Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.Aber diesen Segen soll sie auch dem verlornen Bruder Walter mußte inne halten. Adelheid hatte plötz¬ "Ist Ihnen wieder unwohl?" "Nichts, lieber Walter. -- Fahren Sie nur fort, "Es ist doch wohl besser, wir setzen heut noch "Nein, um Gottes Willen nein, heute muß es "Aber Orest wird ja geheilt." "Wer seine Mutter todt schlug!" "Lesen Sie, liebe Adelheid, irgend eine heitre Adelheid las, was sie zufällig aufschlug: "Das ist's, warum mein blutend Herz nicht heilt. In erster Jugend, da sich kaum die Seele An Vater, Mutter und Geschwister band; Die neuen Schößlinge, gesellt und lieblich, Aber dieſen Segen ſoll ſie auch dem verlornen Bruder Walter mußte inne halten. Adelheid hatte plötz¬ „Iſt Ihnen wieder unwohl?“ „Nichts, lieber Walter. — Fahren Sie nur fort, „Es iſt doch wohl beſſer, wir ſetzen heut noch „Nein, um Gottes Willen nein, heute muß es „Aber Oreſt wird ja geheilt.“ „Wer ſeine Mutter todt ſchlug!“ „Leſen Sie, liebe Adelheid, irgend eine heitre Adelheid las, was ſie zufällig aufſchlug: „Das iſt's, warum mein blutend Herz nicht heilt. In erſter Jugend, da ſich kaum die Seele An Vater, Mutter und Geſchwiſter band; Die neuen Schößlinge, geſellt und lieblich, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0232" n="222"/> <p>Aber dieſen Segen ſoll ſie auch dem verlornen Bruder<lb/> mittheilen. Der Athem ihrer reinen Bruſt ſoll den<lb/> Wahnſinn auf ſeiner glühenden Stirne kühlen, die<lb/> wüſten Bilder aus ſeiner zerriſſenen Bruſt vertreiben.<lb/> Er bekennt ihr den ganzen, vollen, entſetzlichen Fluch,<lb/> der auf ihm laſtet, er ſtürzt vor ihr nieder, als er ſie<lb/> erkennt —“</p><lb/> <p>Walter mußte inne halten. Adelheid hatte plötz¬<lb/> lich die Hand zurückgezogen und hielt ſich die Bruſt.<lb/> Dann fuhr ſie ſich über die Stirn.</p><lb/> <p>„Iſt Ihnen wieder unwohl?“</p><lb/> <p>„Nichts, lieber Walter. — Fahren Sie nur fort,<lb/> Sie erzählen ſo ſchön.“</p><lb/> <p>„Es iſt doch wohl beſſer, wir ſetzen heut noch<lb/> die Stunde aus.“</p><lb/> <p>„Nein, um Gottes Willen nein, heute muß es<lb/> ſein. Nicht bis Morgen wieder verſchoben. Ich werde<lb/> gewiß Muth bekommen. Es war nur die Vorſtellung<lb/> der Furien — ich möchte das Stück nie auf dem<lb/> Theater ſehen, ſo ſchön es iſt.“</p><lb/> <p>„Aber Oreſt wird ja geheilt.“</p><lb/> <p>„Wer ſeine Mutter todt ſchlug!“</p><lb/> <p>„Leſen Sie, liebe Adelheid, irgend eine heitre<lb/> Rede der Iphigenia. Sie kann wie Balſam wirken.“</p><lb/> <p>Adelheid las, was ſie zufällig aufſchlug:</p><lb/> <lg type="poem"> <l rendition="#et">„Das iſt's, warum mein blutend Herz nicht heilt.</l><lb/> <l rendition="#et">In erſter Jugend, da ſich kaum die Seele</l><lb/> <l rendition="#et">An Vater, Mutter und Geſchwiſter band;</l><lb/> <l rendition="#et">Die neuen Schößlinge, geſellt und lieblich,</l><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [222/0232]
Aber dieſen Segen ſoll ſie auch dem verlornen Bruder
mittheilen. Der Athem ihrer reinen Bruſt ſoll den
Wahnſinn auf ſeiner glühenden Stirne kühlen, die
wüſten Bilder aus ſeiner zerriſſenen Bruſt vertreiben.
Er bekennt ihr den ganzen, vollen, entſetzlichen Fluch,
der auf ihm laſtet, er ſtürzt vor ihr nieder, als er ſie
erkennt —“
Walter mußte inne halten. Adelheid hatte plötz¬
lich die Hand zurückgezogen und hielt ſich die Bruſt.
Dann fuhr ſie ſich über die Stirn.
„Iſt Ihnen wieder unwohl?“
„Nichts, lieber Walter. — Fahren Sie nur fort,
Sie erzählen ſo ſchön.“
„Es iſt doch wohl beſſer, wir ſetzen heut noch
die Stunde aus.“
„Nein, um Gottes Willen nein, heute muß es
ſein. Nicht bis Morgen wieder verſchoben. Ich werde
gewiß Muth bekommen. Es war nur die Vorſtellung
der Furien — ich möchte das Stück nie auf dem
Theater ſehen, ſo ſchön es iſt.“
„Aber Oreſt wird ja geheilt.“
„Wer ſeine Mutter todt ſchlug!“
„Leſen Sie, liebe Adelheid, irgend eine heitre
Rede der Iphigenia. Sie kann wie Balſam wirken.“
Adelheid las, was ſie zufällig aufſchlug:
„Das iſt's, warum mein blutend Herz nicht heilt.
In erſter Jugend, da ſich kaum die Seele
An Vater, Mutter und Geſchwiſter band;
Die neuen Schößlinge, geſellt und lieblich,
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