Arzt holen!" und war nach der Thür gestürzt. "Das wird nicht nöthig sein, hatte der Legationsrath Wan¬ del gesagt, der aus der dampfenden Stube trat. Es ist nur eine Affection der Nerven." Er hatte mit dem Geheimrath die nassen Tücher abgezogen und gefunden, daß keine Brandverletzung statt gefunden, selbst der Brandfleck am leichten Oberkleide war ge¬ ringfügig, die Flamme hatte nicht einmal das festere Unterkleid ergriffen. Der Legationsrath steckte das Essenzenbüchschen, welches er geöffnet, wieder in die Tasche, murmelnd: "Hydor ariston!" Das hatte eine freundliche Falte auf die Stirn des Geheimraths ge¬ lockt. Er redete den Legationsrath lateinisch an, und dieser antwortete lateinisch. Herr von Wandel hatte eine schöne, reine Aussprache, nicht ganz ciceronianisch, aber er applicirte sehr geschickt einige Feinheiten der Latinität: "Es ist nichts als eine psychische Aufregung, vielleicht Exaltation für den Dichter, vielleicht etwas anderes -- aber es geht schnell vorüber, sie wird sich von selbst erholen!" Und so geschah es, auf einige Tropfen, die er aus einem Wasserglase auf ihr Gesicht sprühte, schlug Adelheid die Augen auf. Sie erkannte die Gegenstände, athmete und machte eine Bewegung mit der Hand, daß die Herren sich ent¬ fernen möchten: "Das übrige wird weibliche Pflege und ein Camillenthee thun," beruhigte der Gast den Wirth.
Der Geheimrath hatte dem Legationsrath die Hand gereicht, und den Wunsch seiner näheren Be¬
Arzt holen!“ und war nach der Thür geſtürzt. „Das wird nicht nöthig ſein, hatte der Legationsrath Wan¬ del geſagt, der aus der dampfenden Stube trat. Es iſt nur eine Affection der Nerven.“ Er hatte mit dem Geheimrath die naſſen Tücher abgezogen und gefunden, daß keine Brandverletzung ſtatt gefunden, ſelbſt der Brandfleck am leichten Oberkleide war ge¬ ringfügig, die Flamme hatte nicht einmal das feſtere Unterkleid ergriffen. Der Legationsrath ſteckte das Eſſenzenbüchschen, welches er geöffnet, wieder in die Taſche, murmelnd: „Hydor ariston!“ Das hatte eine freundliche Falte auf die Stirn des Geheimraths ge¬ lockt. Er redete den Legationsrath lateiniſch an, und dieſer antwortete lateiniſch. Herr von Wandel hatte eine ſchöne, reine Ausſprache, nicht ganz ciceronianiſch, aber er applicirte ſehr geſchickt einige Feinheiten der Latinität: „Es iſt nichts als eine pſychiſche Aufregung, vielleicht Exaltation für den Dichter, vielleicht etwas anderes — aber es geht ſchnell vorüber, ſie wird ſich von ſelbſt erholen!“ Und ſo geſchah es, auf einige Tropfen, die er aus einem Waſſerglaſe auf ihr Geſicht ſprühte, ſchlug Adelheid die Augen auf. Sie erkannte die Gegenſtände, athmete und machte eine Bewegung mit der Hand, daß die Herren ſich ent¬ fernen möchten: „Das übrige wird weibliche Pflege und ein Camillenthee thun,“ beruhigte der Gaſt den Wirth.
Der Geheimrath hatte dem Legationsrath die Hand gereicht, und den Wunſch ſeiner näheren Be¬
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Arzt holen!“ und war nach der Thür geſtürzt. „Das
wird nicht nöthig ſein, hatte der Legationsrath Wan¬
del geſagt, der aus der dampfenden Stube trat. Es
iſt nur eine Affection der Nerven.“ Er hatte mit
dem Geheimrath die naſſen Tücher abgezogen und
gefunden, daß keine Brandverletzung ſtatt gefunden,
ſelbſt der Brandfleck am leichten Oberkleide war ge¬
ringfügig, die Flamme hatte nicht einmal das feſtere
Unterkleid ergriffen. Der Legationsrath ſteckte das
Eſſenzenbüchschen, welches er geöffnet, wieder in die
Taſche, murmelnd: „Hydor ariston!“ Das hatte eine
freundliche Falte auf die Stirn des Geheimraths ge¬
lockt. Er redete den Legationsrath lateiniſch an, und
dieſer antwortete lateiniſch. Herr von Wandel hatte
eine ſchöne, reine Ausſprache, nicht ganz ciceronianiſch,
aber er applicirte ſehr geſchickt einige Feinheiten der
Latinität: „Es iſt nichts als eine pſychiſche Aufregung,
vielleicht Exaltation für den Dichter, vielleicht etwas
anderes — aber es geht ſchnell vorüber, ſie wird
ſich von ſelbſt erholen!“ Und ſo geſchah es, auf
einige Tropfen, die er aus einem Waſſerglaſe auf ihr
Geſicht ſprühte, ſchlug Adelheid die Augen auf. Sie
erkannte die Gegenſtände, athmete und machte eine
Bewegung mit der Hand, daß die Herren ſich ent¬
fernen möchten: „Das übrige wird weibliche Pflege
und ein Camillenthee thun,“ beruhigte der Gaſt den
Wirth.
Der Geheimrath hatte dem Legationsrath die
Hand gereicht, und den Wunſch ſeiner näheren Be¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/161>, abgerufen am 24.11.2024.
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