Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Außer sehr Vielen Adelheids Eltern, und sehr
ernstlich."

"Impertinent! Am Ende wünschen sie, daß ich
noch bei meinen Lebzeiten meines Vermögens mich
entäußere, um das aufgenommene Mädchen aus¬
zustatten."

"Solche Wünsche spricht man wenigstens nicht
laut aus."

"O sie sollen sich getäuscht sehen. Ich will --"

"Keinen Eclat, meine Freundin. Keine Affecte
in solcher gleichgültigen Sache. Ihr Wille ist ja
genug. Sie hatten also nie im Sinne, sie wirklich
an Kindesstatt anzunehmen?"

"Und wenn ich einmal daran dachte --"

"So sind Sie bei reiferer Ueberlegung von der
Thörigkeit dieses Entschlusses überzeugt, und Sie
sind die Frau, die in einer Aufwallung nichts ändert.
Was braucht es denn mehr, die Sache ist zwischen
uns -- ich meine in Ihrem Geiste klar. Aber wozu
das auszusprechen. Ich würde es auch nicht merken
lassen. Laß die Gimpel sich doch täuschen. Wozu
gab Gott jedem sein Maaß Klugheit? Warum sol¬
len wir mit dem, was wir übrig haben, den Thoren
beispringen. Und vielleicht verschafft der Glaube
dem Mädchen doch eine gute Partie. Und ist es
einmal so weit, dann springt auch nicht gleich jeder
darum ab. Das Point d'Honneur ist eine Erfindung, um
die Mittelmäßigen zu reguliren. Und giebt es nicht
mariages d'inclination? Und -- wer weiß, wie Sie

„Außer ſehr Vielen Adelheids Eltern, und ſehr
ernſtlich.“

„Impertinent! Am Ende wünſchen ſie, daß ich
noch bei meinen Lebzeiten meines Vermögens mich
entäußere, um das aufgenommene Mädchen aus¬
zuſtatten.“

„Solche Wünſche ſpricht man wenigſtens nicht
laut aus.“

„O ſie ſollen ſich getäuſcht ſehen. Ich will —“

„Keinen Eclat, meine Freundin. Keine Affecte
in ſolcher gleichgültigen Sache. Ihr Wille iſt ja
genug. Sie hatten alſo nie im Sinne, ſie wirklich
an Kindesſtatt anzunehmen?“

„Und wenn ich einmal daran dachte —“

„So ſind Sie bei reiferer Ueberlegung von der
Thörigkeit dieſes Entſchluſſes überzeugt, und Sie
ſind die Frau, die in einer Aufwallung nichts ändert.
Was braucht es denn mehr, die Sache iſt zwiſchen
uns — ich meine in Ihrem Geiſte klar. Aber wozu
das auszuſprechen. Ich würde es auch nicht merken
laſſen. Laß die Gimpel ſich doch täuſchen. Wozu
gab Gott jedem ſein Maaß Klugheit? Warum ſol¬
len wir mit dem, was wir übrig haben, den Thoren
beiſpringen. Und vielleicht verſchafft der Glaube
dem Mädchen doch eine gute Partie. Und iſt es
einmal ſo weit, dann ſpringt auch nicht gleich jeder
darum ab. Das Point d'Honneur iſt eine Erfindung, um
die Mittelmäßigen zu reguliren. Und giebt es nicht
mariages d'inclination? Und — wer weiß, wie Sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0257" n="247"/>
        <p>&#x201E;Außer &#x017F;ehr Vielen Adelheids Eltern, und &#x017F;ehr<lb/>
ern&#x017F;tlich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Impertinent! Am Ende wün&#x017F;chen &#x017F;ie, daß ich<lb/>
noch bei meinen Lebzeiten meines Vermögens mich<lb/>
entäußere, um das aufgenommene Mädchen aus¬<lb/>
zu&#x017F;tatten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Solche Wün&#x017F;che &#x017F;pricht man wenig&#x017F;tens nicht<lb/>
laut aus.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;O &#x017F;ie &#x017F;ollen &#x017F;ich getäu&#x017F;cht &#x017F;ehen. Ich will &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Keinen Eclat, meine Freundin. Keine Affecte<lb/>
in &#x017F;olcher gleichgültigen Sache. Ihr Wille i&#x017F;t ja<lb/>
genug. Sie hatten al&#x017F;o nie im Sinne, &#x017F;ie wirklich<lb/>
an Kindes&#x017F;tatt anzunehmen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und wenn ich einmal daran dachte &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So &#x017F;ind Sie bei reiferer Ueberlegung von der<lb/>
Thörigkeit die&#x017F;es Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;es überzeugt, und Sie<lb/>
&#x017F;ind die Frau, die in einer Aufwallung nichts ändert.<lb/>
Was braucht es denn mehr, die Sache i&#x017F;t zwi&#x017F;chen<lb/>
uns &#x2014; ich meine in Ihrem Gei&#x017F;te klar. Aber wozu<lb/>
das auszu&#x017F;prechen. Ich würde es auch nicht merken<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Laß die Gimpel &#x017F;ich doch täu&#x017F;chen. Wozu<lb/>
gab Gott jedem &#x017F;ein Maaß Klugheit? Warum &#x017F;ol¬<lb/>
len wir mit dem, was wir übrig haben, den Thoren<lb/>
bei&#x017F;pringen. Und vielleicht ver&#x017F;chafft der Glaube<lb/>
dem Mädchen doch eine gute Partie. Und i&#x017F;t es<lb/>
einmal &#x017F;o weit, dann &#x017F;pringt auch nicht gleich jeder<lb/>
darum ab. Das Point d'Honneur i&#x017F;t eine Erfindung, um<lb/>
die Mittelmäßigen zu reguliren. Und giebt es nicht<lb/><hi rendition="#aq">mariages d'inclination</hi>? Und &#x2014; wer weiß, wie Sie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0257] „Außer ſehr Vielen Adelheids Eltern, und ſehr ernſtlich.“ „Impertinent! Am Ende wünſchen ſie, daß ich noch bei meinen Lebzeiten meines Vermögens mich entäußere, um das aufgenommene Mädchen aus¬ zuſtatten.“ „Solche Wünſche ſpricht man wenigſtens nicht laut aus.“ „O ſie ſollen ſich getäuſcht ſehen. Ich will —“ „Keinen Eclat, meine Freundin. Keine Affecte in ſolcher gleichgültigen Sache. Ihr Wille iſt ja genug. Sie hatten alſo nie im Sinne, ſie wirklich an Kindesſtatt anzunehmen?“ „Und wenn ich einmal daran dachte —“ „So ſind Sie bei reiferer Ueberlegung von der Thörigkeit dieſes Entſchluſſes überzeugt, und Sie ſind die Frau, die in einer Aufwallung nichts ändert. Was braucht es denn mehr, die Sache iſt zwiſchen uns — ich meine in Ihrem Geiſte klar. Aber wozu das auszuſprechen. Ich würde es auch nicht merken laſſen. Laß die Gimpel ſich doch täuſchen. Wozu gab Gott jedem ſein Maaß Klugheit? Warum ſol¬ len wir mit dem, was wir übrig haben, den Thoren beiſpringen. Und vielleicht verſchafft der Glaube dem Mädchen doch eine gute Partie. Und iſt es einmal ſo weit, dann ſpringt auch nicht gleich jeder darum ab. Das Point d'Honneur iſt eine Erfindung, um die Mittelmäßigen zu reguliren. Und giebt es nicht mariages d'inclination? Und — wer weiß, wie Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/257
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/257>, abgerufen am 27.11.2024.