Alle sahen unwillkürlich den Sprecher, dann sich unter einander an.
"In solchen Angelegenheiten pflegt ein Cavalier nicht selbst zu kommen, sondern durch einen Ver¬ mittler -- wenn überhaupt davon die Rede sein kann," setzte der Wachthabende trocken hinzu.
"Diesen Vermittler hoff' ich hier zu finden."
"Donnerwetter! brummte der Arrestat. Glaubt der Herr da, oder wer's ist, den ich nicht kenne, daß wir hier solches Gelichters sind! Vermitteln! Pestilenz! Wer mir das anböte --"
"Ist wohl ein Mißverständniß," sagte der Ritt¬ meister.
"Gewiß, fuhr Bovillard ruhig fort, wenn die Herren an Beilegen denken. Ich will nichts beige¬ legt wissen, da ich vielmehr einen Gang auf Leben und Tod vorhabe. Wo man a tempo auf zehn Schritt schießt, pflegt der Tod näher zu sein als das Leben. Diese Rücksicht bestimmt auch mich, über andere Rücksichten weg zu sehen."
"So weit schon? Was wollen Sie denn noch?"
"Nur einen Secundanten. Auf Morgen Abend steht die Promenade an. Die Bekannten, auf die ich fest gerechnet, haben mich nachträglich im Stich ge¬ lassen, Freunde habe ich nicht, also muß ich an -- Nichtfreunde mich wenden. Unter den Civilisten war meine Bemühung vergebens, ich wende mich daher an das Militair."
„Ich komme um einer Ehrenſache halb.“
Alle ſahen unwillkürlich den Sprecher, dann ſich unter einander an.
„In ſolchen Angelegenheiten pflegt ein Cavalier nicht ſelbſt zu kommen, ſondern durch einen Ver¬ mittler — wenn überhaupt davon die Rede ſein kann,“ ſetzte der Wachthabende trocken hinzu.
„Dieſen Vermittler hoff' ich hier zu finden.“
„Donnerwetter! brummte der Arreſtat. Glaubt der Herr da, oder wer's iſt, den ich nicht kenne, daß wir hier ſolches Gelichters ſind! Vermitteln! Peſtilenz! Wer mir das anböte —“
„Iſt wohl ein Mißverſtändniß,“ ſagte der Ritt¬ meiſter.
„Gewiß, fuhr Bovillard ruhig fort, wenn die Herren an Beilegen denken. Ich will nichts beige¬ legt wiſſen, da ich vielmehr einen Gang auf Leben und Tod vorhabe. Wo man a tempo auf zehn Schritt ſchießt, pflegt der Tod näher zu ſein als das Leben. Dieſe Rückſicht beſtimmt auch mich, über andere Rückſichten weg zu ſehen.“
„So weit ſchon? Was wollen Sie denn noch?“
„Nur einen Secundanten. Auf Morgen Abend ſteht die Promenade an. Die Bekannten, auf die ich feſt gerechnet, haben mich nachträglich im Stich ge¬ laſſen, Freunde habe ich nicht, alſo muß ich an — Nichtfreunde mich wenden. Unter den Civiliſten war meine Bemühung vergebens, ich wende mich daher an das Militair.“
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„Ich komme um einer Ehrenſache halb.“
Alle ſahen unwillkürlich den Sprecher, dann
ſich unter einander an.
„In ſolchen Angelegenheiten pflegt ein Cavalier
nicht ſelbſt zu kommen, ſondern durch einen Ver¬
mittler — wenn überhaupt davon die Rede ſein
kann,“ ſetzte der Wachthabende trocken hinzu.
„Dieſen Vermittler hoff' ich hier zu finden.“
„Donnerwetter! brummte der Arreſtat. Glaubt
der Herr da, oder wer's iſt, den ich nicht kenne, daß
wir hier ſolches Gelichters ſind! Vermitteln! Peſtilenz!
Wer mir das anböte —“
„Iſt wohl ein Mißverſtändniß,“ ſagte der Ritt¬
meiſter.
„Gewiß, fuhr Bovillard ruhig fort, wenn die
Herren an Beilegen denken. Ich will nichts beige¬
legt wiſſen, da ich vielmehr einen Gang auf Leben
und Tod vorhabe. Wo man a tempo auf zehn
Schritt ſchießt, pflegt der Tod näher zu ſein als das
Leben. Dieſe Rückſicht beſtimmt auch mich, über
andere Rückſichten weg zu ſehen.“
„So weit ſchon? Was wollen Sie denn noch?“
„Nur einen Secundanten. Auf Morgen Abend
ſteht die Promenade an. Die Bekannten, auf die ich
feſt gerechnet, haben mich nachträglich im Stich ge¬
laſſen, Freunde habe ich nicht, alſo muß ich an —
Nichtfreunde mich wenden. Unter den Civiliſten
war meine Bemühung vergebens, ich wende mich
daher an das Militair.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/216>, abgerufen am 01.08.2024.
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