Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Das ist eine fürchterlich ernste Frage, mein
Herr von Eisenhauch. Seine Atmosphäre war viel¬
leicht nicht angethan, um Männer zu erzeugen. Er
sehnte sich nach ihnen in seiner tiefen Einsamkeit,
aber sein scharfer Athem, das Feuer seines Auges
ließ die Embryonen nicht aufkommen. Friedrichs
Tafelrunde war für blitzende Geister und kühne
Ritter, aber für Charactere war doch kein Platz."

"Und wir brauchen sie, Männer -- wenn nur
einen, und der Eine ist es auch nicht -- eine ver¬
glaste Ruine, an der die Flamme nur noch zuwei¬
len emporleckt, um die ungeheure Verwüstung zu
zeigen."

Der Rath drückte ihm die Hand: "Trösten wir
uns, daß die Zeiten verschieden sind. Eine jede ge¬
biert das, dessen sie bedarf, also auch ihre Männer."

Sie verloren sich in der Gesellschaft. Fuchsius
stieß an der Thür mit Laforest wieder zusammen, der,
den Hut in der Hand, die Versammlung rasch ver¬
lassen zu wollen schien.

"Wohin Excellenz?"

"Zum Berichten."

"Was, wenn das Herz des Diplomaten noch
geöffnet ist?"

"Was Sie mehr interessirt als mich."

"Geht die Eitelbach in die Falle?"

Der Gesandte flüsterte ihm ins Ohr: "Stein
wird doch Minister."

"Eine Attrape?"

II. 8

„Das iſt eine fürchterlich ernſte Frage, mein
Herr von Eiſenhauch. Seine Atmosphäre war viel¬
leicht nicht angethan, um Männer zu erzeugen. Er
ſehnte ſich nach ihnen in ſeiner tiefen Einſamkeit,
aber ſein ſcharfer Athem, das Feuer ſeines Auges
ließ die Embryonen nicht aufkommen. Friedrichs
Tafelrunde war für blitzende Geiſter und kühne
Ritter, aber für Charactere war doch kein Platz.“

„Und wir brauchen ſie, Männer — wenn nur
einen, und der Eine iſt es auch nicht — eine ver¬
glaſte Ruine, an der die Flamme nur noch zuwei¬
len emporleckt, um die ungeheure Verwüſtung zu
zeigen.“

Der Rath drückte ihm die Hand: „Tröſten wir
uns, daß die Zeiten verſchieden ſind. Eine jede ge¬
biert das, deſſen ſie bedarf, alſo auch ihre Männer.“

Sie verloren ſich in der Geſellſchaft. Fuchſius
ſtieß an der Thür mit Laforeſt wieder zuſammen, der,
den Hut in der Hand, die Verſammlung raſch ver¬
laſſen zu wollen ſchien.

„Wohin Excellenz?“

„Zum Berichten.“

„Was, wenn das Herz des Diplomaten noch
geöffnet iſt?“

„Was Sie mehr intereſſirt als mich.“

„Geht die Eitelbach in die Falle?“

Der Geſandte flüſterte ihm ins Ohr: „Stein
wird doch Miniſter.“

„Eine Attrape?“

II. 8
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0123" n="113"/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t eine fürchterlich ern&#x017F;te Frage, mein<lb/>
Herr von Ei&#x017F;enhauch. Seine Atmosphäre war viel¬<lb/>
leicht nicht angethan, um Männer zu erzeugen. Er<lb/>
&#x017F;ehnte &#x017F;ich nach ihnen in &#x017F;einer tiefen Ein&#x017F;amkeit,<lb/>
aber &#x017F;ein &#x017F;charfer Athem, das Feuer &#x017F;eines Auges<lb/>
ließ die Embryonen nicht aufkommen. Friedrichs<lb/>
Tafelrunde war für blitzende Gei&#x017F;ter und kühne<lb/>
Ritter, aber für Charactere war doch kein Platz.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und wir brauchen &#x017F;ie, Männer &#x2014; wenn nur<lb/><hi rendition="#g">einen</hi>, und der Eine i&#x017F;t es auch nicht &#x2014; eine ver¬<lb/>
gla&#x017F;te Ruine, an der die Flamme nur noch zuwei¬<lb/>
len emporleckt, um die ungeheure Verwü&#x017F;tung zu<lb/>
zeigen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Rath drückte ihm die Hand: &#x201E;Trö&#x017F;ten wir<lb/>
uns, daß die Zeiten ver&#x017F;chieden &#x017F;ind. Eine jede ge¬<lb/>
biert das, de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie bedarf, al&#x017F;o auch <hi rendition="#g">ihre</hi> Männer.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie verloren &#x017F;ich in der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft. Fuch&#x017F;ius<lb/>
&#x017F;tieß an der Thür mit Lafore&#x017F;t wieder zu&#x017F;ammen, der,<lb/>
den Hut in der Hand, die Ver&#x017F;ammlung ra&#x017F;ch ver¬<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en zu wollen &#x017F;chien.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wohin Excellenz?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Zum Berichten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was, wenn das Herz des Diplomaten noch<lb/>
geöffnet i&#x017F;t?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was Sie mehr intere&#x017F;&#x017F;irt als mich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Geht die Eitelbach in die Falle?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Ge&#x017F;andte flü&#x017F;terte ihm ins Ohr: &#x201E;Stein<lb/>
wird doch Mini&#x017F;ter.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Eine Attrape?&#x201C;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II</hi>. 8<lb/></fw>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0123] „Das iſt eine fürchterlich ernſte Frage, mein Herr von Eiſenhauch. Seine Atmosphäre war viel¬ leicht nicht angethan, um Männer zu erzeugen. Er ſehnte ſich nach ihnen in ſeiner tiefen Einſamkeit, aber ſein ſcharfer Athem, das Feuer ſeines Auges ließ die Embryonen nicht aufkommen. Friedrichs Tafelrunde war für blitzende Geiſter und kühne Ritter, aber für Charactere war doch kein Platz.“ „Und wir brauchen ſie, Männer — wenn nur einen, und der Eine iſt es auch nicht — eine ver¬ glaſte Ruine, an der die Flamme nur noch zuwei¬ len emporleckt, um die ungeheure Verwüſtung zu zeigen.“ Der Rath drückte ihm die Hand: „Tröſten wir uns, daß die Zeiten verſchieden ſind. Eine jede ge¬ biert das, deſſen ſie bedarf, alſo auch ihre Männer.“ Sie verloren ſich in der Geſellſchaft. Fuchſius ſtieß an der Thür mit Laforeſt wieder zuſammen, der, den Hut in der Hand, die Verſammlung raſch ver¬ laſſen zu wollen ſchien. „Wohin Excellenz?“ „Zum Berichten.“ „Was, wenn das Herz des Diplomaten noch geöffnet iſt?“ „Was Sie mehr intereſſirt als mich.“ „Geht die Eitelbach in die Falle?“ Der Geſandte flüſterte ihm ins Ohr: „Stein wird doch Miniſter.“ „Eine Attrape?“ II. 8

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/123
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/123>, abgerufen am 23.11.2024.