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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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seelenvolle Auge kann nur der Spiegel der innern
Wahrheit sein."

"Sie meinen doch nicht den Lieutenant Kleist
oder den Fähndrich Kaphengst? Mit dem hab ich ja
noch gespielt als Kind, und der ist mein Neveu."

"Sie spielten ein gefährlich Spiel mit ihm --
das Spiel des Zornes, gnädige Frau. Eine Frau
darf nicht hassen."

"Wen hab ich denn gehaßt, ich wüßte Niemand."

"Nennen Sie es Antipathie, Widerwillen, wie
Sie wollen; sobald die Abneigung zur Leidenschaft
wird, hat sie etwas -- Interessantes, Lockendes.
Mancher Kranke, der eine Medicin mit Widerwillen
nahm, schlürft sie zuletzt mit Leidenschaft. Ja hätten
Sie ihm gleichgültige Verachtung gezeigt! Aber Sie
exponirten ja Ihre Antipathie. Das darf eine Frau
nie thun! Sie ließen ihm merken, wie schon seine
Gegenwart, sein Anblick Ihnen zuwider war. Das,
von einem Weib, reizt den Mann. Er kann sich
rächen wollen. Das sind unedle Naturen. Aber
gehaßt zu werden von einer schönen Frau ist ein be¬
rauschendes Gefühl. Es stachelt unsre Eitelleit, wir
sinnen nach, welche unsrer Eigenschaften denn diese
Leidenschaft in dem schönen Gegenstande geweckt
haben kann?"

"Herr Gott, Sie meinen doch nicht!"

"Namen nenne ich nie. Wenn Sie ihm den
Rücken kehren, sieht er nur Ihre schöne Taille, wenn
Sie die Schleppe verächtlich um den Arm schlagen,

ſeelenvolle Auge kann nur der Spiegel der innern
Wahrheit ſein.“

„Sie meinen doch nicht den Lieutenant Kleiſt
oder den Fähndrich Kaphengſt? Mit dem hab ich ja
noch geſpielt als Kind, und der iſt mein Neveu.“

„Sie ſpielten ein gefährlich Spiel mit ihm —
das Spiel des Zornes, gnädige Frau. Eine Frau
darf nicht haſſen.“

„Wen hab ich denn gehaßt, ich wüßte Niemand.“

„Nennen Sie es Antipathie, Widerwillen, wie
Sie wollen; ſobald die Abneigung zur Leidenſchaft
wird, hat ſie etwas — Intereſſantes, Lockendes.
Mancher Kranke, der eine Medicin mit Widerwillen
nahm, ſchlürft ſie zuletzt mit Leidenſchaft. Ja hätten
Sie ihm gleichgültige Verachtung gezeigt! Aber Sie
exponirten ja Ihre Antipathie. Das darf eine Frau
nie thun! Sie ließen ihm merken, wie ſchon ſeine
Gegenwart, ſein Anblick Ihnen zuwider war. Das,
von einem Weib, reizt den Mann. Er kann ſich
rächen wollen. Das ſind unedle Naturen. Aber
gehaßt zu werden von einer ſchönen Frau iſt ein be¬
rauſchendes Gefühl. Es ſtachelt unſre Eitelleit, wir
ſinnen nach, welche unſrer Eigenſchaften denn dieſe
Leidenſchaft in dem ſchönen Gegenſtande geweckt
haben kann?“

„Herr Gott, Sie meinen doch nicht!“

„Namen nenne ich nie. Wenn Sie ihm den
Rücken kehren, ſieht er nur Ihre ſchöne Taille, wenn
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[119/0129] ſeelenvolle Auge kann nur der Spiegel der innern Wahrheit ſein.“ „Sie meinen doch nicht den Lieutenant Kleiſt oder den Fähndrich Kaphengſt? Mit dem hab ich ja noch geſpielt als Kind, und der iſt mein Neveu.“ „Sie ſpielten ein gefährlich Spiel mit ihm — das Spiel des Zornes, gnädige Frau. Eine Frau darf nicht haſſen.“ „Wen hab ich denn gehaßt, ich wüßte Niemand.“ „Nennen Sie es Antipathie, Widerwillen, wie Sie wollen; ſobald die Abneigung zur Leidenſchaft wird, hat ſie etwas — Intereſſantes, Lockendes. Mancher Kranke, der eine Medicin mit Widerwillen nahm, ſchlürft ſie zuletzt mit Leidenſchaft. Ja hätten Sie ihm gleichgültige Verachtung gezeigt! Aber Sie exponirten ja Ihre Antipathie. Das darf eine Frau nie thun! Sie ließen ihm merken, wie ſchon ſeine Gegenwart, ſein Anblick Ihnen zuwider war. Das, von einem Weib, reizt den Mann. Er kann ſich rächen wollen. Das ſind unedle Naturen. Aber gehaßt zu werden von einer ſchönen Frau iſt ein be¬ rauſchendes Gefühl. Es ſtachelt unſre Eitelleit, wir ſinnen nach, welche unſrer Eigenſchaften denn dieſe Leidenſchaft in dem ſchönen Gegenſtande geweckt haben kann?“ „Herr Gott, Sie meinen doch nicht!“ „Namen nenne ich nie. Wenn Sie ihm den Rücken kehren, ſieht er nur Ihre ſchöne Taille, wenn Sie die Schleppe verächtlich um den Arm ſchlagen,

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/129>, abgerufen am 23.11.2024.