Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.Neuntes Kapitel. Scheiden und Meiden. Jülli weinte, den Kopf auf den Tisch gelegt, "Damit willst Du mich abkaufen," schluchzte sie. Er antwortete nicht. "Du willst verreisen, nicht wieder kommen." "Ich verreise nicht," sagte er nach einer Pause. "Aber Du willst mich nicht wieder sehen. Wa¬ Plötzlich war sie aufgesprungen, die Thränen Neuntes Kapitel. Scheiden und Meiden. Jülli weinte, den Kopf auf den Tiſch gelegt, „Damit willſt Du mich abkaufen,“ ſchluchzte ſie. Er antwortete nicht. „Du willſt verreiſen, nicht wieder kommen.“ „Ich verreiſe nicht,“ ſagte er nach einer Pauſe. „Aber Du willſt mich nicht wieder ſehen. Wa¬ Plötzlich war ſie aufgeſprungen, die Thränen <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0175" n="[165]"/> <div n="1"> <head>Neuntes Kapitel.<lb/><hi rendition="#b">Scheiden und Meiden.</hi><lb/></head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Jülli weinte, den Kopf auf den Tiſch gelegt,<lb/> ſtill vor ſich hin. Vor ihr lag ein kleiner Beutel<lb/> mit Geld. Am Tiſch ſtand Louis Bovillard, mit<lb/> unterſchlagenen Armen, den Hut auf dem Kopf, der<lb/> beinahe die Decke des engen Hofſtübchens berührte.<lb/> Es war nichts Freundliches in der Stube, bis auf<lb/> die Reſedatöpfe im Fenſterbrett, auf welche grade ein<lb/> durch zwei hohe Hinterhäuſer ſich drängender Sonnen¬<lb/> ſtrahl fiel.</p><lb/> <p>„Damit willſt Du mich abkaufen,“ ſchluchzte ſie.</p><lb/> <p>Er antwortete nicht.</p><lb/> <p>„Du willſt verreiſen, nicht wieder kommen.“</p><lb/> <p>„Ich verreiſe nicht,“ ſagte er nach einer Pauſe.</p><lb/> <p>„Aber Du willſt mich nicht wieder ſehen. Wa¬<lb/> rum giebſt Du mir mehr, als Du geben kannſt?<lb/> Dein Vater giebt Dir nichts, Du haſt Schulden, ich<lb/> weiß es. — Wozu brauchte ich denn ſo viel Geld!“</p><lb/> <p>Plötzlich war ſie aufgeſprungen, die Thränen<lb/> brachen ihr aus den Augen, und ſie ſtürzte mit wilder<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [[165]/0175]
Neuntes Kapitel.
Scheiden und Meiden.
Jülli weinte, den Kopf auf den Tiſch gelegt,
ſtill vor ſich hin. Vor ihr lag ein kleiner Beutel
mit Geld. Am Tiſch ſtand Louis Bovillard, mit
unterſchlagenen Armen, den Hut auf dem Kopf, der
beinahe die Decke des engen Hofſtübchens berührte.
Es war nichts Freundliches in der Stube, bis auf
die Reſedatöpfe im Fenſterbrett, auf welche grade ein
durch zwei hohe Hinterhäuſer ſich drängender Sonnen¬
ſtrahl fiel.
„Damit willſt Du mich abkaufen,“ ſchluchzte ſie.
Er antwortete nicht.
„Du willſt verreiſen, nicht wieder kommen.“
„Ich verreiſe nicht,“ ſagte er nach einer Pauſe.
„Aber Du willſt mich nicht wieder ſehen. Wa¬
rum giebſt Du mir mehr, als Du geben kannſt?
Dein Vater giebt Dir nichts, Du haſt Schulden, ich
weiß es. — Wozu brauchte ich denn ſo viel Geld!“
Plötzlich war ſie aufgeſprungen, die Thränen
brachen ihr aus den Augen, und ſie ſtürzte mit wilder
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