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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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Aus Erbarmen für meine Pferde mußte ich aus dem
Wagen springen."

"Was führte Excellenz nach Tegel?"

"Sein expresser Auftrag."

"Napoleon sollte dies unbedeutende Dorf kennen?"

"Im Kreise der Kaiserin war von der Stael die
Rede gewesen, Madame Josephine suchte sie zu ver¬
theidigen gegen den sprudelnden Zorn ihres Ge¬
mahls -- unter uns, Napoleon ist darin etwas
kleinlich -- dabei kam man auf ihre Studien in
Deutschland, auf Herrn von Goethe, der ein roman¬
tischer Poet und Minister zugleich sei, was Napoleon
wieder nicht begriff, auf ein didaktisches oder dra¬
matisches Poem desselben, Doctor Faust, auf die Illustra¬
tion eines Hexensabbats, ich glaube Walpurgisnacht,
wo ein Vers vorkommt, der ja wohl heißt:
Und dennoch spukt's in Tegel!
Irgend ein Germanomane muß wohl in der kleinen
Societät gewesen sein, wie dem nun sei, der Kaiser
ließ sich die Worte übersetzen und erklären. Das
Spuken kann er nicht leiden, er meinte, es spuke
überall in Deutschland, warum in dem Orte, von
dem man ihm gesagt, daß er dicht bei Berlin liegt,
was das zu bedeuten habe, was Tegel sei? Kurz,
das Ende vom Liede, eine Anfrage an mich, ein
Befehl, an Ort und Stelle zu untersuchen und zu
berichten."

"Und Sie entdeckten nur den stillen Ruhesitz des
großen Gelehrten, der wohl nicht auf den Cordilleres

Aus Erbarmen für meine Pferde mußte ich aus dem
Wagen ſpringen.“

„Was führte Excellenz nach Tegel?“

„Sein expreſſer Auftrag.“

„Napoleon ſollte dies unbedeutende Dorf kennen?“

„Im Kreiſe der Kaiſerin war von der Stael die
Rede geweſen, Madame Joſephine ſuchte ſie zu ver¬
theidigen gegen den ſprudelnden Zorn ihres Ge¬
mahls — unter uns, Napoleon iſt darin etwas
kleinlich — dabei kam man auf ihre Studien in
Deutſchland, auf Herrn von Goethe, der ein roman¬
tiſcher Poet und Miniſter zugleich ſei, was Napoleon
wieder nicht begriff, auf ein didaktiſches oder dra¬
matiſches Poem deſſelben, Doctor Fauſt, auf die Illuſtra¬
tion eines Hexenſabbats, ich glaube Walpurgisnacht,
wo ein Vers vorkommt, der ja wohl heißt:
Und dennoch ſpukt's in Tegel!
Irgend ein Germanomane muß wohl in der kleinen
Societät geweſen ſein, wie dem nun ſei, der Kaiſer
ließ ſich die Worte überſetzen und erklären. Das
Spuken kann er nicht leiden, er meinte, es ſpuke
überall in Deutſchland, warum in dem Orte, von
dem man ihm geſagt, daß er dicht bei Berlin liegt,
was das zu bedeuten habe, was Tegel ſei? Kurz,
das Ende vom Liede, eine Anfrage an mich, ein
Befehl, an Ort und Stelle zu unterſuchen und zu
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„Und Sie entdeckten nur den ſtillen Ruheſitz des
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[103/0113] Aus Erbarmen für meine Pferde mußte ich aus dem Wagen ſpringen.“ „Was führte Excellenz nach Tegel?“ „Sein expreſſer Auftrag.“ „Napoleon ſollte dies unbedeutende Dorf kennen?“ „Im Kreiſe der Kaiſerin war von der Stael die Rede geweſen, Madame Joſephine ſuchte ſie zu ver¬ theidigen gegen den ſprudelnden Zorn ihres Ge¬ mahls — unter uns, Napoleon iſt darin etwas kleinlich — dabei kam man auf ihre Studien in Deutſchland, auf Herrn von Goethe, der ein roman¬ tiſcher Poet und Miniſter zugleich ſei, was Napoleon wieder nicht begriff, auf ein didaktiſches oder dra¬ matiſches Poem deſſelben, Doctor Fauſt, auf die Illuſtra¬ tion eines Hexenſabbats, ich glaube Walpurgisnacht, wo ein Vers vorkommt, der ja wohl heißt: Und dennoch ſpukt's in Tegel! Irgend ein Germanomane muß wohl in der kleinen Societät geweſen ſein, wie dem nun ſei, der Kaiſer ließ ſich die Worte überſetzen und erklären. Das Spuken kann er nicht leiden, er meinte, es ſpuke überall in Deutſchland, warum in dem Orte, von dem man ihm geſagt, daß er dicht bei Berlin liegt, was das zu bedeuten habe, was Tegel ſei? Kurz, das Ende vom Liede, eine Anfrage an mich, ein Befehl, an Ort und Stelle zu unterſuchen und zu berichten.“ „Und Sie entdeckten nur den ſtillen Ruheſitz des großen Gelehrten, der wohl nicht auf den Cordilleres

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/113>, abgerufen am 24.11.2024.