aber keinen Durchmarsch der vom König von Schweden in Stralsund gesammelten Truppen gestatten, auch nicht den Durchmarsch der Völker Seiner Majestät des Kaisers von Rußland durch Schlesien, um Oest¬ reich Hülfe zu bringen, und ebensowenig den von Truppen des französischen Kaisers durch welche Pro¬ vinzen unsres Staates es sei, um einen Angriff gegen die Staaten Seiner Majestät des Kaisers von Oest¬ reich zu effectuiren, wir würden vielmehr jedes Unter¬ nehmen der Art als casus belli betrachten, getreu dem so lange bewährten Grundsatz unseres Staates, unsre Unterthanen vor jeder Unruhe, von innen wie von außen zu bewahren.""
"Ich habe es selbst chiffrirt," setzte der Vicomte hinzu, das Papier wieder einsteckend. Die triumphi¬ rende Miene des jungen Mannes verzog sich als er das lauernde Gesicht des Legationsrathes sah, der mit angestrengter Aufmerksamkeit, das Auge halb zu, das Ohr vorgebeugt, hingehorcht hatte. Er hatte sich induciren lassen. Wandel hatte indeß ebenso schnell sein Gesicht in die gewohnten Formen zurück gezwängt, und auch er zog die Brieftasche heraus, hielt sie vors Auge und las -- fast wörtlich dasselbe, was der Vicomte gelesen. Gleichgültig schloß er nach dem letzten Worte den Stahldrücker und steckte das Etui in die Brusttasche:
"Ich wollte Ihnen nur zeigen, daß es auch andre Quellen giebt, um aus den preußischen Staats¬ geheimnissen zu schöpfen. -- Nun aber wünschte ich
17*
aber keinen Durchmarſch der vom König von Schweden in Stralſund geſammelten Truppen geſtatten, auch nicht den Durchmarſch der Völker Seiner Majeſtät des Kaiſers von Rußland durch Schleſien, um Oeſt¬ reich Hülfe zu bringen, und ebenſowenig den von Truppen des franzöſiſchen Kaiſers durch welche Pro¬ vinzen unſres Staates es ſei, um einen Angriff gegen die Staaten Seiner Majeſtät des Kaiſers von Oeſt¬ reich zu effectuiren, wir würden vielmehr jedes Unter¬ nehmen der Art als casus belli betrachten, getreu dem ſo lange bewährten Grundſatz unſeres Staates, unſre Unterthanen vor jeder Unruhe, von innen wie von außen zu bewahren.““
„Ich habe es ſelbſt chiffrirt,“ ſetzte der Vicomte hinzu, das Papier wieder einſteckend. Die triumphi¬ rende Miene des jungen Mannes verzog ſich als er das lauernde Geſicht des Legationsrathes ſah, der mit angeſtrengter Aufmerkſamkeit, das Auge halb zu, das Ohr vorgebeugt, hingehorcht hatte. Er hatte ſich induciren laſſen. Wandel hatte indeß ebenſo ſchnell ſein Geſicht in die gewohnten Formen zurück gezwängt, und auch er zog die Brieftaſche heraus, hielt ſie vors Auge und las — faſt wörtlich daſſelbe, was der Vicomte geleſen. Gleichgültig ſchloß er nach dem letzten Worte den Stahldrücker und ſteckte das Etui in die Bruſttaſche:
„Ich wollte Ihnen nur zeigen, daß es auch andre Quellen giebt, um aus den preußiſchen Staats¬ geheimniſſen zu ſchöpfen. — Nun aber wünſchte ich
17*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0269"n="259"/>
aber keinen Durchmarſch der vom König von Schweden<lb/>
in Stralſund geſammelten Truppen geſtatten, auch<lb/>
nicht den Durchmarſch der Völker Seiner Majeſtät<lb/>
des Kaiſers von Rußland durch Schleſien, um Oeſt¬<lb/>
reich Hülfe zu bringen, und ebenſowenig den von<lb/>
Truppen des franzöſiſchen Kaiſers durch welche Pro¬<lb/>
vinzen unſres Staates es ſei, um einen Angriff gegen<lb/>
die Staaten Seiner Majeſtät des Kaiſers von Oeſt¬<lb/>
reich zu effectuiren, wir würden vielmehr jedes Unter¬<lb/>
nehmen der Art als <hirendition="#aq">casus belli</hi> betrachten, getreu<lb/>
dem ſo lange bewährten Grundſatz unſeres Staates,<lb/>
unſre Unterthanen vor jeder Unruhe, von innen wie<lb/>
von außen zu bewahren.““</p><lb/><p>„Ich habe es ſelbſt chiffrirt,“ſetzte der Vicomte<lb/>
hinzu, das Papier wieder einſteckend. Die triumphi¬<lb/>
rende Miene des jungen Mannes verzog ſich als er<lb/>
das lauernde Geſicht des Legationsrathes ſah, der<lb/>
mit angeſtrengter Aufmerkſamkeit, das Auge halb zu,<lb/>
das Ohr vorgebeugt, hingehorcht hatte. Er hatte<lb/>ſich induciren laſſen. Wandel hatte indeß ebenſo<lb/>ſchnell ſein Geſicht in die gewohnten Formen zurück<lb/>
gezwängt, und auch er zog die Brieftaſche heraus,<lb/>
hielt ſie vors Auge und las — faſt wörtlich daſſelbe,<lb/>
was der Vicomte geleſen. Gleichgültig ſchloß er nach<lb/>
dem letzten Worte den Stahldrücker und ſteckte das<lb/>
Etui in die Bruſttaſche:</p><lb/><p>„Ich wollte Ihnen nur zeigen, daß es auch<lb/>
andre Quellen giebt, um aus den preußiſchen Staats¬<lb/>
geheimniſſen zu ſchöpfen. — Nun aber wünſchte ich<lb/><fwplace="bottom"type="sig">17*<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[259/0269]
aber keinen Durchmarſch der vom König von Schweden
in Stralſund geſammelten Truppen geſtatten, auch
nicht den Durchmarſch der Völker Seiner Majeſtät
des Kaiſers von Rußland durch Schleſien, um Oeſt¬
reich Hülfe zu bringen, und ebenſowenig den von
Truppen des franzöſiſchen Kaiſers durch welche Pro¬
vinzen unſres Staates es ſei, um einen Angriff gegen
die Staaten Seiner Majeſtät des Kaiſers von Oeſt¬
reich zu effectuiren, wir würden vielmehr jedes Unter¬
nehmen der Art als casus belli betrachten, getreu
dem ſo lange bewährten Grundſatz unſeres Staates,
unſre Unterthanen vor jeder Unruhe, von innen wie
von außen zu bewahren.““
„Ich habe es ſelbſt chiffrirt,“ ſetzte der Vicomte
hinzu, das Papier wieder einſteckend. Die triumphi¬
rende Miene des jungen Mannes verzog ſich als er
das lauernde Geſicht des Legationsrathes ſah, der
mit angeſtrengter Aufmerkſamkeit, das Auge halb zu,
das Ohr vorgebeugt, hingehorcht hatte. Er hatte
ſich induciren laſſen. Wandel hatte indeß ebenſo
ſchnell ſein Geſicht in die gewohnten Formen zurück
gezwängt, und auch er zog die Brieftaſche heraus,
hielt ſie vors Auge und las — faſt wörtlich daſſelbe,
was der Vicomte geleſen. Gleichgültig ſchloß er nach
dem letzten Worte den Stahldrücker und ſteckte das
Etui in die Bruſttaſche:
„Ich wollte Ihnen nur zeigen, daß es auch
andre Quellen giebt, um aus den preußiſchen Staats¬
geheimniſſen zu ſchöpfen. — Nun aber wünſchte ich
17*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/269>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.