. Wie
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[273/0283] diesmal weit gefaßter im Gefängniß, ja er hat ſelbſt erklärt, es wäre ihm lieb, Berlin und Preußen auf immer zu verlaſſen.“ „Charmant! ſagte der Geheimrath. Aber wo¬ hin? Wenn wir Colonien hätten!“ „Wenn wir die hätten! ſagte der Miniſter und legte ſeufzend ſeine Hand auf Bovillards Schulter. Dann wäre vieles beſſer. Das waren die Herren von der Theorie unter den vorigen Königen! Ge¬ ſtehn Sie mir, Geheimrath, iſt das ein kluger Staats¬ mann, der eine Domaine, weil ſie nur Tauſend ein¬ bringt und er hoffte 'ne Million, der ſie darum für 'nen Spottpreis fortgiebt! Brauchten wir unſer Korn, Holz den Engländern zu verkaufen, uns von ihnen Preiſe machen laſſen? Müßten wir noch von ihren Colonialwaaren nehmen? Hätten wir Noth, wo unſre ſchleſiſche Leinwand laſſen? Brauchten wir Rußland zu bitten, wie neulich, unſere incorrigiblen Verbrecher nach Sibirien zu ſchaffen! Colonien, Herr Geheimrath, und wir ſchafften unſre Verbrecher hin, unſre Rohproducte, unſre Fabrikwaare, Ihren Herrn Sohn auch, wir machten allein die Preiſe, und die Colo¬ niſten müßten kaufen und bezahlen. Wenn das wäre, könnten wir doppelt lachen über die Calamitäten um uns her; wir können es aber auch ſo. Sie ſchlagen ſich, plündern, brennen, verwüſten, und wir cultivi¬ ren unſer Land, protegiren unſre Fabriken. Dann halten wir Markt und machen auch die Preiſe. Wie ſteigen jetzt ſchon unſre Güter mit den Friedens¬ II. 18

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/283>, abgerufen am 27.11.2024.